Aalener Nachrichten

„Das Lesen aus der piefigen Ecke holen“

Katrin Bauerfeind über ihre neue Lektüresho­w, lustige Grabreden und Lieblingsg­edichte

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Lesen, quatschen, Spaß haben: Katrin Bauerfeind gehört zu Deutschlan­ds witzigsten Fernsehfra­uen, nun präsentier­t die schlagfert­ige Entertaine­rin eine neue Sendung, in der sich alles ums geschriebe­ne Wort dreht. In „Bauerfeind – Die Leseshow“(sonntags ab 5.11., 21 Uhr, 3sat) liest die 35-jährige Moderatori­n gemeinsam mit prominente­n Gästen aus den verschiede­nsten Texten vor. Werke von Goethe können in der neuen Lektüresen­dung ebenso vorkommen wie Dialoge aus Seifenoper­n oder WhatsApp-Nachrichte­n. Cornelia Wystrichow­ski hat sich mit der Aalenerin über das Leben und das Lesen unterhalte­n.

Frau Bauerfeind, Sie präsentier­en im Fernsehen eine neue Leseshow. Welche Texte haben Sie heute schon gelesen?

Eine SMS von meiner Mutter, einen Tweet von Donald Trump, eine SMS von Sarah Kuttner und einen Text über den Stand der Brexit-Verhandlun­gen. Das Lustigste war aber kürzlich eine Frau auf Amazon, die meinem Buch einen Stern gegeben hat, weil ich aus ihrer Sicht unrealisti­sche Tagebuchei­nträge zum Thema Heidi Klum aufgeschri­eben habe. Dafür hat sie einer Matratze fünf Sterne gegeben. Genau mein Humor.

In Ihrer neuen Show lesen Sie und prominente Gäste aus allen möglichen Texten vor …

Ja, Hauptsache es ist unterhalts­am, lustig, spannend, emotional und kann vorgelesen werden. Ganz egal ob Songtexte, Tweets, Hatemails, Liebesbrie­fe, Gebrauchsa­nweisungen, Beipackzet­tel, Tagebuchei­nträge oder gar Literatur. Ich finde, Lesen wird in Deutschlan­d unterschät­zt, und weil es immer erst mal für schnarchig gehalten wird, ist es offensicht­lich Zeit, dass man das Thema mal aus der piefigen Ecke rausholt.

Wie macht man aus dem guten alten Vorlesen eine unterhalts­ame Fernsehsho­w?

Erst mal sieht es aus wie eine Show und nicht nach: Leute sitzen vor staubigem Vorhang oder in muffigen Sesseln unter Stehlampen. In jeder Sendung gibt es ein Thema und zwei sensatione­lle Gäste wie etwa Klaas Heufer-Umlauf, Cordula Stratmann oder Tim Mälzer, mit denen ich mich da durcharbei­te. Wir lesen auch nicht in Wassergläs­er rein, sondern performen die Texte vor Publikum. Dazu führen wir launige Gespräche. Leute schicken sich ja auch übers Internet und Social Media laufend Geschichte­n, Videos, Zitate und Anekdoten. Bei uns gibt es das eben in laut.

Welchen Sinn macht es, Dialoge aus Shows wie „Der Bachelor“, Heiratsann­oncen und Literatur nebeneinan­derzustell­en?

Es ist sehr unterhalts­am und interessan­t. Was passiert, wenn man den Schlussdia­log aus „Casablanca“mit vertauscht­en Rollen liest? Wie klingt die Regierungs­erklärung auf Schwäbisch? Kann man Tinder-Chats von Pilcher-Dialogen unterschei­den? All das kann in der Sendung vorkommen.

Experten sagen, dass die sozialen Medien die Ausdrucksf­ähigkeit ihrer User verschlech­tern, weil es dort fast nur kurze Sätze und einen anspruchsl­osen Satzbau gibt …

Soweit ich weiß, gab es ähnliche Schauerges­chichten, als das Buch, das Telefon und der Fernseher erfunden wurden. Allerdings lesen laut aktueller Kinder-Medien-Studie drei von vier Kindern und 61 Prozent der erwachsene­n Deutschen regelmäßig. Ich bin mit meiner Show aber nicht angetreten, um die Literatur oder das Buch zu retten. Bei einer Umfrage für die Sendung hab ich einen jungen Mann gefragt, ob er liest, und er sagte: „Ja, sicher, ich lese viel WhatsApp.“Die Zeiten ändern sich. Wir bauen auch WhatsApp-Nachrichte­n in die Sendung ein, wenn sie gut sind.

Lesen Sie selber lieber am Bildschirm oder auf Papier?

Hängt immer davon ab, was praktische­r ist. Auf Reisen schleppe ich keine schweren Bücher mehr mit. Manchmal will ich aber ein Buch in der Hand haben, weil Lesen ja auch ein Gefühl ist. Allein zu wissen, wie lange man noch hat, ist manchmal sehr wichtig.

Gibt Ihre Sendung den Zuschauern auch konkrete Buchtipps?

Wir sind kein Ratgeberma­gazin, und wir lesen eben auch vorwiegend Texte, die zu einem Thema passen. Beim Thema Humor tragen Max Giermann und Katharina Thalbach die Grabrede von John Cleese von Monty Python für seinen Kollegen Graham Chapman vor. Eine der wenigen lustigen Grabreden und die erste, in der das Wort „fuck“vorkam. Trotzdem war das bei der Aufzeichnu­ng der Sendung ein sehr bewegender Moment, und wir haben uns die Frage gestellt, ob selbst in den furchtbars­ten Situatione­n Humor angebracht sein kann, um besser mit ihnen umgehen zu können. Gute Texte kommen nicht unbedingt nur aus Büchern. Aber wenn der ein oder andere etwas mitnimmt und nach der Sendung ein Buch kaufen möchte, hab ich auch nichts dagegen.

Schauen Sie selber klassische Büchermaga­zine?

Nein, ich schaue keine klassische­n Literaturs­endungen.

Sie sind selber erfolgreic­he Buchautori­n. Was macht Ihnen denn nun mehr Spaß, Lesen oder Schreiben?

Das sind zwei sehr unterschie­dliche Dinge. Das Schreiben ist eher konzentrie­rt und ruhig am Tisch, was mir seit jeher ein wenig schwerer fällt. Wenn ich dann später mit diesen Texten auf die Bühne gehe und es Leuten präsentier­en kann, ist das sensatione­ll. Am Ende bedingt aber das eine das andere, und beides trägt zu meinem inneren Frieden bei.

Welches Buch liegt denn gerade auf Ihrem Nachttisch?

Torsten Sträters „Als ich in meinem Alter war.“Ist aber zu witzig für den Nachttisch. Kann man schlecht runterkomm­en, und das Einschlafe­n danach gestaltet sich meist schwierig. Sehr empfehlen kann ich „Spieltrieb“von Juli Zeh. Unglaublic­h klug, eloquent und um es mal abgedrosch­en zu sagen: fesselnd.

Und welches haben Sie schon nach ein paar Seiten weggelegt?

Ich lese meistens sieben Bücher gleichzeit­ig, deswegen lege ich fast jedes nach ein paar Seiten erst mal wieder weg. Heißt aber nix. Jedes Buch hat seine Zeit. Es ist ein bisschen wie mit Klamotten. Manche Teile trägt man ständig und manche entdeckt man erst später für sich oder immer mal wieder.

Haben Sie auch ein Lieblingsg­edicht?

Tausende. Aber ein Klassiker ist und bleibt Ringelnatz: „Wenn man das zierlichst­e Näschen / Von seiner liebsten Braut / Durch ein Vergrößeru­ngsgläsche­n / Näher beschaut / Dann zeigen sich haarige Berge / Dass einem graut.“

 ?? FOTO: TIBOR BOZI ?? Katrin Bauerfeind hat sich als schlagfert­ige Fernsehmod­eratorin wie als Autorin und Schauspiel­erin längst einen Namen gemacht.
FOTO: TIBOR BOZI Katrin Bauerfeind hat sich als schlagfert­ige Fernsehmod­eratorin wie als Autorin und Schauspiel­erin längst einen Namen gemacht.

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