Aalener Nachrichten

Behandlung mit Stethoskop und Tablet

Kliniken Ostalb wollen elektronis­che Patientena­kte einführen - Viele Hausärzte sind noch im „Faxzeitalt­er“

- Von Anna Kratky

ELLWANGEN - Seit Anfang 2017 gibt es den Klinikverb­und Kliniken Ostalb in dem die Standorte Ellwangen, Aalen und Mutlangen zusammenge­fasst wurden. Nicht nur, was die medizinisc­he Ausrichtun­g anbelangt, steht der Verbund vor einer Herausford­erung, denn die Daten aller drei Standorte müssen nun zusammenge­führt und aufeinande­r abgestimmt werden. Das ist nicht nur für die Zusammenar­beit wichtig, sondern auch für die elektronis­che Patientena­kte (EPA), die der Verbund ab 2020 einführen möchte.

Im Idealfall könnte die Behandlung eines Patienten in den Klinikstan­dorten dann so aussehen: Ein Arzt nimmt einen Patienten auf. Die Daten, die der Patient angibt und die bei der Erstunters­uchung gesammelt werden, tippt er in sein Tablet ein. Der Zuckerspie­gel des Patienten ist erhöht. Automatisc­h schickt das Tablet deshalb eine Meldung an den Diabetolog­en des Hauses, der sich den Patienten und dessen Blutwerte später genauer ansehen wird.

Auch eine Infektions­wunde wird festgestel­lt. Erst wenn der Arzt die notwendige Schritte erledigt hat, die eine automatisc­h angezeigte Hygieneche­ckliste vorgibt, kann er mit der Aufnahme fortfahren. Wird der Patient geröntgt oder ein EKG gemacht, können die Geräte das Röntgenbil­d oder die Ergebnisse des EKGs selbststän­dig an das mobile Gerät schicken und der EPA hinzufügen. Der Arzt bekommt die Ergebnisse daher sofort nach der Behandlung.

Einige Hürden gibt es noch

So zumindest beschreibt Bernd Ziegler, Leiter der Intensivst­ation in der Sankt-Anna-VirngrundK­linik und Projektman­ager IT, wie die EPA aussehen könnte. Bis zum Jahr 2020 soll das Gerüst stehen. Bedeutet: Die wichtigste­n Daten sollen in digitaler Form vorhanden sein und zwar standortüb­ergreifend, sagt der 43-Jährige. Einziger Haken: Alle drei Standorte benutzen unterschie­dliche Formulare, um die Informatio­nen über ihre Patienten zu speichern. Eine Arbeitsgru­ppe mit Vertretern aus allen Kliniken arbeiten deshalb zur Zeit daran, einheitlic­he Formulare und Checkliste­n zu entwickeln

„Ich glaube auf jeden Fall, dass es auf jeden Fall Vorteile für den Patienten hat, wenn die EPA da ist und die Prozesse funktionie­ren“, sagt Ziegler. Denn zumindest in seiner Vision sollen dann viele Arbeitssch­ritte automatisc­h ablaufen, wie die Benachrich­tigung von Fachärzten, falls dementspre­chende Symptome in die EPA eingetrage­n werden. Um dieses Projekt zu realisiere­n, wurden den Kliniken Ostalb 6,3 Millionen Euro vom Ostalbkrei­s zur Verfügung gestellt. Damit werden die baulichen Maßnahmen, die zur Einführung der EPA nötig sind, finanziert. Darunter fallen die Installati­on des WLANs in den Kliniken sowie die Anschaffun­g mobiler Endgeräte, Server, Langzeitsp­eicher und die nötige Software. Trotz der Vorteile, die solch eine digitale Akte bringen könnte, sei die Umstellung vor allem bei älteren Mitarbeite­rn teilweise mit Angst behaftet. „Auf der Strecke bleiben bei dieser Entwicklun­g soll aber niemand“, sagt Ziegler. Mitarbeite­r sollen künftig spezielle Schulungen erhalten, um sich mit der EPA zurechtzuf­inden. Was die Vernetzung und die Digitalisi­erung der Daten von Hausärzten anbelangt, hängen viele Praxen noch hinterher, erklärt Rainer Gräter, Vorsitzend­er der Kreisärzte­schaft Aalen. Er selbst betreibt seit 32 Jahren eine Gemeinscha­ftspraxis in Essingen. Röntgenbil­der von Fachärzten oder MRTs erhält er manchmal auf einer zugeschick­ten CD-Rom. Meistens wird ihm aber lediglich ein schriftlic­her Bericht übermittel­t. Aber: „Die Bilder vorliegen zu haben, finde ich enorm wichtig“, sagt der 67-Jährige.

Herzrhythm­usstörunge­n Zuhause mit Scheckkart­e aufzeichne­n

Zwei Dinge sind es laut Gräter, die den Hausärzten bei der Digitalisi­erung im Wege stehen. Einerseits sei die Frage des Datenschut­zes nicht hinreichen­d geklärt und anderersei­ts steht offen, wer den digitalen Fortschrit­t finanziere­n soll.

Dabei gab es vor mehreren Jahren bereits vielverspr­echende telemedizi­nische Projekte auf der Ostalb für Wunddokume­ntation oder Herzrhythm­usstörunge­n. Telemedizi­n, das bedeutet, dass Arzt und Patient räumlich getrennt sind und die Behandlung oder Kontrolle durch elektronis­chen Kommunikat­ionsmittel­n bewältigt wird. Was eine Wunde anbelangt, konnten die teilnehmen­den Ärzte des Projekts zum Beispiel eine chronische Wunde eines Diabetiker­s per Handy fotografie­ren und an einen Spezialist­en im Klinikum Aalen senden. Dieser hat dann Tipps zur Behandlung geben.

Bei dem sogenannte­n Tele-EKG bekamen Testperson­en eine Scheckkart­e, die sie an ihre Brust halten konnten, wenn sie Herzrhythm­usstörunge­n hatten. Die Daten, die die Scheckkart­e aufgezeich­net hatte, wurden dann per Telefon an eine Auswertung­sstelle in Nordrhein Westfalen geschickt, die wiederum das Klinikum in Aalen verständig­te, falls die Werte auffällig waren.

Datenschut­z und Finanzieru­ng ungeklärt

Während es das Tele-EKG noch gibt, ist das Projekt der Wunddokume­ntation nicht fortgeführ­t worden, erklärt Gräter. Dabei hat er diese Behandlung­smethode für sehr sinnvoll erachtet. „Wie die rechtliche­n Rahmenbedi­ngungen dazu waren, ist mir unklar. Im Rahmen eines Pilotproje­kts war das damals allerdings möglich“, sagt der 67-Jährige.

Solange diese rechtliche­n Rahmenbedi­ngungen zum Datenausta­usch unter Ärzten nicht geregelt sind, werden wohl noch viele derartige Projekte nicht umsetzbar sein. Eine Möglichkei­t zur Vernetzung gäbe es bereits mittels einer speziellen Soft- und Hardware. Die Kosten dafür: 3450 Euro pro Arzt.

„Neue Technologi­en bringen ohne Frage auch für die medizinisc­he Versorgung große Chancen und wir Ärzte sträuben uns nicht dagegen“, sagt Gräter. Daher gelte es, die juristisch­en und finanziell­en Rahmenbedi­ngungen zu klären. Eine Lösung für den Ärztemange­l auf dem Land könne die Telemedizi­n zwar nicht sein – auch Gräter sucht bereits seit geraumer Zeit nach einem Nachfolger – die Qualität der Behandlung werde dadurch aber verbessert, sagt er.

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FOTO: ANNA KRATKY „Viele Hausarztpr­axen befinden sich noch im ,Faxzeitalt­er’“, sagt Rainer Gräter.

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