Kopfgeld für einen Koch
Immer mehr Lokale öffnen ihre Pforten, doch Personal ist Mangelware.
AALEN - Die Aalener Gastronomie boomt ungebrochen. Zahlreiche neue Lokale haben in der vergangenen Zeit eröffnet. Ein Ende ist nicht in Sicht: Joachim Klutz plant eine Gastronomie auf dem ehemaligen Ostertag-Gelände, im Firmentower der I-Live-Gruppe wird es nach Fertigstellung des Gebäudes in der siebten Etage eine Skybar inklusive Restaurant geben, und auch auf dem Stadtoval wird in ferner Zukunft eine Gastronomie ihren Standort haben. Doch woher wollen all die Wirte das Personal nehmen? Köche sind Mangelware, und auch der Markt für Servicekräfte ist unersättlich. Bereits jetzt schon tun sich die bestehenden Gastronomen schwer, Kräfte zu finden. Auf der Suche nach Mitarbeitern werden solche zum Teil sogar abgeworben.
„Der Fachkräftemangel ist das größte Problem, das uns Gastronomen zu schaffen macht“, sagt Stefanie
Winter, Inhaberin des Podiums. Mittlerweile würden sogar viele Betriebe an bestimmten Tagen zumachen, weil sie kein Personal vorhalten können. Derzeit sind in dem Lokal der Aalenerin am Marktplatz drei festangestellte Köche beschäftigt. „Aber ich könnte noch dringend einen gebrauchen“, sagt Winter. Mit freien Tagen und Urlaub sei es schwer, den Drei-SchichtBetrieb vor allem in den Sommermonaten abzudecken. Doch der Markt sei abgegrast. Einen sauberen und qualifizierten Koch zu bekommen, sei ein Ding der Unmöglichkeit. Diejenigen, die ein gewisses Know-how haben, gehen alle in die Kantine – ein Arbeitsplatz, der bei Köchen immer mehr gefragt sei. „Hier haben sie geregelte Arbeitszeiten und am Wochenende frei. Solche Annehmlichkeiten kann ihnen die Gastronomie nicht bieten“, sagt Winter.
Personal abzuwerben ist kein guter Stil
Auch mit Blick auf das Servicepersonal sei es schwierig, Angestellte zu finden. „Studenten haben so gut wie kein Interesse mehr. Und auch die Arbeitsmoral vieler Kellner lässt immer mehr zu wünschen übrig“, sagt Winter. Sie habe noch das Glück, viel altes Stammpersonal zu haben und auf einen großen Pool an Mitarbeitern zurückgreifen zu können. Momentan arbeiten im Podium 50 Mitarbeiter inklusive 450Euro-Kräfte. Um diese zu halten, sei Winter bemüht, ihnen die Arbeit so angenehm wie möglich zu machen. Doch trotzdem sei auch sie vor Abwerbungen nicht gefeit. Ein No-Go, wie sie findet. Wenn sich jemand weiterentwickeln möchte, sei dies in Ordnung. Aber der Stil mancher Gastronomen in der Kreisstadt, Mitarbeiter abzuwerben, sei kein guter.
Dass es Bestrebungen gibt, Kopfgeld zu bezahlen, um so an Mitarbeiter zu kommen, die in einem anderen Lokal beschäftigt sind, weiß auch Martin Dannenmann, Inhaber des Rambazambas und des Dannenmanns. Vor allem der Kampf um Köche sei gnadenlos. Als Wirt sei man diesem chancenlos ausgesetzt. Denn die Köche seien sich bewusst, dass sie Mangelware sind und gebraucht werden. Und das würden viele schamlos ausnutzen. Obwohl Dannenmann vier festangestellte Köche beschäftigt, sei er derzeit auf der Suche nach einem fünften. Auch im Service würde er sofort weitere Mitarbeiter einstellen. Doch solche zu rekrutieren, sei immens schwer. Auf Anzeigen, die er schaltet, gebe es wenig bis gar keine Resonanz. Und diejenigen, die sich bewerben, seien indiskutabel. „Ich brauche Leute mit Erfahrung, die im Service ein gewisses Niveau bieten, und solche gibt der Markt nur wenig her“, sagt Dannenmann. Deshalb versuche er, sich Mitarbeiter, darunter auch Schüler und Hausfrauen, die sich etwas dazuverdienen wollen, heranzuziehen. Selbst im Lokal Dannenmann, das einst dafür bekannt war, dass Studenten hier arbeiten, hat der Inhaber mittlerweile drei Festangestellte. Denn auf Studenten oder geringfügig Beschäftigte kann sich Dannenmann nicht mehr verlassen.
Seine Mitarbeiter versuche er angemessen und gut zu bezahlen. Für eine ungelernte Kraft seien neun Euro Mindestlohn auf die Stunde schon eine Nummer. Hinzu komme das Trinkgeld. Für Angestellte, die von dieser Tätigkeit allerdings leben müssen, sehe es freilich anders aus. „Wenn ich aber noch mehr an Gehalt bezahle, muss ich das auf die Preise umlegen. Und ich glaube nicht, dass jemand bereit ist, fast vier Euro für einen Cappuccino zu bezahlen“, sagt Dannenmann und ist sich in diesem Punkt mit Sabiha Madan, Geschäftsführerin des Apostos, einig: „Bei einem Aufschlag würden die Kunden wegbleiben.“
Joachim Klutz,
Anders sieht das ehemaliger Inhaber der Bierhalle und Geschäftsführer der Havanna Bar, der in naher Zukunft ein Lokal auf dem Ostertag-Gelände eröffnet. Seiner Ansicht nach müssten die Preise in der Gastronomie angehoben werden, um dies dann an die Mitarbeiter weitergegeben zu können. Vor allem bei Köchen, die sonntags, feiertags und bei Veranstaltungen bis in die Nacht hinein arbeiten müssten, seien die Gehälter zu niedrig.
Arbeitszeitgesetz macht Wirten zu schaffen
Ein großes Problem vor allem für kleinere und mittlere Betriebe sei die Einhaltung der Ruhezeiten, insbesondere mit Blick auf das Küchenpersonal, sagt Klutz. „Während sich das Servicepersonal mal eine Auszeit nehmen kann, kann ich bei einer Weihnachtsfeier meinem Koch nach zehn Stunden nicht sagen, geh nach Hause, wenn der Nachtisch noch nicht serviert ist.“„Die Vorschrift, nicht länger als zehn Stunden am Stück zu arbeiten und Ruhezeiten einzuhalten, macht auch mir zu schaffen“, sagt Stefanie Winter. „Wenn ich mein Lokal nachts länger aufhabe, kann ich Mitarbeiter, die gearbeitet haben, am nächsten Tag nicht einplanen.“
Auf der Suche nach 16 Mitarbeitern war auch Sabiha Madan vor der Eröffnung des Apostos. Mittlerweile seien alle Stellen besetzt. „Je cooler und angesagter der Laden ist, desto mehr bewerben sich für einen Job“, sagt die Geschäftsführerin. Bei den Bewerbungen müsste mit Blick auf die Qualifikation der Interessenten allerdings gehörig ausgesiebt werden.
Dass nur noch wenige Köche zu haben sind, liegt für Sabiha Madan nicht nur an dem Gehalt und den Arbeitszeiten, sondern auch an den Aufgaben. Kochen sei mittlerweile der kleinste Teil. Aufräumen, putzen und vor allem zahlreiche Listen führen, um Vorschriften wie die Hygiene zu dokumentieren, koste enorm viel Zeit und Nerven.
„Der Fachkräftemangel ist das größte Problem, das uns Gastronomen zu schaffen macht“, sagt Stefanie Winter.