Rekordpreis für einen alten Meister
Christus-Porträt von Leonardo da Vinci erzielt 450 Millionen Dollar
NEW YORK/BONN (KNA/AFP/dpa) Es gilt auch als „männliche Mona Lisa“: Leonardo da Vincis „Salvator Mundi“ist jetzt das teuerste Gemälde der Welt. Dabei gibt es auch nach der Rekordauktion in New York noch Zweifel daran, dass das für 450 Millionen Dollar versteigerte Bild allein von Leonardo stammt.
Manchmal muss man einfach Glück und das richtige Näschen haben. Als 2005 der New Yorker Kunsthistoriker und Kunsthändler Robert Simon ein beschädigtes, verdrecktes und von früheren Restaurierungsversuchen entstelltes Bild zur Ansicht bekam, beschloss er, diesem Bild noch eine Chance zu geben. Der Grund: An den Stellen, an denen der Originalzustand noch sichtbar war, waren Anzeichen für ein qualitativ hochwertiges Gemälde zu sehen.
Simon hatte den richtigen Instinkt. Denn es handelte sich wahrscheinlich um das verloren geglaubte Bild „Salvator Mundi“(Heiland der Welt) des italienischen Renaissance-Künstlers Leonardo da Vinci (1452-1519). Ende 2011 wurde der Fund der Öffentlichkeit in der National Gallery in London vorgestellt.
Wie üblich, blieb die Identität des erfolgreichen Bieters bei der Auktion am Mittwochabend geheim. Der Verkäufer hingegen ist bekannt: Es ist der im Exil lebende russische Milliardär Dmitri Rybolowlew. Der Oligarch – übrigens auch Boss des französischen Fußballklubs AS Monaco – hatte das Werk vor vier Jahren von dem Schweizer Kunsthändler Yves Bouvier für 127,5 Millionen Dollar gekauft. Dieser wiederum hatte es kurz zuvor für 80 Millionen Dollar erworben. Rybolowlew verklagte den Schweizer, weil dieser ihm unanständig viel Geld abverlangt habe.
Ursprünglich hatte Christie’s mit einem Preis von rund 100 Millionen Dollar für das 65,6 mal 45,4 Zentimeter große Bild gerechnet. Das Einstiegsgebot lag bei 75 Millionen Dollar. Binnen kürzester Zeit schraubten sich die Gebote von rund 45 Bietern im New Yorker Auktionssaal und am Telefon in schwindelerregende Höhen. Am Ende blieben noch zwei Bieter am Telefon übrig, die über Mittelsmänner um das kostbare Gemälde rangen, bis einer aufgab.
Das in Öl auf Walnussholz gemalte Porträt zeigt Jesus Christus in Frontalansicht, die rechte Hand zum Segen erhoben, in der Linken eine Glaskugel als Symbol für die Welt. Es stammt entweder aus den letzten Jahren des 15. Jahrhunderts, als Leonardo am Hofe des Mailänder Herzogs Ludovico Sforza eine Reihe seiner wichtigsten Gemälde schuf, oder aus den ersten Jahren des 16. Jahrhunderts. Der genaue Zeitpunkt der Entstehung, Auftraggeber oder ursprünglicher Aufstellungsort des Gemäldes sind unbekannt.
Mancher Kunstexperte skeptisch
Insgesamt existieren weniger als 20 in der Zuschreibung sichere Gemälde von dem Künstler und Universalgenie Leonardo; fünf dieser Gemälde sind Porträts. Dazu zählt das berühmteste und bekannteste Bild der Welt: die „Mona Lisa“, die im Pariser Louvre hängt.
In der Kunstwelt werden beschädigte, verdreckte oder unansehnliche Bilder, die keine Zuschreibung tragen, nur als minderwertige Kopie gelten oder als Werk eines Schülers aus der Werkstatt klassifiziert wurden, sich aber nach meist umfangreichen Restaurierungsarbeiten als ein wertvolles Original entpuppen, „Schläfer“genannt. So war es auch in diesem Fall. Es war schon lange bekannt, dass Leonardo da Vinci ein Bild mit dem Titel „Salvator Mundi“gemalt hatte. In der Tat existieren ungefähr 20 Kopien von Schülern und Anhängern Leonardos sowie ein aufwendig hergestellter Stich von dem böhmischen Künstler Wenceslaus Hollar aus dem Jahr 1650. In der königlichen Sammlung in Windsor Castle werden zwei Vorstudien zu dem „Salvator Mundi“verwahrt. Immer mal wieder kursierten Theorien, dass eine der Kopien das Original sei, doch konnten sie bei den Kunsthistorikern keinen Widerhall finden.
Auch jetzt noch gibt es Experten, die sich nicht sicher sind, ob das Bild tatsächlich von Leonardo allein gefertigt wurde. Der Leipziger Professor und Kunsthistoriker Frank Zöllner etwa setzte schon 2014 in der Wochenzeitung „Die Zeit“ein „großes Fragezeichen“. Das Bild lasse aufgrund der älteren Schäden und weitreichender Restaurierung kaum noch zuverlässige Aussagen darüber zu, ob er der alleinige Urheber des Werks sei.
Vor der Versteigerung hatte Christie’s das Porträt in Hongkong, London, San Francisco und der New Yorker Filiale nahe dem Rockefeller Center gezeigt. Fast 30 000 Menschen kamen, um es anzuschauen, darunter Stars wie Leonardo DiCaprio, Alex Rodriguez, Patti Smith und Jennifer Lopez. Mancher Kunstexperte sieht den Trubel skeptisch. „Das war ein epischer Triumph von Marketing und Sehnsucht über Expertenwissen und Realität“, sagte der Kunstberater Todd Levin der „New York Times“.