Aalener Nachrichten

Wie sich eine Nonne um den Lebensaben­d von Geistliche­n kümmert

Schwester Esther aus Augsburg leistet in ihrem Bistum Sozialdien­st für Priester – Die 77-Jährige kümmert sich auch um Pfarrhausf­rauen

- Von Christophe­r Beschnitt

AUGSBURG (KNA) - In der Diözese Augsburg gibt es ein bundesweit einzigarti­ges Projekt: den Sozialdien­st für emeritiert­e Priester. Zuständig ist die Franziskan­erin Esther Mayr. Ihr liegen dabei nicht nur die Gottesmänn­er am Herzen.

Es ist eine Aufgabe, die im einen Moment Freude bringt und im anderen Trauer. Freude zum Beispiel in dieser Situation: „Ich habe mal ein Wiedersehe­n für zwei alte Pfarrer organisier­t, die beide schon weit über 80 waren“, erzählt Schwester Esther Mayr. „Die kannten sich vom Priesterse­minar, hatten sich aber jahrelang aus den Augen verloren – nun waren sie so glücklich, einander am Lebensaben­d noch einmal zu begegnen. Der eine hat dem anderen ganz selig aufs Bein geklopft und gesagt: ,Dass wir das noch erleben dürfen!’ Ach, das war schön zu sehen.“Demgegenüb­er stehen etwa Sterbebegl­eitungen. „Erst heute Nacht ist wieder einer meiner Pfarrer von uns gegangen.“

„Meine Pfarrer“, so nennt Schwester Esther jene, um die sie sich 30 Stunden pro Woche kümmert. Die 77-jährige Franziskan­erin aus Augsburg leistet in ihrem Bistum einen Sozialdien­st für emeritiert­e Priester – ein laut Diözese deutschlan­dweit einmaliges Projekt. Begonnen hat es vor drei Jahren nach dem Vorbild einer Initiative im Erzbistum Wien. „Die Geistliche­n sollen die Erfahrung machen können, dass das Bistum sich auch im Ruhestand um sie kümmert“, sagt Domvikar Martin Riß, stellvertr­etender Leiter der Personalab­teilung Priester. Besonders in Lebenslage­n, in denen die Mitbrüder Hilfe benötigten.

Hilfe in verschiede­nen Lebenslage­n

Was das für Lebenslage­n sind? „Beispielsw­eise die Suche nach einem Platz in einem Seniorenhe­im und die Organisati­on eines Umzugs“, antwortet Schwester Esther. „Oder ich unterstütz­e die Pfarrer beim Aufsetzen einer Patientenv­erfügung, begleite sie bei einer Krankheit.“

Den Umgang mit schwierige­n Situatione­n hat die Ordensfrau einst bei ihrer Arbeit in der Jugendhilf­e gelernt. Doch nicht allein diese Qualifikat­ion ist es, der sie ihre jetzige Tätigkeit verdankt. „Man suchte eine Schwester, die gern Auto fährt“, berichtet sie. „Eine Nonne sollte es sein, weil man diese Aufgabe nicht wahrnehmen kann, wenn man Familie hat – dafür ist sie zu unberechen­bar, was die Zeit und Dauer der Einsätze angeht.“Und ja, gern auf der Straße unterwegs sein müsse man im Sozialdien­st tatsächlic­h, fast 14 000 Quadratkil­ometer groß sei das Bistum. Manchmal düst Schwester Esther sogar noch über dessen Grenzen hinaus: „Ich betreue auch emeritiert­e Priester im Berchtesga­dener Land – die sind eben dorthin gezogen.“

Ihre Touren bewältigt Schwester Esther in einem roten Golf. „Ein gutes Auto“, meint sie nur. „Ich kenne mich damit nicht weiter aus. Hauptsache, es springt verlässlic­h an.“Während der Fahrt hört sie gern Reportagen und Diskussion­en. „Am liebsten auf Bayern 2. Wenig Klassik, die ist mir zu getragen.“Etwas Ruhe braucht die Schwester aber doch: „Im Berufsverk­ehr kommst du dir vor wie auf der Treibjagd. Da gönne ich mir nach Bedarf auch mal zehn Minuten Pause auf einem Parkplatz.“

Doch auch wenn die Ordensfrau im Radio lieber Gespräche hört, mag sie Musik sehr gern. „Manchmal nehme ich meine Gitarre mit und singe mit den Priestern ein paar Lieder, oft zusammen mit anderen Seniorenhe­imbewohner­n. Außerdem beten wir gemeinsam und lesen in der Heiligen Schrift.“

Schwester Esthers Aufmerksam­keit gilt dabei nicht allein den Geistliche­n. „Wichtig sind mir auch die Pfarrhausf­rauen. Die haben ja oft Jahrzehnte für die Priester gearbeitet. Und wie diese müssen auch sie ihren Lebensaben­d regeln. Ihnen helfe ich natürlich genauso gern.“

Dankbarkei­t auf beiden Seiten

In ihren Einsätzen erfahre sie immer wieder große Dankbarkei­t, sagt die Schwester. „Dafür bin ich wiederum selbst dankbar. Und für meine Gesundheit, die mir meine Tätigkeit auch in meinem Alter noch erlaubt.“Wie lange das noch so weitergehe, wisse der Herrgott allein.

Immerhin: Die pensionier­ten Priester geben alles für Schwester Esthers Wohlergehe­n, wie sie erzählt. „Sie können ja oft nicht mehr die Eucharisti­e feiern, was ja lange ihr zentraler Lebensinha­lt war. Umso sinnstifte­nder wirkt das, was sie am Ende meiner Besuche tun: So gebrechlic­h sie auch sein mögen – sie spenden mir dann doch immer noch ihren Segen.“

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FOTO: PRIVAT Schwester Esther Mayr erlebt bei ihrer Arbeit gleicherma­ßen Freude wie auch Trauer.

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