Macrons Basis marschiert in die Krise
Ein überfüllter Sportpalast, junge Anhänger in bunten TShirts und ein Kandidat, der sich wie ein Popstar feiern lässt: So begann Emmanuel Macron am 4. Februar seinen Wahlkampf in Lyon. Ein gutes halbes Jahr später ist der frühere Wirtschaftsminister Präsident Frankreichs geworden – und seine Bewegung ist eine Partei. Doch von der Begeisterung, die im Frühjahr herrschte, ist nicht viel übrig. Es sei schwer, eine Regierungspartei zu sein, wenn man erst seit einem Jahr bestehe, sagte Vizepräsident Laurent Saint-Martin der Zeitung „Opinion“.
Es ist aber nicht nur der schnelle Erfolg, der an der Formation des Präsidenten nagt. Hundert Mitglieder, darunter auch Abgeordnete und Bezirksvorsitzende, haben ihren Austritt angekündigt. Sie kritisieren die fehlende Mitsprache in einer Partei, die als Graswurzelbewegung anfing und inzwischen streng hierarchisch aufgebaut ist. „Die Demokratie ist nicht En Marche (In Bewegung)“, heißt es in einem Schreiben an die Parteispitze.
Neue Statuten würden weder Meinungsfreiheit noch interne Kritik an Machtmissbrauch erlauben, rebellieren einige Mitglieder. Tatsache ist, dass sie die Wahl des Vorsitzenden bei ihrem ersten Parteitag am Samstag in Lyon nur abnicken können. Es gibt nur einen einzigen Kandidaten, nämlich Christophe Castaner, den Macron als Weggefährten der ersten Stunde für den schwierigen Job ausgesucht hatte. Im Parteirat, das den Minister für Beziehungen zum Parlament wählt, ist die Basis in der Minderheit: unter den 750 Parteitagsdelegierten sind nur 200 Mitglieder, die per Los ausgesucht wurden.
Die Kritik der Rebellen trifft den Nerv vieler Mitglieder, die eher widerwillig zu der Schauveranstaltung nach Lyon fahren. Die Ernüchterung ist nicht nur bei den Offiziellen, sondern auch an der Basis zu spüren, wo vor den Präsidentschaftswahlen noch Tausende Freiwillige vor Bahnhöfen und auf Wochenmärkten für Macron warben. Von den 386 000 Mitgliedern, die ohne Beitragszahlung und per Mausklick eintreten konnten, sind inzwischen nur noch weniger als zehn Prozent aktiv.
Kommunalwahl wichtige Etappe
Christophe Castaner steht also vor der schwierigen Aufgabe, die Parteimitglieder neu zu motivieren. Dabei gelten die Kommunalwahlen 2020 als nächste wichtige Etappe. Denn bis dahin muss der bärtige Ex-Sozialist die junge Partei LREM flächendeckend in den 36 000 Gemeinden des Landes verankern. Welche Schwierigkeiten die Präsidentenpartei in den Gemeinden hat, machten die Teilwahlen zum Senat im September deutlich. Die Senatoren wurden in indirekten Wahlen von Kommunalund Regionalpolitikern bestimmt, unter denen LREM bisher nicht vertreten ist. Die Partei kam deshalb nur auf 28 der 171 zu vergebenden Sitze.
Um künftig wieder Wahlen zu gewinnen, muss sich die Partei auch ein Programm geben. Für die Franzosen ist die Aura des Neuen, die En Marche in ihren Anfangsmonaten umgab, ohnehin verpufft: 62 Prozent sehen LREM als eine Partei wie jede andere auch.