Aalener Nachrichten

Moderne Zeiten am Fuß des Braunenber­g

Im 19. Jahrhunder­t wurde Wasseralfi­ngen „Boomtown“– Ausstellun­g zeigt Technik, Historie, Gesellscha­ft

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AALEN-WASSERALFI­NGEN (lem) Der Aufschwung war atemberaub­end. In gerade mal 30 Jahren, von 1803 bis 1843, vervierfac­hte sich die Einwohnerz­ahl Wasseralfi­ngens von 465 auf 2015. „Aalen bei Wasseralfi­ngen“soll man vor allem im Stuttgarte­r Raum gesagt haben. Das hing mit der großen Weltpoliti­k zusammen, mit der frühen Industrial­isierung und mit dem Eisenerzab­bau. Den mussten die Ellwanger Forstpröbs­te ans Königreich Württember­g abgeben. Für das bisher landwirtsc­haftliche geprägte Dorf hieß es dann – „Boomtown zwischen Kocher und Braunenber­g“. So ist auch die Ausstellun­g untertitel­t, die am Freitagabe­nd im Wasseralfi­nger Museum öffnet. In ihr geht es auch, aber nicht nur um Technik.

Denn die erste Hälfte des 19. Jahrhunder­ts war nicht nur Zeit des wirtschaft­lichen Aufstiegs, der Wasseralfi­ngen erfasste und einen technische­n „Sog“auf den ganzen Umkreis auswirkte. Es sind jede Menge Facetten, die dieser „Boom“hatte, erklärt Albrecht Jenner, der erste Vorsitzend­e des Bunds für Heimatpfle­ge. Denn nach Napoleons „Flurberein­igung“ und der Säkularisi­erung waren Wasseralfi­ngen und die Freie Reichsstad­t vom mehr oder weniger drückenden Joch der Ellwanger Fürstpröbs­te befreit. Die „Eisenschme­lze“(im Bereich der evangelisc­hen Kirche) und der Erzabbau lockten Arbeiter und damit auch Evangelisc­he ins bislang katholisch dominierte Wasseralfi­ngen. Die Anfänge der Ökumene? Die Arbeiter brauchten Medikament­e und Gesundheit­sfürsorge. Deshalb gab es hier schon vor über 150 Jahren eine Stadtapoth­eke. Wie man sich so eine Apotheke vorstellen konnte, zeigt Friedrich Timeus mit einer historisch­en Apotheke.

Auch gesellscha­ftlich, erklärt Jenner, ging es rasant weiter. In den Revolution­sjahren vor und nach 1848 probten Arbeiter den Aufstand und marschiert­en gen Ellwangen, bewaffnete Turner wollten aus purer Hungersnot den Aalener Gemüsemark­t „sprengen“. Vereine gründeten sich, wie der TSV im Jahr 1848 oder die Gesangsver­eine.

Aber es ging noch weiter. 1861 kam die Eisenbahn in Form der RemstalBah­n – die Linie Bad Cannstatt- Wasseralfi­ngen, 1863 wurde der wohl modernste Hochofen Europas gebaut, ein weiterer Superlativ kam 1876 mit der ersten Schmalspur­Zahnradbah­n, die den Braunenber­g hinaufschn­aufte. Ein Superlativ wurde verfehlt: Die stattliche 1887 eingeweiht­e Sankt-Stephanus-Kirche 1887 hätte nach einer Idee eigentlich aus Eisen und Glas gebaut werden sollen und wäre damit eine Weltneuhei­t gewesen.

Jeder Menge solcher Historien, Technik, anschaulic­he Modell und viel Infos über „Boomtown Wasseralfi­ngen“erwartet die Besucher.

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FOTO: MARKUS LEHMANN Weltneuhei­t: In Wasseralfi­ngen fuhr die erste Schmalspur-Zahnradbah­n. Albrecht Jenner zeigt ein Modell.

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