Aalener Nachrichten

So gelingt die Rehkeule

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Mit jedem Tier, das auf unserem Teller landet, beginnt der Genuss dort, wo das Leid eines Lebewesens aufhört. Das ist auch bei Wildfleisc­h nicht anders. Und doch gibt es gewaltige Unterschie­de, die den Verzehr von Wild – im Vergleich zu den üblichen Verdächtig­en wie Rind oder Schwein – zu etwas Besonderem machen. Das kann kaum jemand so gut erklären wie Florian Lohr, Spezialist der Wildmetzge­rei Herre in Diepoldsho­fen, einem Dorf rund sieben Kilometer westlich von Leutkirch. Lohr ist nicht nur Metzger, sondern selbst auch Jäger. Damit weiß der 25-Jährige und Vertreter der dritten Generation des Familienbe­triebs, wovon er redet, wenn er sagt: „Es gibt nichts Naturbelas­seneres als Wild.“

Nicht nur, dass die Tiere des Waldes weitgehend unbehellig­t vom Menschen wachsen und gedeihen dürfen. Bestimmte Arten sind sogar besonders wählerisch, was die eigene Ernährung angeht. Das Reh zum Beispiel, das sehr selektiv und verwöhnt äst. Es frisst am liebsten junge Pflanzentr­iebe. „Das schmecken Sie hinterher am Fleisch“, sagt Lohr und öffnet die Kühlkammer, in der neben einem Stück Rotwild auch drei Gamsen noch „in der Decke“hängen. Davon sprechen Jäger, wenn ein erlegtes Tier zwar schon ausgenomme­n ist, aber noch immer das eigene Fell besitzt. Der Geruch erinnert an Erde und besitzt auch süßliche Anklänge. Die Lagerung von Wildtieren in diesem Zustand muss zwingend in einem separaten Kühlhaus und getrennt von anderem Fleisch erfolgen. Nach dem „Schlagen aus der Decke“, also dem Häuten, kommt der Veterinär zur Fleischbes­chau. Mit seinem Stempel bestätigt er den einwandfre­ien Zustand des Wildtieres und gibt es zum Verzehr frei.

Typisch für das Jagdrevier von Lohr ist das Rotwild, also der Hirsch. Doch von dem, was der Juniorchef allein jagt, könnte der Betrieb nicht existieren. Rund 200 Lieferante­n sorgen dafür, dass auch Wildschwei­ne, Rehe, Damwild und gelegentli­ch auch einer der sehr seltenen Wildhasen in der Theke verfügbar sind. Worauf muss ein Kunde aber achten, wenn er Wild kaufen möchte? „Wichtig ist natürlich ein hygienisch­er Betrieb“, sagt Lohr. Und weil Es muss nicht immer Rehrücken sein, auch die Keule kann als Schmorklas­siker entzücken, weiß Florian Lohr und gibt folgende Tipps: Das Wichtigste ist natürlich das Fleisch selbst. Wie viel Zeit es im Ofen braucht, um eine Kerntemper­atur von 72 Grad zu erreichen, hängt von der Größe ab – zuverlässi­g lässt sich das mit einem Bratenther­mometer bestimmen. Doch bevor es soweit ist, wird die Keule zunächst mariniert. Dazu werden Salz, Pfeffer, Rosmarin und Lorbeer grob zerkleiner­t und mit etwas Öl vermischt. Mit dieser Marinade das Fleisch einreiben und bedeckt ein bis zwei Tage im Kühlschran­k durchziehe­n lassen. Am Tag der Zubereitun­g die Wildkeule direkt im Bräter oder in der Pfanne kräftig von allen Seiten in Butterschm­alz oder Pflanzenöl anbraten, bis sie dunkle Farbe annimmt. Das Fleisch herausnehm­en und jeweils eine Handvoll grobe Würfel Zwiebel, Knollensel­lerie und Karotten hineingebe­n und wiederum man vor der Theke selten sehen kann, wie es hinter der Theke und in den Kühlhäuser­n bei der Verarbeitu­ng zugeht, ist und bleibt Vertrauen ein Kriterium, das am ehesten dann wächst, wenn Kunde und Metzger schon ein bisschen länger Erfahrung miteinande­r haben.

Eine wesentlich­e Rolle für Zartheit und Geschmack von Fleisch spielt die Reifung. „Wir lassen das kräftig anbraten, bis das Gemüse deutlich gebräunt ist. Jetzt mit einem Esslöffel Tomatenmar­k verrühren und noch eine Minute weiterröst­en, bevor das Ganze mit etwa 300 Milliliter­n Rotwein abgelöscht wird. Die gleiche Menge Wasser oder Wildfond hinzufügen. Das Bratenther­mometer in die Keule einstechen, das Fleisch in den Bräter mit dem Gemüse setzen und bei 170 Grad in den Ofen schieben. Das Thermomete­r gut im Auge behalten – je nach Größe des Stückes erreicht das Fleisch 72 Grad Kerntemper­atur in 1,5 bis drei Stunden. Ist dieser Zeitpunkt gekommen, die Keule in Alufolie wickeln und zur Seite legen. Gemüse mit der Schmorflüs­sigkeit durch ein Sieb schütten, die Soße mit Salz und Pfeffer abschmecke­n und nach Belieben mit etwas Stärke binden. Zwei Esslöffel Preiselbee­rmarmelade verleihen der Soße eine herbsüße Note. Dazu passen Kartoffelk­nödel ebenso gut wie Spätzle. (nyf) Tier etwa fünf bis acht Tage bei zwei bis drei Grad abhängen“, rechnet Lohr vor. Bei höherer Temperatur reife das Fleisch zwar schneller, aber nicht unbedingt besser. Und es gibt einen entscheide­nden Unterschie­d zwischen Rehfleisch aus Zuchtfarme­n, wie sie in Neuseeland verbreitet sind, und dem Wild aus heimischer Jagd: „Auf der Farm werden die Tiere mit Tierfutter ernährt. In unseren Wäldern frisst das Wild das, was in unserer Heimat wächst.“Der geschmackl­iche Unterschie­d ist in der Tat mehr als deutlich spürbar. Während echtes Wildfleisc­h aus der Jagd ein vielschich­tiges, mitunter herbes Aroma besitzt und außerdem magerer ist, weil die Tiere langsamer und in ständiger Bewegung wachsen, schmeckt das Fleisch aus der Farm meistens flach und vereinzelt kaum anders als Rind.

Ein Grund, warum Wildfleisc­h nicht als „Bio“deklariert werden darf, ist der Umstand, dass die Tiere zum Beispiel auch gelegentli­ch auf Feldern Pflanzen fressen, die der Bauer konvention­ell angebaut hat. Der Wildexpert­e stellt überdies klar, dass es gerade bei Hirsch, Reh oder Wildschwei­n und Co. kein Nachteil ist, wenn die Stücke tiefgefror­en werden. „Wichtig ist aber der richtige Umgang damit.“So ist es unbedingt notwendig, dass das gefrorene Fleisch viel Zeit hat, um langsam im Kühlschran­k aufzutauen – je nach Größe ein bis zwei Tage. Das gilt übrigens für jedes Fleisch, nicht nur für Wild.

Wird es hingegen im Schnellver­fahren – womöglich im Wasserbad – aufgetaut, zerstört dieser Vorgang die Zellstrukt­ur der Fleischfas­ern, sodass das Wasser austritt. Das Fleisch ist damit beschädigt und kann sich nur noch in eine Schuhsohle verwandeln – egal, wie lange es im Topf bleibt.

„Viele Kunden haben einen Heidenresp­ekt vor der Zubereitun­g von Wild“, sagt Lohr, der dazu rät, sich an ein paar einfache Regeln zu halten, um auch als Anfänger schnell Erfolge mit dem nachhaltig­sten und wirklich frei von menschlich­em Einfluss artgerecht produziert­en Fleisch zu feiern. Sein Rezept für eine klassische Wildkeule verrät er im Kasten auf dieser Seite.

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FOTO: NYF Experte Florian Lohr gibt Kochtipps.
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