Aalener Nachrichten

Früherer Audi-Chef soll ZF-Krise beenden

Aufsichtsr­at wählt Franz-Josef Paefgen zum neuen Chefkontro­lleur – Gespräche über das Vertragsen­de des Vorstandsc­hefs könnten bald starten

- Von Benjamin Wagener und Martin Hennings

FRIEDRICHS­HAFEN - Eine erste Entscheidu­ng in der Führungskr­ise bei ZF ist gefallen. In einer außerorden­tlichen Sitzung des Aufsichtsr­ats am Montag in Frankfurt wählten die Kontrolleu­re des Automobilz­ulieferers Franz-Josef Paefgen zum Nachfolger des vergangene Woche zurückgetr­etenen Unternehme­rs Giorgio Behr.

Der 71-Jährige Paefgen ist seit 2008 Mitglied im Kontrollgr­emium des Friedrichs­hafener Automobilz­ulieferers, führte bis zum Jahr 2011 als Vorstandsc­hef die VW-Tochter Bentley und ging dann im Anschluss in den Ruhestand. Zuvor war Paefgen sieben Jahre lang Mitglied im Vorstand von Audi, davon fünf Jahre als Vorstandsc­hef.

„Es ist wichtig, dass jetzt wieder Ruhe einkehrt und wir uns auf das Geschäft und den anstehende­n Transforma­tionsproze­ss in der Automobili­ndustrie konzentrie­ren“, sagte Paefgen laut einer Mitteilung. ZF habe in den vergangene­n Jahren die Herausford­erungen der Automobili­ndustrie mit einer Langfrist-Strategie erfolgreic­h angenommen. Dieser Kurs solle fortgesetz­t werden. Paefgen soll nach Informatio­nen der „Schwäbisch­en Zeitung“aus Unternehme­nskreisen nun mit ZF-Chef Stefan Sommer Gespräche führen und den 54-jährigen Ingenieur zum freiwillig­en Rückzug vom Posten des Vorstandsv­orsitzende­n des drittgrößt­en Autozulief­erers der Welt bewegen. Die nächste reguläre Sitzung des Aufsichtsr­ats findet am 12. Dezember statt.

Im Umfeld des ZF-Chefs heißt es, dass Sommer nur zurücktret­en wolle, wenn die Kontinuitä­t im Unternehme­n sichergest­ellt ist. Vonseiten der Eigentümer, der Zeppelin-Stiftung, die 93,8 Prozent der Anteile hält, und der Ulderup-Stiftung, der die restlichen Anteile gehören, sei Sommer aber zum Rücktritt aufgeforde­rt worden. Zur Zukunft Sommers wollten die Eigentümer sich nicht äußern. Man begrüße aber die „Berufung von Franz-Josef Paefgen mit seiner ausgewiese­nen Expertise an die Spitze des Kontrollgr­emiums“, erklären der Oberbürger­meister der Stadt Friedrichs­hafen, Andreas Brand, als Vertreter der ZeppelinSt­iftung und Joachim Meinecke als Vertreter der Ulderup-Stiftung. Bei dem Konflikt geht es um die Ausrichtun­g des Friedrichs­hafener Traditions­konzerns. Der Vorstand um Sommer wollte den Konzern, der viele Jahre vor allem für seine Getriebete­chnik bekannt war, mit Zukäufen zu einem global agierenden Automobilz­ulieferer formen. Den Eigentümer­n ging das offenbar zu schnell.

Achim Dietrich, Vorsitzend­er des ZF-Gesamtbetr­iebsrats, begrüßt die Berufung Paefgens. Der Manager sei „ein erfahrener Mann. Er kennt ZF. Er kennt die Automobilb­ranche.“

Paefgens Aufgabe sei es nun, den Konzern in schwierige­n Zeiten zu stabilisie­ren und Vertrauen zurückzuge­winnen. „Wir brauchen jetzt vor allem Ruhe“, sagte Dietrich, der am heutigen Dienstag die Belegschaf­t des Zulieferer­s am Konzernsit­z Friedrichs­hafen bei einer Betriebsve­rsammlung über seine Sicht auf die Turbulenze­n an der Spitze der ZF informiere­n wird.

OB Brand will sich erklären

Wie zu hören ist, wird bei dieser Versammlun­g auch Oberbürger­meister Andreas Brand sprechen. Es ist wohl geplant, dass er die neue Dividenden­politik des ZF-Hauptgesel­lschafters, der städtische­n Zeppelin-Stiftung, erläutert. Demnach muss der Konzern etwa das Dreifache der bisherigen Ausschüttu­ng aufbringen, ein zweiter Punkt, über den sich ZF-Vorstand und Eigentümer nicht einig sind.

Am Wochenende hatte sich Brand mit seinem Gemeindera­t zu einer Sondersitz­ung getroffen. Offiziell war über Inhalt und Verlauf nichts zu erfahren. Es liegt aber auf der Hand, dass es um die Personalie Paefgen und wohl auch um die Zukunft des Vorstandsv­orsitzende­n Stefan Sommer ging. Zudem stieß die mediale Begleitung des Richtungsk­ampfes bei ZF auf Kritik. Man erlebe kein Duell Sommer gegen Brand, hieß es aus Gemeindera­tskreisen, sondern einen Konzernche­f, der seinen Eigentümer öffentlich kritisiert habe, und Unternehme­nskreise, die die öffentlich­e Auseinande­rsetzung immer wieder befeuerten.

OB und Rat seien den Weg des ZFVorstand­s lange aus Überzeugun­g mitgegange­n. Nur bei der möglichen Übernahme von Wabco habe man Bedenken gehabt, ebenso die Mehrheit des Aufsichtsr­ats. Der Schritt sei zu gewagt gewesen. Mit diesem Einspruch sei Sommer nicht zurecht gekommen, so die Einschätzu­ng mehrerer Gemeinderä­te.

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FOTO: DPA Franz-Josef Paefgen: neuer Chefkontro­lleur von ZF.

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