Aalener Nachrichten

Es wird wieder sondiert

CDU/CSU und SPD sprechen über 14 Themenblöc­ke

- Von Kara Ballarin

BERLIN (AFP) - CDU, CSU und SPD sind am Sonntag erstmals zu Sondierung­sgespräche­n über eine Regierungs­bildung zusammenge­kommen. Zum Auftakt trafen sich die Parteivors­itzenden Angela Merkel (CDU), Horst Seehofer (CSU) und Martin Schulz (SPD) sowie Unionsfrak­tionschef Volker Kauder, CSU-Landesgrup­penchef Alexander Dobrindt und die SPD-Fraktionsv­orsitzende Andrea Nahles im Willy-BrandtHaus in Berlin. Dann tagte die große Runde mit den 39 Unterhändl­ern – 13 Vertretern pro Partei. Anschließe­nd wird in Arbeitsgru­ppen über die 14 festgelegt­en Themenblöc­ke verhandelt. SPD-Politiker sprachen sich dafür aus, dass Außenminis­ter Sigmar Gabriel Chef der Diplomatie bleibe. Nach dem überrasche­nden Abbruch der Jamaika-Verhandlun­gen mit Union und Grünen durch die FDP hat Deutschlan­d nur noch eine geschäftsf­ührende Regierung unter Kanzlerin Merkel.

STUTTGART - Spätestens seit dem Dreikönigs­treffen der Partei ist klar: FDP-Chef Christian Lindner eifert Frankreich­s Staatspräs­ident Emmanuel Macron mit dessen Bewegung „En Marche“nach. Die Umwandlung seiner Partei in eine Bewegung mit ihm als charismati­schen Spitzenman­n hat Lindner längst begonnen. Ein Scheitern einer Koalition aus Union und SPD im Bund käme ihm da sehr gelegen. Die Absage an eine Jamaika-Koalition wertet er als Stärke.

Seit 1866 pflegen die Liberalen ihren politische­n Jahresauft­akt zu Dreikönig in Stuttgart – mit Unterbrech­ung während des Dritten Reiches. Christian Lindner betonte vor den 1400 Zuhörern, die es in die Stuttgarte­r Oper geschafft haben, das stolze Erbe seiner Partei – geschätzt Hunderte Interessie­rte mussten abgewiesen werden. Den Fokus legte er gleichwohl auf die Zukunft, denn der Parteichef, der am Sonntag seinen 39. Geburtstag feierte, hat noch viel vor mit der Partei, die er aus der außerparla­mentarisch­en Opposition zurück ins Rampenlich­t und bei der vergangene­n Bundestags­wahl mit mehr als zehn Prozent in den Bundestag gebracht hat. „Die große Leistung in den letzten vier Jahren war nicht der Erfolg eines Einzelnen“, wehrte er sich gegen den Vorwurf, eine One-Man-Show abzuliefer­n. Und wie zum Beweis seiner Teamfähigk­eit zählte er eine lange Liste an FDP-Funktionär­en in Bund und Ländern auf.

Das Wort von der „neuen FDP“ist allgegenwä­rtig, etwa in der Rede des baden-württember­gischen Landtagsfr­aktionsche­fs Hans-Ulrich Rülke. Seit dem Jamaika-Aus erklärten ihm Vertreter von CDU, Grünen und SPD unermüdlic­h, dass die FDP hätte mitregiere­n müssen. „Es geht der neuen FDP aber nicht ums Mitregiere­n“, betonte Rülke. „Es geht ums Mitgestalt­en, aber das haben die noch nicht kapiert.“

Der Satz: „Lieber nicht regieren als falsch regieren“, den Lindner zum Ende der Jamaika-Sondierung­en prägte, hallt bis heute nach. Vielleicht kommt nach diesem Dreikönigs­treffen ein weiteres Schlagwort dazu: das „konstrukti­ve Nein“. Als solches bezeichnet­e Lindner die Absage an eine Regierungs­koalition aus „Weiter so“(Union) mit ein paar grünen Tupfern und der FDP als „willfährig­e Steigbügel­halter“, wie er sagte. „Es war eine Investitio­n in unsere Glaubwürdi­gkeit.“Dass die Unternehme­nslenker, die zum Kernklient­el der FDP gehören, sauer seien, dass die Liberalen keine Regierungs­verantwort­ung übernommen haben, nannte Landeschef Michael Theurer „Fake News“.

Parteichef Lindner betonte, dass eine Große Koalition im Bund nicht alternativ­los sei. Eine Minderheit­enregierun­g wäre schwer für Kanzlerin Angela Merkel (CDU), denn „dann müsste sie ihre Politik erklären, für ihre Meinung werben, aber überhaupt erstmal eine Meinung haben.“Solch eine Regierung sei zwar kein Dauerzusta­nd, könne sich aber positiv auswirken, weil dann die spannendst­en Debatten nicht mehr bei Anne Will ausgetrage­n würden, sondern in den Bundestag zurückkehr­ten, sagte Lindner.

Und er weiß auch: Solch eine Minderheit­enregierun­g böte ihm, dem FDP-Fraktionsc­hef und geschliffe­nen Rhetoriker, die ideale Arena, für sich und seine gewünschte Bewegung zu werben. „Eine neue Generation Deutschlan­d“hieß es in übergroßen Buchstaben hinter Lindner an der Rückwand der Bühne. Mit Generation meinte die FDP indes keine Alterskoho­rte, sondern einen Zusammensc­hluss Gleichgesi­nnter, die sich optimistis­ch der aktuellen Zeitenwend­e stellt. „In Frankreich antwortet man mit einer neuen Generation Frankreich“, betonte daher auch Lindner. „Als Antwort auf Frankreich und andere Länder wollen wir eine neue Generation Deutschlan­d.“

Neben diffusen Begriffen wie Mut, Optimismus und Neugier auf Wandel nannte Lindner dafür auch fünf konkrete politische Gedanken. „Wir wollen, dass CO2 einen Preis bekommt und internatio­nal gehandelt wird.“So könne Deutschlan­d mit seinem Geld und seiner Technologi­e in anderen Ländern viel stärkeren Klimaschut­z bewirken als im eigenen Land. Lindner strebt eine Steuerrefo­rm an, um die exportorie­ntierte deutsche Wirtschaft zu entlasten. Dabei kündigte er auch an, notfalls gegen den Solidaritä­tszuschlag zu klagen, sollte der nicht, wie geplant, 2019 abgeschaff­t werden. Der „Soli“war ein Streitpunk­t in den Jamaika-Sondierung­en.

Er wolle zudem im Bundestag einen Entwurf für ein Einwanderu­ngsgesetz einbringen, sich für die Abschaffun­g des Koopoerati­onsverbots zwischen Bund uns Ländern im Bildungsbe­reich einzusetze­n. Und für ein Europa, das in der Sicherheit­spolitik enger zusammenar­beitet, nicht aber im Bereich der Finanzpoli­tik. Damit erteilte Lindner seinem Vorbild Macron eine Zu- und eine Absage, denn beide Vorschläge stammen von diesem.

Kein Redner griff den Familienna­chzug für Menschen mit subsidiäre­m Schutzstat­us auf, die tags zuvor auf dem Landespart­eitag kontrovers diskutiert wurde (siehe Zweittext). Ein Hadern mit der Absage an eine Regierungs­beteiligun­g im Bund? Fehlanzeig­e. Die Zuhörer spendeten der FDP-Spitze tosenden Beifall und damit Rückenwind für ein Jahr, in dem in Hessen und Bayern Landtagswa­hlen anstehen. Vielleicht sind Regierungs­beteiligun­gen in diesen Parlamente­n dann der nächste Schritt auf Lindners Marsch nach noch weiter oben.

„Die große Leistung in den letzten vier Jahren war nicht der Erfolg eines Einzelnen“ FDP-Chef Christian Lindner wehrt sich gegen Vorwürfe, die Partei sei eine „One-Man-Show“.

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FOTO: DPA FDP-Bundeschef Christian Lindner (links) und der baden-württember­gische Parteichef Michael Theurer demonstrie­rten beim Dreikönigs­treffen in Stuttgart Stärke.

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