„Im Schweinebereich ist Musik drin“
Wilhelm Pflanz informiert über Chancen und Risiken ökologischer Landwirtschaft
BOPFINGEN - Biobauern beackern keine Nische mehr, sondern einen Wachstumsmarkt. So die Ansicht von Wilhelm Pflanz, Professor für ökologische Landwirtschaft an der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf. Auf Einladung der Bopfinger Bank SechtaRies hat er Chancen und Risiken der ökologischen Betriebsweise erläutert.
Bankvorstand Franz Zekl eröffnete die Veranstaltung in der Schranne, die sich traditionell zum Jahresbeginn Agrarthemen widmet, mit Gedanken zum Thema Motivation. Bopfingens Erster Beigeordneter Andreas Rief sprach ein Grußwort, ehe Pflanz, der auch Landwirt in Walxheim ist, in einem umfassenden Vortrag über Biolandwirtschaft informierte.
So wirtschaftet derzeit fast jeder zehnte Betrieb in Deutschland nach Öko-Standards – insgesamt sind es 24 736. Sie bewirtschaften mit einer Million Hektar zwar nur 7,5 Prozent der Agrarfläche, die Tendenz ist aber stetig steigend. Gerade in Süddeutschland, wo kaufkräftige Verbraucher Bioprodukte nachfragen, hält Pflanz einen Anteil von 20 Prozent für möglich, wie ihn die Bundesregierung deutschlandweit anstrebt. Damit könnte langfristig das Niveau Österreichs erreicht werden, wo bereits 21,3 Prozent der Fläche ökologisch bewirtschaftet werden. Bayern mit 7460 und Baden-Württemberg mit 7130 Betrieben sind bundesweit führend.
Was unterscheidet die biologische von der konventionellen Landwirtschaft? Vor allem die starke Orientierung am Tierwohl und der weitgehende Verzicht auf Pestizide und Kunstdünger. Weniger Betriebsmittel, die zugekauft werden müssen, bedeuten einerseits mehr Unabhängigkeit für die Bauern. Andererseits steigt das Risiko schlechter Erträge, wenn Mineralöldüngung und Pestizideinsatz nicht möglich sind. In der ökologischen Rinderzucht müssen die Kälber drei Monate lang Milch bekommen – keinen Milchaustauscher. Mindestflächen und Zugang zur Weide werden ebenso kontrolliert wie das Futter, das ökologisch erzeugt werden muss. In der Rinderzucht müssen 60 Prozent des Futters aus dem eigenen Betrieb stammen. Für ökologische Futterproduktion sieht Pflanz in Deutschland großes Potenzial: „Bio-Futter wird derzeit zu einem Drittel importiert, vor allem aus Osteuropa.“
„Es ist nicht mehr wie bei den Ökopionieren vor 40 Jahren“, sagt Pflanz: Es gibt einen Markt für Bioprodukte. Nicht mehr nur Naturkostläden und Selbstvermarkter, auch Supermärkte und Discounter setzen auf bio. Jedes zehnte verkaufte Ei in Deutschland ist ein Bio-Ei. Allerdings rät Pflanz Landwirten, bei Eiern besonders auf die Vermarktung zu achten: Zehn Bioeier kosteten im Discounter zuletzt 2,56 Euro, im Fachgeschäft 4,10 Euro. Wie sich die Vertriebskanäle in Zukunft entwickeln, könne man schwer vorhersagen, so Pflanz. Das beschäftigt Landwirte, die von konventioneller auf biologische Landwirtschaft umsatteln. Denn die vorgeschriebene Umstellungszeit beträgt zwischen sechs Monaten bei Milchviehhaltung und zwei Jahren bei Getreidebau.
Das umsatzstärkste Bioprodukt in Deutschland ist die Milch: 352 Millionen Euro wurden damit 2015 umgesetzt – Tendenz steigend. Vom gesamten Milchumsatz sind das nur 2,5 Prozent, weshalb Pflanz noch Spielraum sieht. Besonders viele Landwirte seien Ende 2015, als die Milchpreise im Keller waren, auf bio umgestiegen. Pflanz warnt aber: Ökologische Produkte erzielten zwar höhere Endpreise, kosteten in der Herstellung aber auch mehr.
„Im Schweinebereich ist Musik drin“, sagt Pflanz. Er meint damit: Dass mit derzeit 19 800 Tonnen nur rund 0,4 Prozent des deutschen Schweinefleischs ökologisch erzeugt würden, sei zu wenig. Der Umstieg auf bio sei für Schweinezüchter zwar aufwendiger, könnte sich aber wegen der guten Marktchancen lohnen. Die Verbraucherpreise für Schlachtschweine betrugen zuletzt pro Kilo Schlachtgewicht 3,81 Euro bei Bio-Erzeugung, 1,74 Euro bei konventioneller Erzeugung.
Für die Ökolandwirtschaft spricht laut Pflanz die Aussicht, dass Agrarfördergelder künftig verstärkt in Umweltund Tierschutzmaßnahmen fließen. Jedoch sorge die aktuelle Totalrevision der EU-Ökoverordnung für Verunsicherung. Werde das Regelwerk wie geplant verändert, dann entscheidet künftig nicht mehr hauptsächlich die Produktionsweise über das Bio-Siegel für die Betriebe, sondern die Erzeugnisse: Diese müssten mit möglichst wenig Rückständen belastet sein. „Ein Ökoloandwirt muss nun für Rückstände haften, die er gar nicht selbst verantwortet“, merkt Pflanz kritisch an.