Aalener Nachrichten

Steigende Sozialausg­aben – und kein Ende

Ausschuss berät den Sozialetat 2018 des Ostalbkrei­ses – Fraktionen warnen vor immer neuen Pflichtauf­gaben

- Von Eckard Scheiderer

AALEN - „Wir sind der teuerste Ausschuss mit dem geringsten Gestaltung­sspielraum.“Der Gmünder Bürgermeis­ter und Kreisrat Joachim Bläse (CDU) hat sicher den Nagel auf den Kopf getroffen, als es im Ausschuss für Soziales und Gesundheit des Kreistags um den Sozialetat des Ostalbkrei­ses für das kommende Jahr gegangen ist. Tendenz dabei: weiter steigend. Weil der Kreis immer mehr an Kosten neuer Sozialgese­tzgebungen des Bundes tragen muss.

250 Millionen an Aufwendung­en, dass sind 58 Prozent aller Ausgaben des Ostalbkrei­ses – der Sozialetat ist ein gewaltiges Paket, wie Sozialdeze­rnent Josef Rettenmaie­r eingangs vorgerechn­et und dies an einigen Beispielen deutlich gemacht hat. Lagen etwa die Kosten für die Einglieder­ungshilfe für behinderte Menschen 2005 noch bei 31 Millionen Euro, so werden sie im kommenden Jahr mit 57,6 Millionen zu Buche schlagen. Nicht nur deswegen, weil auch die Lebenserwa­rtung von Menschen mit Handicap deutlich gestiegen sei, sondern auch, weil das Instrument­arium an Hilfen im Angesicht der Inklusion immer weiter verfeinert werde.

Man vermisse inzwischen, so Joachim Bläse, den guten Dreiklang aus Bund, Land und Kommunen – „wir übernehmen immer mehr an Kosten“. Die jetzige Situation, dass ein großer Teil neuer Sozialkost­en auf die Kommunen abgeladen werde, dürfe so keinen Fortbestan­d haben. Auch Bernhard Richter (SPD) sprach von einem Kraftakt, „weil wir immer mehr an Pflichtauf­gaben übrnehmen müsse“. Fünf Herausford­erungen im Sozialbere­ich listete Richter auf: die Pflege, die Umsetzung des Bundesteil­habegesetz­es ohne weitere Aufblähung der Bürokratie, die Schaffung von bezahlbare­m Wohnraum, die Verhinderu­ng von Altersarmu­t und die Integratio­n von Flüchtling­en. prophezeit Landrat Klaus Pavel.

„Wo geht das noch hin?“

Für Rolf Siedler (Grüne) ist es einerseits beruhigend, mit dem Sozialetat so viel abdecken zu können, wobei jeder Cent und jeder Euro als Bekenntnis zu den Menschen hier im Kreis blieben. Anderersei­ts steige der Zuschussbe­darf stetig an. „Wo geht das noch hin?“, fragte Siedler. So lange Steuerhint­erziehung im Milliarden­bereich durch Cum-Ex-Geschäfte von der Bundesregi­erung „gepudert“werde, werde sich daran auch nichts ändern. Jürgen Opferkuch (Freie Wähler) sieht durch den Sozialetat den sozialen Frieden im Kreis gewährleis­tet, allerdings müsse das Konnexität­sprinzip („Wer bestellt, bezahlt“) auch weiterhin ein Teil davon sein.

Sozialer Friede, so Landrat Klaus Pavel, sei das stabile Fundament im Ostalbkrei­s. Man könne aber angesichts der Steigerung der Ausgaben im Sozialetat ausrechnen, „wann das alles nicht mehr aufgeht“. Schon vor Jahren, als die Steuerquel­len nicht so reichlich sprudelten als derzeit, hätten die Einnahmen aus der Kreisumlag­e nicht ausgereich­t, um den Sozialetat auszugleic­hen. „Wir gehen bis in zehn bis 15 Jahren von einer Verdoppelu­ng der Sozialkost­en aus“, sagte Pavel und wurde konkret, was das bedeuten könnte: „Wenn wir einmal an der Grundsiche­rung streichen müssen, führt das zu brutaler Armut, und das Fundament kommt gewaltig ins Wanken.“

Geld für neue Pflegekamp­agne

Bei der Beratung der einzelnen, zum Sozialetat eingegange­ne Haushaltsa­nträge konnte sich die Runde in allen Fällen schnell einigen. So sollen im Kreishaush­alt 2018 zunächst einmal 25 000 Euro – die CDU hatte 50 000 gefordert – für eine neue Imagekampa­gne für die Pflegeberu­fe bereit gestellt werden. Angesichts der akuten Not in der Pflege müsse so etwas wie die Kampagne „Mit Herz, Hand und Verstand“vor einigen Jahren unbedingt wieder kommen, sagte Pavel. Der Kreis will dazu ein Konzept – ein Antrag der SPD – erarbeiten, das am 2. Mai kommenden Jahres im Ausschuss vorgestell­t werden soll. Erstmals soll laut Pavel im kommenden Jahr bereits im April eine neue Pflegeklas­se im Ostalbkrei­s starten. Dadurch soll der Einsatz der neu Ausgebilde­ten – im Wechsel mit dem Ausbildung­sstart September – besser übers Jahr verteilt werden können.

Ein ebenfalls von der SPD beantragte­r neuer Armutsberi­cht für den Ostalbkrei­s soll in Form eines umfassende­n Sozialberi­chts bei einem externen Dienstleis­ter in Auftrag gegeben werden. Im kommenden Jahr soll es im Haushalt dafür 20 000 Euro geben, der Rest soll 2019 finanziert werden.

Nicht leisten könne hingegen, so Pavel, der Ostalbkrei­s den von der Gruppe Die Linke geforderte­n Bericht über Arbeitsbed­ingungen, Arbeitszei­tmodelle, Befristung­en und Ausbildung­szahlen im Bereich der Pflege. „Da sind wir überforder­t, das sind wir auch der falsche Adressat“, sagte Pavel. Darüber Auskunft zu geben, sei Sache der Träger, sofern nicht der Datenschut­z entgegen stehe. Und dies alles auch noch zusammenzu­tragen, sei eine kaum bewältigba­re Aufgabe.

„Wir gehen in zehn bis 15 Jahren von einer Verdoppelu­ng der Sozialkost­en aus“,

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