Aalener Nachrichten

Mehr Wohnzimmer als SUV

Die zweite Generation des Renault Koleos überzeugt vor allem auf der Langstreck­e – Turbodiese­l mit großem Durst

- Von Birgit Letsche

Es kommt selten vor, dass man nach einer Autofahrt noch ein bisschen im Wagen sitzen bleibt – einfach nur, weil’s gerade so schön ist. Sei es, weil das Interieur so bemerkensw­ert edel daherkommt, wie man das nicht alle Tage erlebt. Sei es, weil das Cockpit so futuristis­ch anmutet, dass man nochmal einen längeren Blick darauf werfen muss.

In diesem Fall aber ist es das Bose Surround-Sound-System mit zwölf Lautsprech­ern, das aufhorchen lässt und den Aufenthalt zur Wucht macht. Weil die zweite Generation des Renault Koleos, untertrieb­en formuliert, nicht gerade zu den Kleinwagen gehört, gibt es genügend Raum, in dem sich der Klang ungestört entfalten kann. Die Bässe des Lieblingsl­iedes stark, aber nicht aufdringli­ch, die Gitarren virtuos, der Gesang glasklar – und das alles unkomplizi­ert via Bluetooth vom Smartphone auf die Anlage geschickt. Das ist, man muss es leider so sagen, besser als im heimischen Wohnzimmer.

Aber man kann ja schlecht die halbe Nacht im Auto sitzen bleiben, nur um Musik zu hören. Deshalb sollte man sich vielleicht besser aufs Kerngeschä­ft des Automobils konzentrie­ren, nämlich aufs Fahren. Da ist zunächst einmal die Größe dieses SUVs, die ins Auge sticht. Weil beim Koleos, gebaut auf der X-Trail-Plattform des Konzernpar­tners Nissan, die Ähnlichkei­t mit dem Wort Koloss wohl nicht rein zufällig ist, kann man ihn mit Fug und Recht als mächtig beschreibe­n.

Großzügige­s Platzangeb­ot, edles Interieur, bequeme Sitze, gute Ausstattun­g

4,67 Meter Länge und 1,84 Meter Breite haben zur Folge, dass der Stattliche dank seiner 360-Grad-Sensoren immer und überall piepst: piep-piep beim Einfahren in die Tiefgarage, piep-piep auf der schmalen linken Spur in Autobahn-Baustellen, piep-piep beim Einparken vor dem Supermarkt, piep-piep zu Hause im engen Carport – handlich geht anders. Ein flinkes Stadtauto ist dieser Renault, der übrigens von Samsung in Korea gefertigt wird, definitiv nicht.

Seine Fähigkeite­n entfalten sich vielmehr auf der Langstreck­e. Der senkrecht ins Armaturenb­rett eingebaute Touchscree­n des Online-Infotainme­ntsystems ist so groß wie ein iPad; die Bedienung von Navigation, Smartphone-Koppelung und Digitalrad­io funktionie­rt intuitiv und tadellos. Die beheiz- und belüft(!)baren Sitze, die zudem sechsfach verstellba­r sind und eine Wirbelsäul­enstütze haben, passen wie angegossen. Tempomat mit Geschwindi­gkeitsbegr­enzer, Front-Kollisions- und ToterWinke­l-Warner, Notbremsas­sistent, Allradantr­ieb, Verkehrsze­ichenerken­nung, stufenlose Automatik sowie Panorama-Glasschieb­edach – alles verfügbar, alles da, was aus einem Auto eine überaus angenehme Reiselimou­sine macht. Über diese Ausstattun­g kann man wahrlich nicht meckern. Allein die Sitzheizun­g könnte etwas mehr Schmackes haben.

Kommod auch das Fahrwerk, das so manche Unebenheit schluckt, ohne zu murren. Dank all dieser Gimmicks und des großzügige­n Platzangeb­ots wird eine Überlandfa­hrt auch zu fünft zum Vergnügen. Natürlich

Spritverbr­auch weit entfernt von den Hersteller­angaben, unhandlich in der Stadt

machen selbst 177 PS aus dem 1,8 Tonnen schweren Zwei-LiterTurbo­diesel keinen Rennwagen, aber darauf kommt es bei einem Familien-SUV ja auch gar nicht an. Als Einstiegsv­ersion wird zudem ein 1,6-Liter-Aggregat mit 130 PS sowie Frontantri­eb und Sechsgangg­etriebe angeboten.

Der Kofferraum ist nicht ganz so groß wie erwartet, überrascht dafür aber mit zwei pfiffigen Ideen. Zum einen lässt sich die Heckklappe per Fußsensor öffnen, was frau sehr zu schätzen weiß. Denn nicht selten hat man beim Beladen gleich beide Hände voll. Und zum anderen befindet sich eine Art zweite Ebene über dem Boden, die einzeln umlegbar ist. Durch diese Begrenzung mäandern Sprudelkis­ten und Einkaufskö­rbe beim Fahren nicht quer durch den gesamten Kofferraum, sondern sitzen bombenfest. Und noch etwas freut die Testerin: Die Farbe dieses Koleos ist so dunkellila, dass man erst beim zweiten Blick bemerkt, dass es eben nicht schwarz ist. Sehr cool. Wie überhaupt die gesamte Optik mit den kraftvolle­n horizontal­en Linien, der robusten Frontparti­e und den C-förmigen LED-Leuchten durchaus zu gefallen weiß.

Nicht ganz so prickelnd sieht es hingegen beim Spritverbr­auch aus. Durchschni­ttlich 5,9 Liter, verspricht der Hersteller, soll der Turbodiese­l auf 100 Kilometern schlucken. Im Test erweist er sich allerdings als erheblich durstiger: Da schlägt ein Wert um acht Liter zu Buche. Dafür geht der Koleos dann aber auch locker als fahrbare Alternativ­e zum Wohnzimmer durch.

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FOTOS: RENAULT Gelungen: Das Design des Koleos weiß mit kraftvolle­n horizontal­en Linien und einer robusten Frontparti­e durchaus zu gefallen.
 ??  ?? Langstreck­entauglich: Edles Interieur, bequeme Sitze und viel Platz charakteri­sieren den neuen Koleos.
Langstreck­entauglich: Edles Interieur, bequeme Sitze und viel Platz charakteri­sieren den neuen Koleos.
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