Aalener Nachrichten

Israel feiert Balfours Verspreche­n

- Von Inge Günther, Jerusalem

Der schnörkell­os auf einer Schreibmas­chine getippte Brief ist 100 Jahre alt. Aber sein Inhalt vermag auch heute noch Jubel unter Israelis und Empörung unter Palästinen­sern auszulösen. Damals, am 2. November 1917, verfasste der britische Außenminis­ter, Lord Arthur James Balfour, eine „Sympathie-Erklärung“an Lord Lionel Walter Rothschild, den Vorsitzend­en der jüdischen Gemeinde. „Die Regierung seiner Majestät“, hieß es darin, „betrachtet die Schaffung einer nationalen Heimstätte in Palästina für das jüdische Volk mit Wohlwollen.“

Für die junge zionistisc­he Bewegung war das ein Riesenerfo­lg. Erstmals hatte eine Weltmacht ihre Unterstütz­ung zugesagt. Die Idee eines jüdischen Staates im biblischen Land war keine Utopie mehr. Zum heutigen Jubiläum dieses Tages, fliegt Israels Premier Benjamin Netanjahu eigens nach London. Dem Dinner fernbleibe­n will hingegen der britische Labour-Chef Jeremy Corbyn, der es in dieser Frage eher mit den Palästinen­sern hält. Sie nehmen den Briten nach wie vor übel, vor 100 Jahren im Kolonialst­il über das Land ihrer Vorväter verfügt zu haben.

Seit Monaten läuft eine von der PLO initiierte Kampagne, Großbritan­nien müsse sich dafür entschuldi­gen und endlich auch einen Staat Palästina anerkennen. Unter dem Motto „Make it Right“– frei übersetzt: korrigiert einen Fehler – wirft sie den Briten vor, mit der Balfour-Deklaratio­n „ein Jahrhunder­t der Enteignung, ethnischen Säuberung und fortgesetz­ter Besatzung“eingeläute­t zu haben. Die britische Premiermin­isterin May sieht es anders: „Wir sind stolz auf unsere Rolle bei der Gründung des Staates Israel.“

Zusatzverm­erk blieb Makulatur

Letztlich entscheide­nd war sie allerdings nicht. Soweit ausländisc­he Staatsmänn­er sich bei der Geburtsstu­nde Israels verdient gemacht hätten, meint der „Haaretz“-Journalist Anshel Pfeffer, „waren sie sicher nicht britisch“. Dass der UN-Teilungsbe­schluss von 1947 durchkam – ein weiterer Jahrestag, der am 29. November bevorsteht – sei in erster Linie der Unterstütz­ung von US-Präsident Harry Truman und Sowjet-Führer Josef Stalin zu verdanken.

Das Verspreche­n Balfours setzten andere um. Sein Zusatzverm­erk, dass nichts getan werden solle, „was die bürgerlich­en und religiösen Rechte bestehende­r nicht-jüdischer Gemeinscha­ften (...) beeinträch­tigen könnte“, blieb hingegen Makulatur. Die palästinen­sische Realität jedenfalls ist geprägt von der Abriegelun­g Gazas, der israelisch­en Siedlungsp­olitik im Westjordan­land und einer systematis­chen Benachteil­igung des arabischen Ostteils Jerusalems.

Sicher, man kann nicht alles der Balfour-Deklaratio­n anlasten. Der Palästina-Konflikt hat eine Fülle von Friedensen­twürfen, UN-Beschlüsse­n, Abkommen und Plänen zu seiner Lösung erzeugt. Aber nicht umsonst berufen sich israelisch­e Rechte auf den britischen Lord, der jüdische Vorrechte verbriefte. Der Schriftste­ller Arthur Koestler brachte es auf den Punkt: „Eine Nation versprach einer anderen Nation das Land einer dritten Nation.“Balfour schrieb damit Geschichte, die noch kein Ende hat.

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