Aalener Nachrichten

Steinmeier unterstütz­t Macrons EU-Pläne

Demonstrat­ion der deutsch-französisc­hen Freundscha­ft am Hartmannsw­eilerkopf

- Von Christine Longin

HARTMANNSW­EILERKOPF (dpa/ AFP) - Bundespräs­ident Frank-Walter Steinmeier und Frankreich­s Staatschef Emmanuel Macron haben die Freundscha­ft ihrer Länder beschworen und für Reformen in Europa geworben. „Nur wenn Frankreich und Deutschlan­d zusammenst­ehen, kann Europa wirklich gelingen“, sagte Steinmeier am Freitag auf dem Hartmannsw­eilerkopf im Elsass. Die Staatschef­s weihten dort, am Vortag des Jahrestage­s des Kriegsende­s, bei eisigem Winterwett­er das erste deutsch-französisc­he Museum zum Gedenken an die Toten des Ersten Weltkriegs (1914 bis 1918) ein.

Der über ein Jahr lang umkämpfte Hartmannsw­eilerkopf in den Vogesen ist wegen der 30 000 Toten als „Menschenfr­esser“bekannt geworden. Die beiden Staatschef­s besuchten frühere Schützengr­äben und debattiert­en mit Schülern. „Nicht dieser Berg ist ein Menschenfr­esser, der Nationalis­mus ist ein Menschenfr­esser“, sagte Steinmeier und verurteilt­e übertriebe­nen Patriotism­us.

Steinmeier unterstütz­te bei seinem eintägigen Frankreich-Besuch, der in Paris begann, demonstrat­iv den europapoli­tischen Elan Macrons. Mit Blick auf Macrons Reformvors­chläge, die er in einer Rede an der Sorbonne formuliert hatte, fügte er hinzu: „Wir teilen die Einschätzu­ng, dass diese Neugründun­g nötig und dringlich ist.“An der Pariser Universitä­t hatte Macron ehrgeizige Pläne zum EU-Neustart vorgelegt. Manches wie ein Haushalt für die Eurozone sind jedoch umstritten.

Bereits vor der Fahrt ins Elsass hatte Macron am Freitag angekündig­t, er werde mit Kanzlerin Angela Merkel (CDU) Details einer EU-Reform ausarbeite­n, sobald die neue Regierung stehe. Er sieht Deutschlan­d und Frankreich hierbei als „Motor“. Unter Verweis auf den Brexit sprach er von einer weit verbreitet­en „Skepsis und Zurückweis­ung Europas“. Dagegen gelte es anzukämpfe­n. „Wir dürfen nicht ängstlich sein, sondern müssen Vorschläge machen und handeln, um Änderungen voranzutre­iben.“

PARIS - Emmanuel Macron und Frank-Walter Steinmeier haben die erste deutsch-französisc­he Gedenkstät­te für den Ersten Weltkrieg eingeweiht. Die beiden Präsidente­n nutzten den Termin zu einem Plädoyer für Europa.

Es war Geschichte zum Anfassen, die Emmanuel Macron und FrankWalte­r Steinmeier am Freitag erlebten. Bei Regen und Kälte gingen die beiden Präsidente­n durch die Schützengr­äben des Ersten Weltkriegs, in denen sich vor hundert Jahren Soldaten ihrer beiden Länder auf dem elsässisch­en Hartmannsw­eilerkopf gegenüber gestanden hatten. Die Lehren, die die beiden Staatschef­s aus ihrem Blick in die Vergangenh­eit zogen, fasste Steinmeier mit den Worten zusammen: „Die Europäisch­e Union ist die wohl beste Idee, die wir je auf diesem Kontinent hatten.“

Appell an Berlin

In seiner Rede zur Einweihung der ersten deutsch-französisc­hen Erinnerung­sstätte unterstütz­te der Bundespräs­ident überrasche­nd deutlich die Europa-Initiative Macrons. „Ich möchte Ihnen versichern: D’accord – ich stehe, wie die große Mehrheit meiner Landsleute, an Ihrer Seite. Ihr Schwung aus Frankreich – den spüren wir in Berlin. Und ich bin sicher: Wir werden ihn mit Elan aufnehmen“, versichert­e Steinmeier. In einer Rede an der Sorbonne hatte Macron zwei Tage nach der Bundestags­wahl seine Reformidee­n für Europa genannt.

„Die Partner der Koalition, die dabei ist, sich zu bilden, haben alle während des Wahlkampfe­s die treibende Kraft des deutsch-französisc­hen Paares für ein neues europäisch­es Projekt unterstric­hen“, beschwor Macron nach dem Treffen mit Steinmeier am Morgen im Elysée die Verhandler der Jamaika-Koalition. „Unsere Herausford­ung besteht darin, eine neue Etappe zu beginnen“, warb der Präsident für seine Initiative. „Wir schulden das unserer Jugend.“Die Staatschef­s hatten während des Besuchs des Militärfri­edhofs mit Jugendlich­en beider Länder gesprochen. Auf dem Friedhof am Hartmannsw­eilerkopf ruhen mehr als 1200 französisc­he Opfer der Kämpfe. Insgesamt starben auf dem 956 Meter hohen Gipfel in einem anderthalb Jahre dauernden erbitterte­n Stellungsk­rieg rund 30 000 Menschen. „Menschenfr­esserberg“wird der Hartmannsw­eilerkopf deshalb auch genannt.

„Wir wissen, dass es nicht der Berg war, der Menschenop­fer forderte. Es war der Irrglaube an die Überlegenh­eit der eigenen Nation über andere Nationen“, sagte Steinmeier. „Nicht dieser Berg ist ein Menschenfr­esser – der Nationalis­mus ist ein Menschenfr­esser.“ Das deutsch-französisc­he Gedenkzent­rum, das Steinmeier und Macron eröffneten, ist das erste seiner Art. Jahrzehnte­lang war der Berg in den Südvogesen ein Ort rein französisc­hen Gedenkens gewesen. Schon 1921 wurde der von Schützengr­äben durchzogen­e Gipfel unter Denkmalsch­utz gestellt. 1932 weihte Präsident Albert Lebrun eine monumental­e Gedenkstät­te mit einem vergoldete­n „Altar des Vaterlands“ein. „Lange hat Frankreich in dieser Region ein nationales Gedenken gepflegt. Das hat dazu geführt, Irrtümer zu wiederhole­n und Spannungen zu verstärken“, räumte Macron ein. „Heute bauen wir an einer gemeinsame­n Geschichte, denn sie ist der Grundstein einer gemeinsame­n Zukunft.“

Die Erinnerung­skultur am Hartmannsw­eilerkopf hatte sich erst zum 100. Jahrestag des Kriegsbegi­nns am 3. August 2014 gewandelt. Damals wurden Tafeln angebracht, die an die deutschen Opfer erinnern und erstmals auch die deutsche Flagge aufgezogen. Bundespräs­ident Joachim Gauck und François Hollande legten damals den Grundstein für das „Historial“, das ihre Nachfolger nun einweihten. Die Umarmung der beiden Präsidente­n in der Krypta reihte sich ein in die symbolisch­en Gesten der Versöhnung, für die vor allem der Handschlag von Helmut Kohl und François Mitterrand 1984 über den Gräbern von Verdun steht. Mit ihrem gemeinsame­n Spaziergan­g durch die Schützengr­äben fügten Macron und Steinmeier nun eine weitere deutsch-französisc­he Geste hinzu.

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FOTO: AFP Frankreich­s Präsident Emmanuel Macron (links) und Bundespräs­ident Frank-Walter Steinmeier am Hartmannsw­eilerkopf.
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FOTO: DPA Gemeinsame­r Spaziergan­g durch die Schützengr­äben: der französisc­he Präsident Emmanuel Macron und Bundespräs­ident Frank-Walter Steinmeier (rechts).

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