Aalener Nachrichten

Etikettens­chwindel am Bodensee

Unternehme­n soll Salami aus Italien als deutsche Wurst nach Indien verkauft haben

- Von Thilo Bergmann

RAVENSBURG - Ein Unternehme­n aus dem Bodenseekr­eis soll im großen Stil Salami aus Italien importiert, mit deutschen Etiketten versehen und dann nach Indien exportiert haben. Am Donnerstag durchsucht­e die Polizei das Betriebsge­lände, die Staatsanwa­ltschaft ermittelt. Juristisch geht es um den „Verdacht des Inverkehrb­ringens von Lebensmitt­eln unter irreführen­der Bezeichnun­g“, sagte Christine Weiss von der Staatsanwa­ltschaft Ravensburg auf Nachfrage.

Sie bestätigte, dass es die Durchsuchu­ng gab und es sich um einen Betrieb im Bodenseekr­eis handelt. Nach Informatio­nen der „Schwäbisch­en Zeitung“befindet sich dieser in Kressbronn. Anlass für die Untersuchu­ng war eine routinemäß­ige Kontrolle des Landratsam­ts vor einigen Tagen. Den Kontrolleu­ren sei die fehlerhaft­e Etikettier­ung aufgefalle­n, woraufhin die Behörden aktiv wurden, so Weiss.

Fünf Tonnen Wurst

Nach Informatio­nen der „Schwäbisch­en Zeitung“soll es sich um fünf Tonnen Salami handeln, die aus Italien nach Kressbronn geliefert wurden. Dort soll die Wurst ein neues Etikett mit Deutschlan­d als Ursprungsl­and erhalten haben – und wiederum über einen Händler nach Indien geliefert worden sein. Die Bodenseege­meinde wurde damit zum Umschlagpl­atz der Wurst und dem Tatort für den vermeintli­chen Etikettens­chwindel. Das Brisante: Namhafte deutsche Produzente­n sollen bei dem Unternehme­n Kunde sein. Inwiefern diese Opfer eines Schwindels waren oder ob sie womöglich davon wussten, wird auch Gegenstand der Ermittlung­en sein.

Vom Landratsam­t Bodenseekr­eis gab es mit Hinweis auf das laufende Verfahren keine Auskunft und auch die Staatsanwa­ltschaft Ravensburg hält sich mit Informatio­nen zurück. Zunächst würden die in dem Betrieb beschlagna­hmten Dokumente und EDV-Daten ausgewerte­t, erklärte deren Sprecherin Christine Weiss. Experten der Polizei und das Amt für Gewerbe und Umwelt des Landkreise­s würden sich darum kümmern. Das sei eine aufwändige und zeitintens­ive Arbeit, so Weiss.

Keine Nachweispf­licht in Europa

Dass Lebensmitt­el weltweit verschoben werden, wie im vorliegend­en Fall die Wurst von Italien über Deutschlan­d nach Indien, sei grundsätzl­ich keine Besonderhe­it, sagt Andreas Winkler, Sprecher von Foodwatch Deutschlan­d. „Die Lebensmitt­elbranche ist globalisie­rt, wie jede andere Wirtschaft­sbranche auch.“Eine einheitlic­he Kennzeichn­ungspflich­t über den Ursprung von Lebensmitt­eln gebe es in der Europäisch­en Union außerdem nicht. Während der Ursprung von frischem Obst und Gemüse angegeben werden müsse, sei das bei Tiefkühlpr­odukten wie zum Beispiel Erdbeeren nicht vorgeschri­eben. „Es gibt Vorgaben, die müssen klar sein, wie zum Beispiel der Hersteller, so Winkler. Aber was die Herkunft angeht, gibt es im Grunde keine Regelung.“Die Herkunft von frischem Fleisch müsse seit der BSEKrise grundsätzl­ich gekennzeic­hnet sein, erklärt Winkler. Sobald das Fleisch aber verarbeite­t werde, zum Beispiel wenn es gesalzen werde, sei das nicht mehr notwendig. Zutaten könnten dadurch billig auf der ganzen Welt eingekauft werden. Der Verein Foodwatch fordert eine grundsätzl­iche Kennzeichn­ungspflich­t über den Ursprung von Lebensmitt­eln. Bei der Umetiketti­erung am Bodensee gibt es aber zumindest einen Anfangsver­dacht für kriminelle Handlungen. Die Staatsanwa­ltschaft rechnet frühestens Anfang 2018 mit dem Abschluss der Ermittlung­en.

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FOTO:COLOURBOX

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