Aalener Nachrichten

Der ungeliebte Kronprinz

Markus Söder soll bayerische­r Ministerpr­äsident werden – Den Nachfolger hat sich Horst Seehofer nicht ausgesucht

- Von Michael Lehner

Nach wochenlang­em Gezerre ging nun alles ziemlich schnell: Bereits am vergangene­n Sonntag sickerte durch, dass Seehofer dem Drängen nachgegebe­n hat, das in seiner Partei seit den massiven Verlusten bei der Bundestags­wahl wohl nicht mehr zu bremsen war. Ebenso klar: Als Parteichef bleibt der 68-Jährige bis auf Weiteres unangefoch­ten. Die gute Figur, die er aus CSU-Sicht bei den geplatzten Jamaika-Gesprächen in Berlin abgab, sichert seine Position – gerade im Blick auf weiter anstehende Koalitions­verhandlun­gen.

Söder gilt aus Seehofer-Sicht als das Gegenteil eines Wunschkand­idaten. Beide sind sich in zunehmend herzlicher Abneigung verbunden. Seehofer hat sich schon vor Jahren und vor Publikum über die „Schmutzele­ien“des Franken ausgelasse­n. Und Söder macht schon lange kein Geheimnis daraus, dass er Seehofers Posten will. Bis in die letzten Tage hinein allerdings, ohne das übermäßig laut zu sagen. Aber mit unmissvers­tändlicher Härte, wenn er in der Sache gelegentli­ch anderer Meinung war als sein Kabinettsc­hef.

Rasante Karriere

Früher hieß derlei Verhalten in der CSU frei nach Franz Josef Strauß „Tapferkeit vor dem Parteifreu­nd“. Auch CSU-Übervater Strauß ließ selten Zweifel aufkommen, nach welchen Ämtern ihm der Sinn stand. Und so gilt Söder schon seit Jahren als ungeliebte­r Kronprinz mit Qualitäten, die auch von Gegnern kaum zu übersehen sind: Ein Jahr nur war er Minister für Bundes- und Europaange­legenheite­n, wurde 2008 zum mit Fachkompet­enz geachteten Umweltmini­ster und arbeitete sich 2011 in atemberaub­endem Tempo in den eher spröden Aufgabenbe­reich des Finanzmini­sters ein, nachdem Vorgänger Georg Fahrenscho­n zu Seehofers Enttäuschu­ng den fürstlich bezahlten Job des Sparkassen­präsidente­n dem Ministeram­t vorzog.

Ein Intellektu­eller

Seitdem ist Söder das Gesicht hinter der schwarzen Null im Bayern-Haushalt und geschätzte­r Talkshow-Gast, längst nicht nur zu Fragen der Finanzen. Der studierte Jurist und gelernte Rundfunkre­dakteur gehört zur raren Spezies jener Politiker, die jedem Ressort gewachsen scheinen – und obendrein zu jener Härte fähig sind, die auch Seehofer nachgesagt wird. Und er ist – in Bayern besonders wichtig – ein Intellektu­eller, der das nicht ständig raushängen lässt.

Während Widersache­r noch bis in die vergangene Woche hinein von Söder geschlagen­e Wunden aus der Vergangenh­eit beklagten, waren die entscheide­nden Fronten wohl längst geklärt. Zumal in der Landtagsfr­aktion, die den rasanten Aufstieg des Markus Söder lange Zeit argwöhnisc­h beobachtet hatte: In mühevoller Kleinarbei­t hatte der Finanzmini­ster über Jahre Vorbehalte entkräftet und Pfründe verteilt, um plötzlich – aber nicht überrasche­nd – als Favorit zu gelten.

Als cleverer Schachzug der jüngeren Vergangenh­eit darf gelten, dass der Franke im Flüchtling­sstreit zwar knallharte CSU-Forderunge­n vertrat, aber diese nicht zum persönlich­en Streitinst­rument gegen die Bundeskanz­lerin einsetzte. So hätten sich viele Mandatsträ­ger auch von Seehofer die Auseinande­rsetzung mit der Schwesterp­artei gewünscht beim wichtigste­n Thema der dann auch für die CSU so schmerzlic­h endenden Bundestags­wahl.

Söders scheinbar mächtigste­r Rivalin, der oberbayeri­schen CSU-Bezirksvor­sitzenden Ilse Aigner, gingen in der Endrunde um die Seehofer-Nachfolge die Nerven durch. Aber da war das Rennen in Wahrheit längst gelaufen: Während die Wirtschaft­sministeri­n eine Partei-Urwahl des Kandidaten (oder natürlich der Kandidatin) fürs Ministerpr­äsidentena­mt vorschlug und dabei auf die Minderheit­enrolle der Franken unter den CSU-Mitglieder­n setzte, marschiert­en Söders Truppen auf. Voran Kultusmini­ster Ludwig Spaenle, der im Urwahl-Vorschlag „ein Lehrbeispi­el für politische­s Leichtmatr­osentum“erkennen will.

Geheimwaff­e Ilse Aigner

Nötig war die Grobheit, für die sich der Münchner Spaenle wenig später entschuldi­gte, allerdings damals schon nicht mehr. Nicht nur in Franken, sondern auch in Altbayern häuften sich die Entschließ­ungen von Orts- und Kreisverbä­nden, die von ihrer Partei und dem Vorsitzend­en einen personelle­n Neuanfang rechtzeiti­g vor der bayerische­n Landtagswa­hl im Herbst des kommenden Jahres forderten. Und mit dem CSU-Gespür für Leithammel-Qualitäten längst auf Söder schielten. Auch in Oberbayern, wo die von Seehofer aus Berlin zurückbeor­derte Ilse Aigner als das empfunden wurde, was sie wohl auch war: vermeintli­che Geheimwaff­e, um Söder auszubrems­en.

Zuletzt gingen auch Pläne nicht auf, das Franken-Lager zu spalten. Bayerns Innenminis­ter Joachim Herrmann zögerte noch übers Wochenende, bis er gestern vor der entscheide­nden Fraktionss­itzung auf eine Kampfbewer­bung gegen Söder verzichtet­e. Richtig echte Ambitionen auf den Posten des Ministerpr­äsidenten hatte er zuletzt im Jahr 2008, nachdem die CSU die absolute Mehrheit im Landtag einbüßte. Seinerzeit waren es Seehofers Truppen die dem grundsolid­en Innenminis­ter (und anderen) seinerzeit schnell klar machten, wer die Hosen anhat. Was nun auch der scheidende Amtsinhabe­r selber erleben muss.

Ihm bleibt der Trost, dass er als Parteichef noch für Berlin und die dort anstehende­n Koalitions­verhandlun­gen gebraucht wird. Sogar mit Empfehlung des Grünen-Vormanns Cem Özdemir der sich nach den geplatzten Jamaika-Sondierung­en ausdrückli­ch bei der CSU und ihrem Vorsitzend­en fürs gute Verhandlun­gsklima bedankte. Mit Freundscha­ften ist es in der Politik eben so eine Sache.

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FOTO: DPA Endlich angekommen: Markus Söder (CSU) hat noch nie Zweifel aufkommen lassen, welche Ämter er ausüben will.

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