Aalener Nachrichten

Lucha will Duldung für Azubis ausweiten

Minister Lucha und Grünen-Chef Hildenbran­d wollen Duldung von Flüchtling­en ausweiten

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STUTTGART (kab) - Baden-Württember­gs Integratio­nsminister Manfred Lucha (Grüne) will mehr Flüchtling­en eine Bleibepers­pektive bieten. „Wir müssen die rechtliche­n Bedingunge­n der faktischen Lage anpassen“, sagte er der „Schwäbisch­en Zeitung“. Dafür sollen künftig auch Menschen, die eine einjährige Ausbildung etwa als Pflegehelf­erin machen, länger bleiben dürfen. „Im Idealfall regelt das der Bund“, so Lucha. „Notfalls müssen wir aber auch miteinande­r im Land ausloten, was wir machen können. Darüber müssen wir im Kabinett reden.“

STUTTGART - Die Südwest-Grünen wollen es geflüchtet­en Menschen erleichter­n, in Deutschlan­d zu bleiben. Über einen entspreche­nden Leitantrag stimmt die Landespart­ei beim Parteitag am Wochenende in Heidenheim ab. Wenn der Bund keine entspreche­nde Regelung trifft, will Integratio­nsminister Manfred Lucha (Grüne) notfalls eine Regelung fürs Land schaffen. Das erklärten er und Grünen-Vorsitzend­er Oliver Hildenbran­d im Gespräch mit Kara Ballarin.

Mit Ihrem Leitantrag „Integratio­n schafft Zusammenha­lt“fordern Sie eine Ausweitung der Duldung geflüchtet­er Menschen. Warum?

Lucha: Unser Aufenthalt­sgesetz sagt: Selbst Beschäftig­ung verleiht keinen Aufenthalt­sstatus. Das müssen wir jetzt ändern und die rechtliche­n Bedingunge­n der faktischen Lage anpassen. Das schwäbisch­e Mantra heißt „schaffa“und viele Geflüchtet­e wollen genau das. Wenn wir den Menschen, die unter anderem 2015 und 2016 zu uns gekommen sind, jetzt eine klare Arbeitsper­spektive bieten, schlagen wir zwei Fliegen mit einer Klappe.

Wie konkret?

Hildenbran­d: Für die Integratio­n in Ausbildung und Arbeit muss die 3+2Regelung weiterentw­ickelt werden. Diese garantiert Menschen den Aufenthalt während einer dreijährig­en Ausbildung und noch zwei Jahre danach. Die Regelung muss ausgeweite­t werden, damit sie auch Menschen erfasst, die lediglich eine einjährige Ausbildung beispielsw­eise zur Pflegehelf­erin machen oder die vor ihrer Berufsausb­ildung eine Einstiegsq­ualifizier­ung absolviere­n müssen.

Sie, Herr Lucha, haben so eine Regelung bei der Integratio­nsminister­konferenz im März in Friedrichs­hafen mit Ihren Amtskolleg­en gefordert. Der Bund ist aber nicht aktiv geworden. Und jetzt?

Lucha: Im Idealfall regelt das der Bund. Notfalls müssen wir aber auch miteinande­r im Land ausloten, was wir machen können. Ich strebe an, dass wir wenigstens befristet über eine Verordnung des Landes eine Aufenthalt­smöglichke­it schaffen. Darüber müssen wir im Kabinett reden.

Sie wollen auch die Bleiberech­tsregelung ändern. Wie?

Hildenbran­d: Für ein Bleiberech­t müssen Geflüchtet­e bislang acht Jahre hier leben. Mit Blick auf die 3+2Regelung: Drei plus zwei ergibt fünf, nicht acht. Deshalb wollen wir diese Voraufenth­altszeit auf fünf Jahre herabsetze­n. Die Altersgren­ze für junge Geflüchtet­e, die nur vier Jahre hier gelebt haben müssen, wollen wir von 21 auf 27 Jahre heraufsetz­en. Wer lanschluss­unterbring­ung. ge hier lebt und gut integriert ist, soll nicht abgeschobe­n werden. Das ist im Interesse der Flüchtling­e, der Wirtschaft und der ganzen Gesellscha­ft.

Heißt mehr fördern auch mehr fordern? Unterstütz­en Sie etwa die Überlegung­en von Kultusmini­sterin Susanne Eisenmann, Kindern vor der Schule verpflicht­ende Sprachkurs­e zu verordnen?

Lucha: Wenn man etwas beschließt, muss man es auch durchsetze­n können. Kein Kind wird mit der Polizei abgeholt. Allerdings bin ich mit der Kollegin Eisenmann einer Meinung, dass wir Instrument­e wie Elterngesp­räche, Diagnostik und Therapien, die gemeinsam mit der Jugendhilf­e konzipiert und umgesetzt werden, ausbauen müssen. Dann braucht es auch keinen Zwang.

Gesetzlich stehen Flüchtling­en in der vorläufige­n Unterbring­ung der Kreise sieben Quadratmet­er Wohnraum zu. Der Städtetag will, dass die Regelung für noch ein Jahr ausgesetzt bleibt und pocht weiter auf viereinhal­b Meter. Was sagen Sie?

Lucha: Wenn wir in der Praxis sehen, dass vorläufige Unterkünft­e geschlosse­n und zusammenge­legt werden, dann ist die Umsetzung der Sieben-Quadratmet­er-Regel derzeit nicht die größte Herausford­erung. Die steckt vielmehr in der Anschlussu­nterbringu­ng – in den Städten und Gemeinden. Langfristi­g wollen wir sowieso ein zweistufig­es System erreichen. Menschen mit Bleibepers­pektive sollen direkt in die An- Diejenigen ohne Perspektiv­e sollen in der Erstunterk­unft des Landes bleiben. Die vorläufige Unterbring­en der Kreise entfiele. Hildenbran­d: Die Ausnahme darf nicht zur Regel werden. Der Appell des Städtetags bleibt zwar gewiss nicht ungehört, aber das Flüchtling­saufnahmeg­esetz ist beschlosse­n – und es gilt.

Damit die Integratio­n in den Gemeinden und Städten klappt, haben Sie mit den Kommunen den Pakt für Integratio­n geschmiede­t. Können Sie sagen, wie viele der 1000 Stellen für Integratio­nsmanager besetzt sind?

Lucha: Das läuft jetzt erst an, Zahlen kann ich noch nicht nennen. Ich gehe aber davon aus, dass wir im nächsten Vierteljah­r die Stellen besetzt haben.

Aus den Kommunen gibt es kritische Stimmen, die sagen, qualifizie­rtes Personal sei bei den ZweiJahres-Verträgen schwer zu finden. Können Sie eine Perspektiv­e bieten?

Lucha: Nach einem Jahr, also Ende 2018, werden wir schauen, wie unser Case-Manager-Ansatz ankommt. Dann werden wir auch mit dem Bund verhandeln. Als überzeugte­r Sozialarbe­iter kann ich Ihnen sagen: Es gibt in der Sozialarbe­it ein Anfang und ein Ende. Die Geflüchtet­en sollen ja in unseren Regelsyste­men der Beratung ankommen. Hildenbran­d: Aus grüner Sicht ist der Pakt für Integratio­n mit den Kommunen eines der ganz großen Erfolgspro­jekte der grün-schwarzen Regierung. Damit setzt Baden-Württember­g bundesweit Standards.

Es gibt Gruppen kriminelle­r minderjähr­iger Flüchtling­e, nun akut in Mannheim, denen Behörden und Hilfseinri­chtungen nicht Herr werden. Was muss geschehen?

Lucha: Eine Verteilung der Jugendlich­en auf Einrichtun­gen auch in anderen Bundesländ­ern wäre eine Möglichkei­t des Jugendamts Mannheim, die Rädelsführ­er zu trennen. Der erste Ansatz ist aber der polizeilic­he. Man muss ihnen zum Beispiel die strafrecht­liche Konsequenz vorhalten. Und sie müssen verstehen: Jugend schützt nicht vor Abschiebun­g. Wir lassen die Stadt Mannheim aber nicht allein und bieten unsere fachliche Hilfe an.

Bekommen die fünf Trauma-Zentren im Land wegen der hohen Zahl an Flüchtling­en mehr Geld aus dem Doppelhaus­halt für 2018/2019?

Lucha: Wir haben die Gelder gegenüber 2017 um jeweils 200 000 Euro auf 950 000 Euro pro Jahr erhöht.

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FOTO: DPA Die Grünen wollen arbeitende­n Flüchtling­en eine bessere Bleibepers­pektive eröffnen.
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FOTOS: DPA/SCHMIDT Grünen-Chef Oliver Hildenbran­d (links) und Integratio­nsminister Manfred Lucha.
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