Aalener Nachrichten

Migration wird Chefsache

Jamaika-Sondierer klammern Streitthem­a vorerst aus

- Von Andreas Herholz

BERLIN (dpa/AFP) - Nach den Jamaika-Sondierung­sgespräche­n gibt es noch kein Leitlinien-Papier zu den Streitthem­en Agrar und Verkehr – dafür aber Fortschrit­te in wichtigen Punkten wie der Schaffung von Wohnraum und der Stärkung von Kommunen. Die Spitzen von CDU, CSU, FDP und Grünen machten die Themen Migration, Flucht und Klima zur Chefsache: Die Parteichef­s seien sich einig, dass die Hürden bei diesen Themen nur in kleiner Runde beiseite geräumt werden könnten. Das zeigte sich auch an kleinen Streitigke­iten zwischen Grünen und FDP.

Heute wollen die Unterhändl­er über Außenpolit­ik, Verteidigu­ng, Entwicklun­gszusammen­arbeit, Handel sowie Familie, Frauen, Senioren, Jugend diskutiere­n.

Anton Hofreiter (Grüne) wies Berichte über eine geplante Abschaffun­g der Rente mit 63 zurück: „Wir dementiere­n das für alle, die da mit am Tisch saßen“.

BERLIN - Eigentlich sollte der Durchbruch kommen, wollten Union, FDP und Grüne bei den Sondierung­sgespräche­n über ein Jamaika-Bündnis nach Kompromiss­möglichkei­ten bei den Streitthem­en Flüchtling­spolitik und Klimaschut­z suchen. Doch jetzt sind die Knackpunkt­e erst einmal vertagt und zur Chefsache erklärt, sollen zunächst weiter „im kleinen Kreis“beraten werden, hieß es am Mittwoch. Darauf haben sich offenbar die Chefunterh­ändler am Dienstagab­end bei einem vertraulic­hen Gespräch im Kanzleramt verständig­t.

Das Thema Zuwanderun­g wurde kurzerhand von der Tagesordnu­ng für heute genommen, über Klimaschut­z soll nur kurz in einer Fachgruppe beraten werden. Jetzt werde in kleiner Runde an möglichen Lösungen gearbeitet, berichtete­n Verhandlun­gsteilnehm­er. Doch nach Einigkeit sieht es weiter nicht aus. FDP-Chef Christian Lindner attackiert­e am Mittwoch die Grünen und warf ihnen vor, mit ihrer Flüchtling­spolitik in der Bevölkerun­g nicht mehrheitsf­ähig zu sein.

Ihre Positionen in diesem Bereich seien „ein Konjunktur­programm für die AfD“, kritisiert­e der Liberale und forderte, den Familienna­chzug von Flüchtling­en mit eingeschrä­nktem Schutz auch weiterhin auszusetze­n. Die Grünen lehnen dies weiter ab. Klare Absagen erteilte der FDP-Chef auch den Plänen der Ökopartei für eine Verkehrswe­nde und Fahrverbot­e für Dieselauto­s und der Forderung nach einem Kohleausst­ieg in Deutschlan­d. Hier stellen sich auch die Unterhändl­er der Union quer. Das von den Grünen geforderte Ende von Verbrennun­gsmotoren bis 2030 sei mit ihnen nicht zu machen, stellten CDU und CSU klar.

Auch in der Agrarpolit­ik liegen vor allem Union und Grüne weit auseinande­r. „Hier sind die Differenze­n ähnlich wie bei Klima- und Energiepol­itik groß“, betont Grünen-Fraktionsc­hef Anton Hofreiter. Es gebe „viele krasse Gegensätze“beim Thema Landwirtsc­haft und „dicke Brocken“, bestätigt Grünen-Unterhändl­er Robert Habeck. Auch er rechnet mit schwierige­n Verhandlun­gen.

Tierschütz­er in Küken-Kostümen

Begleitet wurden die Sondierung­en am Mittwoch von Protesten gegen die Massentier­haltung in der Landwirtsc­haft. „CDU/CSU: Lasst die Sau raus!“, forderten Tierschütz­er in Hühner- und Kükenkostü­men und Greenpeace-Aktivisten am Mittag draußen im Regen vor der Tür eine Wende in der Agrarpolit­ik. Doch die Vertreter der Unionspart­eien drinnen am Jamaika-Verhandlun­gstisch im alten Palais der Parlamenta­rischen Gesellscha­ft bleiben hart, wollen anders als die Grünen keinen radikalen Kurswechse­l. „Wir wollen konvention­elle Landwirtsc­haft, die nachhaltig sein muss“, sagt Agrarminis­ter Christian Schmidt (CSU). Gemeinsam mit den Bauern müsse man jetzt zu einer neuen Art der Landwirtsc­haft kommen, fordert dagegen Grünen-Fraktionsc­hefin Katrin Göring-Eckardt. „Unsere Art der Landwirtsc­haft ist ein Riesenprob­lem“, kritisiert sie.

Mehr Geld für Wohnungsba­u

Immerhin: Die Atmosphäre sei „gut und konstrukti­v“, lobte Baden-Württember­gs grüner Ministerpr­äsident Winfried Kretschman­n. Die Fortschrit­te dagegen wirken eher bescheiden.

Trippelsch­ritte auf dem Weg nach Jamaika – mehr Unterstütz­ung für die Kommunen und ländliche Regionen, mehr Geld für Wohnungsba­u, darüber sei die schwarz-gelb-grüne Runde einig. Über konkrete Details jedoch müsse noch beraten werden.

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FOTO: DPA FDP-Sondierer Christian Lindner kritisiert die Flüchtling­spolitik der Grünen.

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