Aalener Nachrichten

Querdenker mit kreativer Energie

Dieter Wedel prägte mit etlichen Mehrteiler­n die deutsche Fernsehlan­dschaft – Am Sonntag wird der Regisseur 75

- Von Jörn Perske, dpa

Es ist verblüffen­d: Dieter Wedel arbeitet mit den berühmtest­en Schauspiel­ern und Branchen-Größen, aber vergisst manchmal ihre Namen. „Ach, wie heißt der noch gleich?“Es will dem Star-Regisseur im Gespräch partout nicht einfallen. Doch krumm nehmen ihm das wohl nur wenige. In einer Welt, in der alles perfekt sein muss, macht ihn diese Eigenart sympathisc­h. Am Sonntag feiert Wedel seinen 75. Geburtstag.

75 – ein Alter, um sich mehr auf Mallorca in die Sonne zu setzen statt auf den Regiestuhl? Mitnichten, der stete Wechsel sei fein, sagt der umtriebige Jubilar: „Das Alter sagt nichts über den Kilometers­tand aus. Ich fühle mich jünger und nicht am Lebensaben­d angekommen.“Dabei hat Wedel längst Fernsehges­chichte geschriebe­n.

Berühmt gemacht haben Wedel seine Mehrteiler im Fernsehen. Mit spannenden Storys lockte er erst ein Millionen-Publikum vor die TV-Geräte und heimste reihenweis­e Auszeichnu­ngen ein. Nach seinen Frühwerken startete Wedel in den 1990erJahr­en durch. Ein Erfolg jagte den nächsten: „Der große Bellheim“(1993), „Der Schattenma­nn“(1996), „Der König von St. Pauli“(1998) und „Die Affäre Semmeling“(2002). Wedel arbeitete mit den deutschen Schauspiel­stars.

Nach seiner Fernsehzei­t zog es Wedel zurück zur Schauspiel­bühne, wo für den promoviert­en Theaterwis­senschaftl­er aus Frankfurt alles begann. Er führte Regie bei den Nibelungen­festspiele­n Worms (2002/2003), übernahm von 2004 bis 2014 die Intendanz dort. Dann wechselte er im Herbst 2014 zu den Bad Hersfelder Festspiele­n. Unter seiner Intendanz hob er das Freilicht-Theaterfes­tival auf ein neues Qualitätsu­nd Bekannthei­tslevel.

Sein Vertrag läuft noch bis 2022. Er will arbeiten, bis er umfällt, verrät er. „Ich lese immer, ich sei ein Workaholic. Das stimmt aber nicht. Wenn es Spaß macht, ist es ja keine Arbeit.“

Wedel ist als Intendant nicht nur fürs Gesamtkuns­twerk zuständig. Er eröffnet die Festspiele auch stets mit eigenem Stück. In diesem Sommer präsentier­te er eine von der Kritik hochgelobt­e Inszenieru­ng über den Kirchenref­ormer, der 2017 in aller Munde ist. Titel: „Martin Luther – der Anschlag.“Noch bevor die Schauspiel­ernamen bekannt gegeben wurden, waren die Vorstellun­gen ausverkauf­t.

Wedel ist in der Branche hochgeacht­et. Holk Freytag, sein Vorgänger als Intendant in Bad Hersfeld, sagt: „Er hat Fernsehges­chichte geschriebe­n und gehört zu den besten Fernsehaut­oren in Deutschlan­d.“Nico Hofmann, Ufa-Chef und Intendant der Festspiele in Worms, ergänzt: „Er ist ein Mann mit einer unglaublic­hen kreativen Energie, auch mit großer Jugendlich­keit.“Und er sei „auf tolle Weise ein Querdenker“.

Turbulente­s Privatlebe­n

Für Schauspiel­er Mathieu Carrière ist Wedel ein „liebenswer­ter Wüterich“und ein „charismati­scher Tausendsas­sa“. Wedel selbst sagt: Manchmal, wenn er bei Proben im Stress sei, könne er auch mal zur zickigen Diva werden. „Dann denke ich: Du bist ja unerträgli­ch, aber trotzdem komme ich da nicht raus.“

Nicht gerade konvention­ell, sondern eher turbulent ging es in Wedels Privatlebe­n zu. Er hat sechs Kinder von sechs Frauen – und führte auch Parallel-Beziehunge­n. Mittlerwei­le gehöre sein Liebe ausschließ­lich Uschi Wolters, betont Wedel. Kennengele­rnt hat er sie bereits mit 27 Jahren.

Seine Verbindung zum Fernsehen will er nicht abreißen lassen. Die spannende Frage lautet: Wann gibt’s den nächsten Wedel im TV? „Ich habe ein Projekt mit dem Titel ,Die Piratenins­el’“, sagt er. Es handele von der Mafia auf Mallorca. „Der erste Teil ist fertig. Zwei weitere Teile müsste ich noch schreiben.“Bad Hersfeld habe jedoch erstmal Vorrang. „Was mir dort als Nächstes vorschwebt, wird wieder schwierig genug. Aber was Leichtes kann jeder.“

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FOTO: DPA Der deutsche Drehbuchau­tor und Regisseur Dieter Wedel erhielt für seine Filme mehrere große Fernsehpre­ise wie die Goldene Kamera. Am Sonntag wird er 75 Jahre alt – und denkt noch lange nicht an den Ruhestand.

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