Behandlung mit Stethoskop und Tablet
Kliniken Ostalb wollen elektronische Patientenakte einführen - Viele Hausärzte sind noch im „Faxzeitalter“
ELLWANGEN - Seit Anfang 2017 gibt es den Klinikverbund Kliniken Ostalb in dem die Standorte Ellwangen, Aalen und Mutlangen zusammengefasst wurden. Nicht nur, was die medizinische Ausrichtung anbelangt, steht der Verbund vor einer Herausforderung, denn die Daten aller drei Standorte müssen nun zusammengeführt und aufeinander abgestimmt werden. Das ist nicht nur für die Zusammenarbeit wichtig, sondern auch für die elektronische Patientenakte (EPA), die der Verbund ab 2020 einführen möchte.
Im Idealfall könnte die Behandlung eines Patienten in den Klinikstandorten dann so aussehen: Ein Arzt nimmt einen Patienten auf. Die Daten, die der Patient angibt und die bei der Erstuntersuchung gesammelt werden, tippt er in sein Tablet ein. Der Zuckerspiegel des Patienten ist erhöht. Automatisch schickt das Tablet deshalb eine Meldung an den Diabetologen des Hauses, der sich den Patienten und dessen Blutwerte später genauer ansehen wird.
Auch eine Infektionswunde wird festgestellt. Erst wenn der Arzt die notwendige Schritte erledigt hat, die eine automatisch angezeigte Hygienecheckliste vorgibt, kann er mit der Aufnahme fortfahren. Wird der Patient geröntgt oder ein EKG gemacht, können die Geräte das Röntgenbild oder die Ergebnisse des EKGs selbstständig an das mobile Gerät schicken und der EPA hinzufügen. Der Arzt bekommt die Ergebnisse daher sofort nach der Behandlung.
Einige Hürden gibt es noch
So zumindest beschreibt Bernd Ziegler, Leiter der Intensivstation in der Sankt-Anna-VirngrundKlinik und Projektmanager IT, wie die EPA aussehen könnte. Bis zum Jahr 2020 soll das Gerüst stehen. Bedeutet: Die wichtigsten Daten sollen in digitaler Form vorhanden sein und zwar standortübergreifend, sagt der 43-Jährige. Einziger Haken: Alle drei Standorte benutzen unterschiedliche Formulare, um die Informationen über ihre Patienten zu speichern. Eine Arbeitsgruppe mit Vertretern aus allen Kliniken arbeiten deshalb zur Zeit daran, einheitliche Formulare und Checklisten zu entwickeln
„Ich glaube auf jeden Fall, dass es auf jeden Fall Vorteile für den Patienten hat, wenn die EPA da ist und die Prozesse funktionieren“, sagt Ziegler. Denn zumindest in seiner Vision sollen dann viele Arbeitsschritte automatisch ablaufen, wie die Benachrichtigung von Fachärzten, falls dementsprechende Symptome in die EPA eingetragen werden. Um dieses Projekt zu realisieren, wurden den Kliniken Ostalb 6,3 Millionen Euro vom Ostalbkreis zur Verfügung gestellt. Damit werden die baulichen Maßnahmen, die zur Einführung der EPA nötig sind, finanziert. Darunter fallen die Installation des WLANs in den Kliniken sowie die Anschaffung mobiler Endgeräte, Server, Langzeitspeicher und die nötige Software. Trotz der Vorteile, die solch eine digitale Akte bringen könnte, sei die Umstellung vor allem bei älteren Mitarbeitern teilweise mit Angst behaftet. „Auf der Strecke bleiben bei dieser Entwicklung soll aber niemand“, sagt Ziegler. Mitarbeiter sollen künftig spezielle Schulungen erhalten, um sich mit der EPA zurechtzufinden. Was die Vernetzung und die Digitalisierung der Daten von Hausärzten anbelangt, hängen viele Praxen noch hinterher, erklärt Rainer Gräter, Vorsitzender der Kreisärzteschaft Aalen. Er selbst betreibt seit 32 Jahren eine Gemeinschaftspraxis in Essingen. Röntgenbilder von Fachärzten oder MRTs erhält er manchmal auf einer zugeschickten CD-Rom. Meistens wird ihm aber lediglich ein schriftlicher Bericht übermittelt. Aber: „Die Bilder vorliegen zu haben, finde ich enorm wichtig“, sagt der 67-Jährige.
Herzrhythmusstörungen Zuhause mit Scheckkarte aufzeichnen
Zwei Dinge sind es laut Gräter, die den Hausärzten bei der Digitalisierung im Wege stehen. Einerseits sei die Frage des Datenschutzes nicht hinreichend geklärt und andererseits steht offen, wer den digitalen Fortschritt finanzieren soll.
Dabei gab es vor mehreren Jahren bereits vielversprechende telemedizinische Projekte auf der Ostalb für Wunddokumentation oder Herzrhythmusstörungen. Telemedizin, das bedeutet, dass Arzt und Patient räumlich getrennt sind und die Behandlung oder Kontrolle durch elektronischen Kommunikationsmitteln bewältigt wird. Was eine Wunde anbelangt, konnten die teilnehmenden Ärzte des Projekts zum Beispiel eine chronische Wunde eines Diabetikers per Handy fotografieren und an einen Spezialisten im Klinikum Aalen senden. Dieser hat dann Tipps zur Behandlung geben.
Bei dem sogenannten Tele-EKG bekamen Testpersonen eine Scheckkarte, die sie an ihre Brust halten konnten, wenn sie Herzrhythmusstörungen hatten. Die Daten, die die Scheckkarte aufgezeichnet hatte, wurden dann per Telefon an eine Auswertungsstelle in Nordrhein Westfalen geschickt, die wiederum das Klinikum in Aalen verständigte, falls die Werte auffällig waren.
Datenschutz und Finanzierung ungeklärt
Während es das Tele-EKG noch gibt, ist das Projekt der Wunddokumentation nicht fortgeführt worden, erklärt Gräter. Dabei hat er diese Behandlungsmethode für sehr sinnvoll erachtet. „Wie die rechtlichen Rahmenbedingungen dazu waren, ist mir unklar. Im Rahmen eines Pilotprojekts war das damals allerdings möglich“, sagt der 67-Jährige.
Solange diese rechtlichen Rahmenbedingungen zum Datenaustausch unter Ärzten nicht geregelt sind, werden wohl noch viele derartige Projekte nicht umsetzbar sein. Eine Möglichkeit zur Vernetzung gäbe es bereits mittels einer speziellen Soft- und Hardware. Die Kosten dafür: 3450 Euro pro Arzt.
„Neue Technologien bringen ohne Frage auch für die medizinische Versorgung große Chancen und wir Ärzte sträuben uns nicht dagegen“, sagt Gräter. Daher gelte es, die juristischen und finanziellen Rahmenbedingungen zu klären. Eine Lösung für den Ärztemangel auf dem Land könne die Telemedizin zwar nicht sein – auch Gräter sucht bereits seit geraumer Zeit nach einem Nachfolger – die Qualität der Behandlung werde dadurch aber verbessert, sagt er.