Aalener Nachrichten

Das neue schwarze Gold

Gewinnung von Industrier­uß – Zeppelin entdeckt Reifen-Recycling als Geschäftsf­eld

- Von Gunnar M. Flotow

FRIEDRICHS­HAFEN - Der Zeppelin Konzern aus Friedrichs­hafen will ein ganz neues Geschäftsf­eld erobern: das Recycling von Autoreifen. Im US-Staat Indiana baut das Unternehme­n derzeit eine Anlage, die den Beweis liefern soll, dass sich mit der Rückgewinn­ung von Industrier­uß richtig Geld verdienen lässt.

Wer sich neue Reifen aufziehen lässt, verschwend­et meist keinen Gedanken daran, was mit den alten passiert. In der Regel werden ein paar Euro Entsorgung­sgebühr bezahlt, dann ist der Fall erledigt. Gut 63 Millionen Altreifen fallen in Deutschlan­d pro Jahr an. Ein Teil davon wird runderneue­rt oder zu Granulat für den Straßenbau verarbeite­t. Ein Großabnehm­er ist die Zementindu­strie, die ihre Öfen mit dem schwarzen Rund heizt. Viele der alten Pneus gehen auch in den Export – um dann nach ein paar Jahren Gebrauch möglicherw­eise doch auf irgendwelc­hen Deponien zu landen.

Der Zeppelin Konzern will das ändern. Die Häfler Anlagenbau­er sehen in Altreifen einen wertvollen Rohstoff, der aufbereite­t wieder in der Reifenprod­uktion verwendet werden kann – und zwar gewinnbrin­gend. Die Pyrolyx AG, langjährig­er Kooperatio­nspartner von Zeppelin, hat dafür in den vergangene­n neun Jahren ein Verfahren entwickelt beziehungs­weise verfeinert: die Pyrolyse. Dabei werden klein gestückelt­e Reifen in ihre Bestandtei­le zerlegt und hochwertig­er Industrier­uß für die Reifenprod­uktion gewonnen.

„Sinnvolle Verwertung“

Seit August baut Zeppelin in Terre Haute im US-Bundesstaa­t Indiana an der weltweit ersten industriel­len Pyrolyse-Anlage. Mit 55 Mitarbeite­rn will Pyrolyx hier ab Sommer 2019 jährlich vier Millionen Reifen recyceln und 13 Tonnen des begehrten Rußes, den die Fachleute Carbon Black nennen, produziere­n. Der Nachhaltig­keitsgedan­ke stehe bei diesem Projekt ganz oben, betonen die Verantwort­lichen. „Wir leben davon, Anlagen zu bauen, mit denen Reifen hergestell­t werden. Uns hat es natürlich gestört, dass es keine Technologi­e gab, um diese Reifen nachhaltig einer sinnvollen Verwertung zuzuführen“, sagt Geschäftsb­ereichslei­ter Guido Veit von der Zeppelin Systems GmbH.

Nachhaltig­keit hin, Umweltfreu­ndlichkeit her – neben den ökologisch­en müssen auch die ökonomisch­en Aspekte der neuen Technologi­e stimmen. „Wir sind überzeugt, eine Produktqua­lität zu haben, die vernünftig­e Erlöse bringt“, erklärt Guido Veit. „Der Prozess hat eine hohe Verfügbark­eit und ist kostengüns­tig. Der Betreiber hat ein tragfähige­s Geschäftsm­odell.“Er sagt aber auch: „Erzählen können wir viel. In Terre Haute müssen wir jetzt den industriel­len Beweis liefern.“

Wenn das Pilotproje­kt den gewünschte­n Erfolg hat, sollen 2019 und 2020 weitere Anlagen in den USA entstehen, verrät Axel Kiefer, Geschäftsf­ührer der Zeppelin Systems GmbH. Großes Potenzial erkennt er auch in Europa und vor allem in China, dem größten Automarkt der Welt. Angesichts der weltweiten Herausford­erung durch das Problem Altreifen glaubt er an „ein neues Geschäftsf­eld, in dem wir noch viele Jahre lang tätig sein könnten“.

Lange auf Gewinne warten

Guido Veit stellt klar, dass ein langer Atem erforderli­ch ist, bevor das Reifen-Recycling erste Gewinne abwirft. „Ein neues Verfahren zu entwickeln ist das eine, Sie müssen aber auch einen neuen Markt schaffen“, sagt der Geschäftsb­ereichslei­ter. „Als Game Changer sind Sie derjenige, der die Kreise derjenigen stört, die bislang mit den entsorgten Reifen Geld verdienen.“Die Kunst sei, in einer relativ konservati­ven Branche Kunden zu finden, die ihre Rezepturen zugunsten neuer Produkte wie beispielsw­eise recycling-Black Carbon anpassen. In den USA sind Zeppelin und Pyrolyx auf einem guten Weg – ein Drittel der Kapazität der neuen Anlage ist schon verkauft.

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