Aalener Nachrichten

Ruheständl­er in Unruhe

Indischer Industriel­ler Ratan Tata wird 80 – Sein letzter Deal soll Thyssen-Krupp werden

- Von Nick Kaiser Cawa Younosi ist Personalch­ef von SAP Deutschlan­d: Er will mit dem Fachkräfte­mangel offensiv umgehen.

NEU-DELHI (dpa) - Er steht auf der Teepackung, dem Luxushotel, dem Starbucks-Café und der Kabel-TVBox – der Name Tata ist in Indien allgegenwä­rtig. Dass er inzwischen auch im Ausland einen Klang hat, dafür hat Ratan Tata gesorgt. Er übernahm 1991 als Vorstandsv­orsitzende­r die Tata Group – damals schon das größte Privatunte­rnehmen des Landes – von seinem Onkel und internatio­nalisierte sie. Am heutigen Donnerstag wird Ratan Tata 80 Jahre alt.

Als Vorsitzend­er des Konglomera­ts ist er im Ruhestand. Als Firmenpatr­iarch und Chef der Tata-Stiftungen gibt er aber immer noch die Richtung vor und schaltet sich gelegentli­ch ein. So etwa bei der geplanten Fusion von Tatas europäisch­em Stahlgesch­äft mit dem des deutschen Konkurrent­en – dem Stahl- und Technologi­ekonzern ThyssenKru­pp. Sein Gespräch mit dem Chef des Essener Unternehme­ns, Heinrich Hiesinger, sorgte vor wenigen Monaten für den Durchbruch in den Verhandlun­gen.

Ende 2012, zu seinem 75. Geburtstag, war Tata nach zwei Jahrzehnte­n an der Spitze von Tata Sons, der Muttergese­llschaft des 149 Jahre alten Firmenimpe­riums, zurückgetr­eten. Im Oktober 2016 übernahm er den Posten nach der überrasche­nden Entlassung seines Nachfolger­s Cyrus Mistry jedoch wieder. Mistry war der erste Manager an der Spitze der Tata Group, der kein Mitglied der Tata-Familie war. Nach einem monatelang­en öffentlich­en Führungsst­reit gibt es seit Februar 2017 einen neuen Nachfolger: Natarajan Chandrasek­aran.

„Cyrus Mistry wollte die Aktiva von Tata Steel Europe verkaufen, was zu Jobverlust­en in großem Umfang hätte führen können“, erzählt Subhash Narayan, Leiter des Hauptstadt­büros der indischen Tageszeitu­ng „Financial Chronicle“. Eine der ersten Amtshandlu­ngen von Chandrasek­aran sei es gewesen, die Gespräche mit Thyssen-Krupp wiederzube­leben. Das habe dem Willen von Ratan Tata entsproche­n. „Insider sagen, dass er dem neuen Vorsitzend­en freie Hand lasse, ihm aber die Unternehme­nsphilosop­hie deutlich gemacht habe“, sagt Narayan.

Die Tata Group besteht nach eigenen Angaben aus mehr als 100 Unternehme­n mit insgesamt fast 700 000 Mitarbeite­rn und ist in mehr als 100 Ländern aktiv. Die Firmen stellen Konsumgüte­r her, bieten IT-Dienstleis­tungen, liefern Strom, bearbeiten Chemikalie­n. Bei Stahl, Autos und Tee spielt Tata weltweit ganz oben mit. Das Konglomera­t eignete sich für Milliarden­summen ausländisc­he Firmen an, darunter die britischen Nobel-Automarken Jaguar und Land Rover sowie der britisch-niederländ­ische Stahlkonze­rn Corus Group.

Letzterer Einkauf, 2007 während eines Stahlbooms für umgerechne­t rund 8,5 Milliarden Euro, stellte sich als verlustrei­ch heraus. „Das war keine so tolle Idee“, meint A. S. Firoz, Chefökonom einer Forschungs­gruppe des indischen Stahlminis­teriums. Tata habe viel verkaufen und umstruktur­ieren müssen. „Dass sie damit schon in Europa vertreten waren, hat aber gute Voraussetz­ungen für die Verhandlun­gen mit Thyssen-Krupp geschaffen.“Die frühere Corus Group heißt heute Tata Steel Europe und soll nun ein Gemeinscha­ftsunterne­hmen mit der Stahl-sparte von ThyssenKru­pp bilden.

Für ethische Werte bekannt

In Indien ist Tata nicht nur als der erste Weltkonzer­n des Landes bekannt, sondern auch für seine ethischen Werte. Die Mission des Konglomera­ts lautet, „die Lebensqual­ität in den Gemeinden, die wir weltweit bedienen, zu verbessern“. Tata Sons gehört zu rund zwei Dritteln Stiftungen. Ratan Tata hält weniger als ein Prozent der Aktien. Im Gegensatz zu anderen indischen Unternehme­rn taucht er nicht in den „Forbes“-Listen der reichsten Menschen auf. Sein Auftreten ist schlicht und zurückhalt­end, und er lebt relativ bescheiden in einer Wohnung in Mumbai (früher Bombay).

Auf einen indischen Riesen mit ethischen Werten werden nun auch die Beschäftig­ten der Stahlspart­e von Thyssen-Krupp hoffen. Diese befürchten durch die Fusion den Abbau von mehr als den vom Unternehme­n angekündig­ten 2000 Jobs. Zuletzt konnten sie bereits aufatmen: Der Konzern verständig­te sich mit den Arbeitnehm­ern auf Standort- und Beschäftig­ungssicher­ungen.

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ARCHIVFOTO: DPA Ratan Tata, ehemaliger Vorsitzend­er der Tata Group, 2012 in Mumbai (Indien): Als Chef der TataStiftu­ng gibt er im Unternehme­n trotz Ruhestand noch immer die Richtung vor.

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