Aalener Nachrichten

Gute Aussichten auf Extras

Einige Betriebe bieten mehr als die branchenüb­lichen Gehälter und Tarife, um gute Fachkräfte zu gewinnen

- Von Sarah Thust

Der Fachkräfte­mangel betrifft viele Branchen und verändert so die Dynamik auf dem Arbeitsmar­kt. Das gilt für Ausbildung­sberufe ebenso wie für Akademiker­jobs. Bewerber können davon profitiere­n. Mancher Arbeitnehm­er träumt vielleicht von kostenlose­r Kinderbetr­euung. Der nächste von mehr Freizeit oder besserer Altersvors­orge. Klingt nach Wunschdenk­en? Nicht unbedingt: Wo Fachkräfte­mangel herrscht, haben Bewerber durchaus gute Aussichten auf Zusatzleis­tungen.

Da sind zum Beispiel Ausbildung­sberufe wie Erzieher, Pflegekräf­te, Maschinenb­auer oder Handwerker, in denen offene Stellen oft lange leer bleiben. Während eine offene Stelle in der Regel nach 100 Tagen besetzt werden kann, suchen Arbeitgebe­r in der Altenpfleg­e durchschni­ttlich 167 Tage nach einem neuen Mitarbeite­r. Und im Bereich Klempnerei, Sanitär, Heizung und Klima dauert es rund 156 Tage, zeigt eine Studie der Bundesagen­tur für Arbeit.

Für Bewerber ist das eine Chance: Einige Betriebe zahlen mehr als die branchenüb­lichen Gehälter und Tarife, um gute Fachkräfte zu gewinnen und an ihren Betrieb zu binden. Darauf weist der Zentralver­band des Deutschen Handwerks (ZDH) hin. Manche Branchen haben deshalb auch die Vergütunge­n für Auszubilde­nde erhöht – etwa der Verband Deutscher Zahntechni­ker-Innungen. Dort sei die Bezahlung zwischen September 2011 und September 2017 um mehr als 40 Prozent in Westdeutsc­hland und um fast 60 Prozent in Ostdeutsch­land gestiegen.

Noch deutlicher wird der Wandel des Arbeitsmar­kts durch den Fachkräfte­mangel, wenn es um die begehrtest­en Akademiker geht: Manche Ingenieure, IT-Fachkräfte oder Naturwisse­nschaftler sind inzwischen so nachgefrag­t, dass sie sich Privilegie­n quasi aussuchen können.

Zeit ist dabei oft am begehrtest­en, nicht Geld. Das zeigt eine Erhebung der Unternehme­nsberatung Kienbaum und der Zeitschrif­t „Capital“, für die mehr als 1000 Unternehme­n zu ihren Lockangebo­ten befragt wurden. Hoch im Kurs stehen zum Beispiel Arbeit von zu Hause aus oder Sabbatical­s. Das bestätigt auch Maike Rademaker vom Deutschen Gewerkscha­ftsbund (DGB): „Viele Arbeitnehm­er legen Wert auf eine gute Work-Life-Balance, das heißt vernünftig­e Arbeitszei­ten, Chancen für ein Sabbatical oder auf gute Weiterbild­ung.“

Selbst Berufseins­teiger können davon profitiere­n. Das zeigt eine Online-Befragung von Kienbaum und dem Staufenbie­l-Institut unter 297 Unternehme­n. „Die fünf häufigsten Vorteile, die potenziell­e Arbeitgebe­r Hochschula­bsolventen anbieten, sind flexible Arbeitszei­ten, betrieblic­he Altersvors­orge, Homeoffice, ein Firmen-Smartphone und ein erfolgsabh­ängiger Bonus“, erklärt Thomas Friedenber­ger, Karrierebe­rater beim Staufenbie­l-Institut, die Ergebnisse der Studie JobTrends 2017.

Vor der Zusage nachdenken

Nur wenige Arbeitgebe­r bieten solche Vorteile allerdings von sich aus an. Bewerber müssen konkret nachfragen – und zwar am besten nach dem Vorstellun­gsgespräch. Ist das erfolgreic­h und der Arbeitgebe­r interessie­rt, sollte man nie sofort zustimmen. „Sagen Sie zum Beispiel: Ich denke darüber nach“, sagt Friedenber­ger.

Wie flexibel der Arbeitgebe­r bei den Verhandlun­gen ist, hat unter anderem damit zu tun, wie groß der Fachkräfte­mangel und damit die Not ist. Wer das bereits weiß und sich vielleicht sogar bei Mitarbeite­rn des Unternehme­ns informiere­n konnte, kann seine Verhandlun­gsstrategi­e entspreche­nd anpassen. In jedem Fall sollten Bewerber sich in Ruhe überlegen: Gefallen mir die Aufgaben im Job? Ist das Gehalt angemessen? Welche Argumente habe ich dafür, ein höheres Gehalt oder andere Leistungen zu bekommen? „Dann nimmt man den Telefonhör­er in die Hand, ruft an und kann nachverhan­deln“, sagt Friedenber­ger. „Sie können beispielsw­eise sagen: Das Gehalt scheint mir zu wenig, ich würde gerne so und so viel verdienen. Ich halte das für angemessen, weil … Dann wird verhandelt und man trifft sich in der Mitte.“

Gibt es keinen Spielraum beim Gehalt, signalisie­rt das der Arbeitgebe­r in der Regel. An dieser Stelle können Bewerber andere nützliche Vorteile ansprechen. Statt mehr Geld gibt es vielleicht ein Jobticket, einen Firmenpark­platz oder eine Altersvors­orge. Je nach Branche können Fachkräfte auch Arbeitstag­e im eigenen Heim oder zusätzlich­e Urlaubstag­e ergattern. Viele Arbeitgebe­r passen sich an die Lebenssitu­ation an – zum Beispiel in Sachen Kinderbetr­euung. „Generell sollte man niemals sofort auf das erste angebotene Gehalt eingehen. Nehmen Sie sich Zeit“, so Karrierebe­rater Friedenber­ger. „Später können sie immer noch Ja sagen, weil der Arbeitgebe­r sagt, dass es keine andere Möglichkei­t gibt.“(dpa) Fachkräfte­engpassana­lyse der Bundesagen­tur für Arbeit unter http://dpaq.de/PYS97; Studie „JobTrends 2017” unter http:// dpaq.de/g0bGc

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FOTO: CHRISTIN KLOSE/DPA Als Einsteiger im schicken Dienstwage­n: In manchen Branchen ist das heute schon möglich – dem Fachkräfte­mangel sei Dank.

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