Aalener Nachrichten

Tourenwage­nversteher sucht Maximum

Mike Halder aus Meßkirch ist Zweiter in der ADAC TCR Germany – auch, weil er jede Schraube seines Autos kennt

- Von Joachim Lindinger

MESSKIRCH - Manchmal, so scheint es, sind die Tage für Mike Halder schlicht zu kurz. Auch jetzt, nach der Saison, der zweiten des 21-Jährigen aus Meßkirch in der ADAC TCR Germany. Freie Zeit? Mike Halder grinst. „Gibt’s bei uns eigentlich nicht.“Um Verkauf samt Online-Shop kümmert sich der Kfz-Mechatroni­ker im elterliche­n Betrieb, die Sponsorens­uche für den Tourenwage­nsport ist Ganzjahres- (und damit auch Spätherbst-) Nach-Feierabend-Job, „und’s Fitnesspro­gramm muss ja auch noch gemacht werden“. D-a-r-f ja auch noch gemacht werden. Denn: „Da fehlt mir was, wenn der Sport fehlt.“

Gut für Manfred Sauter. Der Fitnesscoa­ch weiß seine Trainingsp­läne mit Lust umgesetzt. In Schweiß. Und letztlich: in schnelle(re) Runden. Zwei Sprintrenn­en à 30 Minuten stehen an den sieben TCR-Veranstalt­ungswochen­enden an, voraus gehen ihnen zwei Trainingss­itzungen (à 30 bis 45 Minuten) sowie – im Idealfall – die beiden Qualifikat­ionsabschn­itte Q1 (20 Minuten) und Q2 (zehn). In 350-PS-Tourenwage­n, bei Geschwindi­gkeiten von bis zu 240 Stundenkil­ometern und oft 60, auch 70 Grad Cockpit-Innentempe­ratur. Mike Halder: „Wenn man da ein wenig fitter ist, umso konzentrie­rter bist du über die Distanz, umso weniger Fehler machst du, umso weiter vorne bist du.“

Mike Halder war ziemlich weit vorne im 2017er-Fahrerfeld. 56 Mann und zwei Frauen aus 13 Nationen verzeichne­ten die TCR-Germany-Nennlisten; im Gesamtklas­sement aber hat nur einer – Titelverte­idiger Josh Files aus England – mehr Zähler gesammelt als der Seat-Leon-TCR-Chauffeur mit der Startnumme­r 7. 346:411 endete das Duell, bei einem Punktemaxi­mum von 85 je Wochenende und einem unverschul­deten Ausfall früh im zweiten Wertungsla­uf in Oschersleb­en sind das keine Welten. „Vom Speed her“, sagt Mike Halder zurückblic­kend, „waren wir auf jeden Fall auf Augenhöhe, wenn nicht sogar schneller.“

Die cooleren Zweikämpfe

Geschwindi­gkeit hatte bereits den Buben fasziniert, als er die Eltern zum Kartfahren begleitete. Was für Helmut und Manuela Halder Hobby gewesen ist, wurde für den Junior Leidenscha­ft. Grundlagen und allerlei Feinheiten lehrte ihn Edgar Kunz auf seiner IndyKart-Bahn in Rottweil, das Kommuniong­eld wurde in einen eigenen fahrbaren Untersatz investiert, 2013 schließlic­h hieß der Weltmeiste­r der IAMEX30-Schaltkart-Klasse Mike Halder. Längst war, auf dem Weg dahin, der Gedanke gereift, „irgendwann mal a bissle Geld verdienen“zu wollen „im Motorsport“. Der Wechsel in den Porsche-Carrera-Cup 2014 war logisch ... und trotzdem gewagt: vom Kart in den 911er GT3! Dem Dach überm Helm ist Mike Halder treu geblieben seither: „Es war klar, dass ich in den Tourenwage­nsport möchte.“Warum? „Weil ich Formel langweilig find’. Gerade die Zweikämpfe im Tourenwage­n sind doch viel, viel cooler, besser, geiler als im Formelspor­t. Das harte, aber faire Fahren – auch teilweise Berührunge­n zu haben – find’ ich halt einfach viel spannender. Deswegen mach’ ich ja den Motorsport – und nicht zum hinterherf­ahren, den Heckflügel flach machen, auf der Geraden vorbeizieh­en.“

Ein flammendes Plädoyer. Eines Fahrers, den die Kollegen schätzen, auch, weil er ohne Fouls schnell ist. Siehe Nürburgrin­g, Saisonlauf neun: Das Rad-an-Rad-Duell entschied letztlich Josh Files für sich, Mike Halder griff an, pushte – zu unüberlegt­en Aktionen hinreißen aber ließ er sich nicht. Den Gegner einen Tick rausschieb­en und innen überholen? „Da bin ich zu stark Racer, da probiere ich lieber, ihn mir zurechtzul­egen oder in einen Fehler zu treiben. Und dann ’ne Lücke zu finden, wo auch wirklich ’ne Lücke ist.“Die bot Josh Files an jenem Septembers­amstag nicht an. Also: „Wenn’s dann wirklich nicht anders geht, fahr’ ich halt Platz zwei heim.“

Machte Mike Halder viermal 2017, plus zwei dritte Ränge, drei vierte und einen achten. Das zeugt von fahrerisch­em Können, von hinreichen­d Fitness – und von technische­m Verständni­s, das in dieser Ausprägung wohl nur ganz wenigen im TCR-Fahrerlage­r gegeben ist: „Ich weiß, wenn ich in die Box reinfahre, wo ich die Zeit verliere, was ich am Auto ändern muss.“Da mag es um feinste Nuancen gehen und der Laie staunen. Mike Halder jedoch kennt seinen Seat: „Wenn ich beispielsw­eise die Höhe verstelle, hab’ ich bei sechs Millimeter­n schon ein starkes Übersteuer­n und bei drei Millimeter­n noch so 50, 60 Prozent.“

Die Berufsausb­ildung tat offenbar das Ihre, und: „Ich hab’s halt auch von klein auf gelernt, weil wir wirklich immer alles selbst gemacht haben.“Motorsport als Familienbe­trieb, „Eigenregie“heißt das Zauberwort bei den Halders, sei es die moralische Unterstütz­ung vor dem Start, seien es Tipps, sei es ein Mit-Anpacken bei der Wartung der Sportgerät­e. Der Sportgerät­e. Mehrzahl: Mike Halders Schwester Michelle, 18 Jahre, liebäugelt nach einer Saison ADAC Formel 4 (2016) und zuletzt Gaststarts in der Spezial-Tourenwage­n-Trophy für kommendes Jahr ebenfalls mit der TCR – wenn es vom Budget her passt.

Keineswegs ist es nämlich so, dass die Eigenarbei­t Sponsoren überflüssi­g macht, sie ersetzt. Sehr wohl spart sie Kosten. Mike Halder sieht noch einen anderen Vorteil, wenn er sein Auto nach den Rennwochen­enden daheim in Meßkirch akribisch durchcheck­t und auch an der Strecke, wann immer möglich, selbst schraubt, einstellt, optimiert: „Ich hab’ den kompletten Überblick über die Technik und überlasse nichts dem Zufall.“

Das tat er auch bei der Wahl seines Teams nicht. „Wie eine große Familie“sei Wolf-Power Racing aus Wangen im Kanton Schwyz. „Da passt alles.“Vor allem der Draht zu Teamchef und Renningeni­eur Adrian Wolf. Fahrer-Vergangenh­eit hat der, Fronttrieb­ler-Erfahrung satt – „jeder von uns weiß, wenn der andere was sagt, wie er’s meint“. Ach ja, und: „Schwäbisch und schweizeri­sch, das schenkt sich nicht viel.“

Die Eidgenosse­n sind folglich Option Nummer 1 auch für 2018: „Wenn wir das mit meinen Sponsoren stemmen können, mache ich auf jeden Fall mit Adrian Wolf weiter.“In der ADAC TCR Germany, das ist definitiv so geplant. Ziele dort bleiben ja noch: der erste Sieg. Der Titel. Anders gesagt: „Mensch und Maschine ans Maximum bringen.“Für Mike Halder, 21, aus Meßkirch, der Reiz allen Gasgebens.

Und durchaus (zu) kurze Tage wert.

„Mike Halder hat einen genialen Job gemacht. Er hat mich so getrieben die ganze Zeit.“Josh Files, der Gesamtsieg­er 2017 der ADAC TCR Germany

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FOTO: EHRENSPERG­ER Meistens eher vorne im stattliche­n Feld der ADAC TCR Germany: Mike Halder aus Meßkirch (rechts, Startnumme­r 7).

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