Aalener Nachrichten

„Ein Quäntchen Verantwort­ung“

Donots-Sänger Ingo Knollmann über politische­s Engagement und das neue Album

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Deutliche Sprache in plakativen Zeiten: Warum die Donots auf ihrem neuen Album „Lauter als Bomben“klare Ansagen in Richtung rechts machen, weshalb die Truppe von jeder deutschen Band ein Stück Verantwort­ung einfordert und zu welchen Künstlern sie ein besonders gutes Verhältnis haben, erklärt Sänger Ingo Knollmann im Interview mit Marvin Weber.

Ingo, durch Veröffentl­ichung auf Solitary Man, dem eigenen Label, habt ihr wieder mehr Freiheiten. Bedeutet das aber auch mehr Stress?

Das ist für uns nichts Fremdes. Wir haben, als wir mit der Band Anfang der 1990er-Jahre angefangen haben, komplett in Eigenregie gearbeitet: vom Booking bis zur Plattenver­öffentlich­ung. Jetzt haben wir uns zur Unterstütz­ung drei Leute mit ins Boot geholt, um das Projekt anzugehen. Die Trennung von Universal bringt auf jeden Fall aber auch mehr Freiheiten mit sich. Wir sind zum Beispiel deutlich liberaler, was die Veröffentl­ichung unserer Musik im Internet angeht.

Ihr setzt mit dem elften Album euren Kurs auf Deutsch, den ihr seit 2015 angesteuer­t habt, weiter fort. Fühlt sich das besser an als Englisch?

Im Moment fühlt es sich einfach wie die logische Konsequenz aus den vergangene­n Jahren an. Das Feedback zu „Karacho“war einfach unglaublic­h gut. Viele haben gesagt, dass es die Platte gewesen ist, auf die sie 20 Jahre lang gewartet haben. Für uns hat es einfach auch wahnsinnig viel frischen Wind in den Proberaum gepustet. Das kannst du dir nach mehr als 23 Jahren Bandbesteh­en nicht kaufen.

Sind damit englische Songs für immer passé?

„Karacho“haben wir auch auf Englisch veröffentl­icht. Am liebsten würde ich das jetzt immer machen.

Ihr seid auch weiterhin sehr direkt und politisch auf „Lauter als Bomben“. Sind direkte Botschafte­n vielleicht auch einfacher in der Mutterprac­he?

In unglaublic­h plakativen Zeiten, in denen ein Trottel wie Donald Trump in 140 Zeichen pro Tag Politik betreibt und in denen Überschrif­ten wichtiger sind als der Inhalt, können wir auch in Großbuchst­aben schreiben. Deswegen war mir auf dieser Platte die noch direktere Ansprache ein großes Anliegen. Bei „Karacho“war es eigentlich so, dass ich das „Schwimmen“, also Texte auf Deutsch zu schreiben, noch einmal komplett neu lernen musste. Mittlerwei­le kann ich mich aber schon ganz gut über Wasser halten, um im Bild zu bleiben.

Songs wie „Rauschen“enthalten deutliche Kampfansag­en in Richtung rechts.

Wir reiten da ja nicht auf einer Welle mit, nur weil es sich besser verkaufen würde. Wenn man Leute erreichen kann, dann sollte man auch Flagge zeigen und im Zweifel auch plakativ werden. Wenn momentan überall Rechtspopu­listen unterwegs sind, bin ich gerne auch der Linkspopul­ist mit dem Mikro in der Hand. Trotzdem sehe ich es gewisserma­ßen als soziale Agenda, auf aktuelle Verfehlung­en oder Missstände im Land aufmerksam zu machen. Ich finde zum Beispiel, dass man mit gesundem Menschenve­rstand keine Grenzen schließen kann.

Wie viel kann Musik dabei helfen? Wie viel muss die Politik unternehme­n, damit Parteien wie die AfD nicht Ergebnisse wie bei der Bundestags­wahl einfahren können?

Dass die AfD jetzt in so viele Parlamente eingezogen ist, hat mit einer großen Politikver­drossenhei­t zu tun. Das könnte man als Protestwah­l sehen, ähnlich wie bei der Brexit-Entscheidu­ng. Ich glaube, dass Politiker besonders die jüngeren Generation­en nicht richtig erreichen. Da sind dann halt eher Bands oder Künstler gefragt, die diese Zielgruppe vielleicht besser erreichen. Neben Eskapismus und Entertainm­ent kann man von jeder Band ein kleines Quäntchen Verantwort­ung einklagen.

Und das auch einmal durch Aktionen wie beim „Bundesvisi­on Song Contest“, wo ihr euch mit klaren Worten gegen Rassismus und Flüchtling­shetze ausgesproc­hen habt?

Ich kann auch sagen, wie das damals gelaufen ist. Eigentlich wollten wir dort gar nicht hin, weil wir nicht auf solche Events stehen und dort Künstler auftreten, mit denen wir sonst eher weniger zu tun haben. Ein Kompromiss für uns war, dass wir bei dem Live-Auftritt eine deutliche Ansage machen wollten. In der Probe habe ich die Ansage dann zum Besten gegeben, worauf es erst kurz Unstimmigk­eiten mit ProSieben gab und sie uns vom Contest ausschließ­en wollten. Einige Minuten nach unserem Auftritt hat ProSieben sich mit unserem politische­n Statement profiliert.

Zurück zur Musik: Im Vergleich zu „Karacho“seid ihr poppiger und facettenre­icher geworden. Eine bewusste Entscheidu­ng?

Es war eine bewusste Entscheidu­ng, sich nicht zu limitieren. Die Zusammenar­beit mit Kurt Ebelhäuser hat dafür gesorgt, sich von bestimmten Songkorset­ts zu lösen. So kann ich das Riff, das mir besonders gut gefallen hat, auch zwei oder drei Mal spielen. Anfang der 2000er-Jahre, als wir noch klassische­n Pop-Punk gemacht haben, sind wir viel mehr auf Richtlinie­n oder Songlängen, die besonders gut im Radio gespielt wurden, eingegange­n.

Wie schwer war es überhaupt, nach einem der wichtigste­n Alben eurer Schaffensz­eit wieder völlig frei ins Studio zu gehen?

Wenn man sich die Zahlen anschaut, hätte der Druck unglaublic­h hoch sein müssen. Das war aber überhaupt nicht der Fall. Wir sind mit dem guten Feedback von der Tour zu „Karacho“und einer großen Euphorie sehr bestätigt wieder ins Studio gegangen. Das neue Album ist aber eher Stück für Stück entstanden, bereits während wir mit „Karacho“auf Tour waren. Dadurch ist nicht wirklich Druck entstanden.

Bei „Gegenwinds­urfen“ist Turbostaat-Sänger Jan Windmeier zu hören, wie kam es dazu?

Das ist mittlerwei­le eine liebgewonn­ene Tradition, dass wir auf unseren Alben befreundet­e Bands dabeihaben. Turbostaat ist meine liebste deutsche Band. Als das Grundgerüs­t des Songs und der sehr markante Gitarrenab­schnitt fertig waren, klang es so sehr nach Turbostaat, dass Jan unbedingt bei dem Song dabei sein musste.

Zu welchen deutschen Bands habt ihr ein besonderes Verhältnis?

Wir verstehen uns mit vielen Bands sehr gut: Ob die Toten Hosen, die Ärzte, die Sportfreun­de Stiller, Kettcar, Adam Angst, Itchy Poopzkid – das ist eigentlich immer wie ein großes Klassentre­ffen. Eigentlich wäre es cool, eine deutsche „Vans Warped Tour“zu organisier­en. Ich mag es momentan sehr, wie facettenre­ich deutsche Punk- und Rockmusik ist.

Live: 8.3. München, Tonhalle; 9.3. Karlsruhe, Substage; 10.3. CHZürich, Dynamo; 9. -10.6. München, Rockavaria; 22. - 24.6. Neuhausen ob Eck, Southside u.a. mit Prodigy, Arcade Fire, Billy Talent, Marteria, Kraftklub, Broilers und Biffy Clyro.

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FOTO: DENNIS DIRKSEN Ingo Knollmann (Mitte) hat kein Problem „Linkspopul­ist mit dem Mikro“zu sein.

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