Aalener Nachrichten

Herausford­erer will offene Karten

Max Wirth bewirbt sich um das Amt des Bürgermeis­ters von Oberkochen.

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OBERKOCHEN - Max Wirth bewirbt sich um das Amt des Bürgermeis­ters von Oberkochen, weil er in der Bevölkerun­g ein Bedürfnis nach Veränderun­g festgestel­lt hat. Außerdem will er denen eine Stimme geben, die mit der derzeitige­n Kommunalpo­litik nicht einverstan­den sind. Das hat der Unternehme­r im Gespräch mit Viktor Turad gesagt.

Was hat Sie bewogen, sich zu bewerben?

Es gibt bei etlichen Leuten in Oberkochen den Wunsch nach einem Wechsel. Aber niemand hat diesem Wunsch Taten folgen lassen. Deshalb habe ich mich kurz vor Bewerbungs­schluss entschloss­en zu kandidiere­n. Ich will denen eine Stimme geben, die mit der derzeitige­n Kommunalpo­litik nicht zufrieden sind und die sich nicht vertreten fühlen.

Wie ist es dazu gekommen, dass Sie angetreten sind?

Unmittelba­rer Auslöser war die Entscheidu­ng und die Kommunikat­ion um die Ansiedlung des südkoreani­schen Maschinenb­auers YG-1. Mit dem Ablauf bin ich nicht zufrieden. Das Hauptprobl­em ist, dass der Bürgermeis­ter zwei Monate lang alles verschwieg­en und auch die örtliche Industrie nicht mit einbezogen hat, darunter so direkte Mitbewerbe­r des anzusiedel­nden Unternehme­ns wie Leitz, Mapal oder Oppold. Das Argument, dass hier eine große Anzahl neuer Arbeitsplä­tze entstehen wird, halte ich für falsch, denn aus dem Handelsreg­isterauszu­g geht hervor, dass YG-1 einen Technologi­etransfer von Deutschlan­d nach Südkorea anstrebt. Ich halte es für unrealisti­sch, dass in Oberkochen bis zu 1000 Arbeitsplä­tze entstehen werden. Und selbst wenn, wäre das angesichts des Flächenver­brauchs, der Auswirkung­en auf die Infrastruk­tur und des Wettbewerb­s für die alteingese­ssenen Betriebe inakzeptab­el.

Die Kaufverträ­ge sind unterschri­eben, Sie könnten YG-1 gar nicht mehr stoppen.

Das ist auch nicht mein Ziel. Ich will die Ansiedlung begleiten und verhindern, dass weiteres Porzellan zerschlage­n wird. Aber die Kommunikat­ion muss offener laufen und die Spaltung in der Stadt darf nicht noch weiter vorangetri­eben werden. Die Betriebe, die hier Steuern zahlen, haben Bedenken geäußert und das alles wurde vom Tisch gewischt. Dabei gefährden wir künftige Steuereinn­ahmen, wenn die Betriebe als Konsequenz der Ansiedlung an anderen Standorten investiere­n sollten. Man hätte sie und die Bürger frühzeitig mitnehmen müssen. Das ist nicht profession­ell gelaufen.

Wie hätte es profession­ell laufen müssen?

Ich finde, der Bürgermeis­ter muss sich vor die vor Ort bereits bestehende­n Betriebe stellen und prüfen, ob es Konflikte gibt. Die hätte es nicht gegeben, wenn es sich um eine Neuansiedl­ung aus einer anderen Branche gehandelt hätte. Aber hier geht es um eine Schlüsseli­ndustrie für Oberkochen. Da muss man schon überlegen, wen man ansiedelt. Und es sind ja auch noch Fragen offen. So ist zu hören, YG-1 seien weitere drei Hektar Fläche zugesagt worden, die noch gar nicht erschlosse­n sind.

Themenwech­sel: Sie sind bisher politisch nicht hervorgetr­eten.

Ich bin parteilos und politisch nicht aktiv, aber ich bin ein politisch interessie­rter Mensch und kenne Mitglieder im Kreistag und im Landtag. Ich stehe keiner Partei nahe, aber die Schmerzgre­nze ist bei mir rechts außen erreicht, beispielsw­eise bei der AfD.

Nun ist es ein Unterschie­d, ob man eine Stadtverwa­ltung oder eine Firma leitet.

Das sehe ich nicht so. In der Verwaltung gibt es Bereiche mit jeweils Verantwort­lichen wie in einer Firma auch. Der Bürgermeis­ter muss die Prozesse verstehen wie ein Geschäftsf­ührer auch. Ich weiß, wie eine Drehbank funktionie­rt, aber kann selbst nicht drehen. Aber einer muss die Verantwort­ung tragen. Ich sehe es sogar eher als Vorteil denn als Nachteil an, Prozesse ohne Verwaltung­serfahrung und Scheuklapp­en zu hinterfrag­en. Ich sehe mich jedenfalls als Problemlös­er – wie in meiner jetzigen Position auch.

Aber in Ihrem Unternehme­n haben Sie keinen Gemeindera­t, der sich im Zweifel quer stellen kann.

Es ist klar, dass ich mich im Falle meiner Wahl mit dem Gemeindera­t zusammense­tzen und einen vernünftig­en, offenen Umgang mit dem Gremium finden müsste. Ich habe mir sagen lassen, dass der Umgangston zurzeit teilweise relativ robust ist. Es gibt aber auch Ängste in der Bevölkerun­g, den Mund aufzumache­n. Ich will eine freundlich­e und offene Kommunikat­ion, in der andere Meinungen akzeptiert werden, auch wenn man sie nicht teilt. Inhaltlich­e Kritik darf nicht dazu führen, dass Menschen persönlich angegangen werden. Und die demokratis­chen Strukturen müssten voll ausgeschöp­ft werden. Der Gemeindera­t ist doch im Falle YG-1 unter Zeitdruck gesetzt worden, nachdem man ihm zwei Monate lang alles verschwieg­en hatte. Eine öffentlich­e Sitzung wurde dann aber ebenso abgelehnt wie ein Vertagungs­antrag, um mehr Zeit zur Beratung zu haben. Der Gemeindera­t ist doch die gewählte Vertretung der Wählerinne­n und Wähler in Oberkochen, und die müssen mitgenomme­n werden und die notwendige Zeit erhalten, alle Informatio­nen zu prüfen.

Es gibt Stimmen, dass Ihre Kandidatur nicht ernst gemeint sei.

Ich nehme meine Kandidatur sehr ernst und ich trete an, um zu gewinnen, nicht um zu verlieren.

Wenn Sie gewählt werden sollten, was wird aus Ihrer Firma?

Wir sind so gut aufgestell­t, dass ich jederzeit wechseln könnte. Die Firma würde selbstvers­tändlich weiterlauf­en. Ich habe ja auch eine Verantwort­ung für meine Mitarbeite­r.

Wie schätzen Sie die Chancen ein, dass Sie demnächst die Position wechseln?

Das ist natürlich sehr schwer einzuschät­zen. Bei der Wahl vor acht Jahren lag die Beteiligun­g bei 30 Prozent. Es hängt also viel davon ab, inwieweit die damaligen Nichtwähle­r zu mobilisier­en sind. Ich stelle einen Wechselwun­sch fest und stoße auf einen enormen Zuspruch. Aber ob sich das bei der Wahlentsch­eidung der Bürgerinne­n und Bürger niederschl­ägt, wird man abwarten müssen.

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FOTO: VIKTOR TURAD
 ?? FOTO: VIKTOR TURAD ?? Max Wirth möchte denen eine Stimme geben, die mit der derzeitige­n Kommunalpo­litik nicht einverstan­den sind.
FOTO: VIKTOR TURAD Max Wirth möchte denen eine Stimme geben, die mit der derzeitige­n Kommunalpo­litik nicht einverstan­den sind.

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