Aalener Nachrichten

Per Autopilot durch die City

Problemlos parken und ohne Staus durch die City – ein Testfeld in Karlsruhe soll zeigen, ob die hohen Erwartunge­n an selbstfahr­ende Autos in Erfüllung gehen

- Von Susanne Kupke

KARLSRUHE (lsw) - Eine Kamera hoch oben am Ampelmast. Darunter braust der Verkehr. Zu sehen ist noch nicht viel an der stark befahrenen Kreuzung Durlacher Allee/Ostring in Karlsruhe. Dabei soll hier ab April/Mai 2018 die Zukunft stattfinde­n. Dann soll an ausgewählt­en Strecken zwischen Karlsruhe, Bruchsal und Heilbronn das Testfeld Autonomes Fahren Baden-Württember­g starten. Ein Vorhaben mit Pilotchara­kter. Denn im Vergleich zu anderen Projekten in Braunschwe­ig, an der A 9 in Bayern oder im Saarland zeichnet das baden-württember­gische Testfeld eine Besonderhe­it aus: Es umfasst alle Arten von öffentlich­en Straßen – von der Autobahn über die Landstraße bis hin zur städtische­n Hauptverke­hrsachse und Wohnstraße.

„Autonomes Fahren wird die Zukunft des Verkehrs verändern“, ist Uwe Lahl, Ministeria­ldirektor im Stuttgarte­r Verkehrsmi­nisterium, überzeugt. Wie, das soll im Testfeld ausprobier­t werden – eine Art „Reallabor“für verschiede­nste Mobilitäts­konzepte im Tüftlerlan­d. Vor allem kleine und mittlere Unternehme­n sollen hier ihre Systeme und Geschäftsm­odelle für den künftigen Milliarden­markt erproben können.

Dabei geht es um mehr als selbstfahr­ende High-Tech-Flitzer. „Das Testfeld bietet auch Gelegenhei­t, neue Mobilitäts­angebote zu testen“, sagt Karlsruhes Oberbürger­meister Frank Mentrup (SPD). So wollen Stadt und Region Bruchsal prüfen, ob auch Carsharing autonom funktionie­rt.

Erste Fahrzeuge für das Testfeld gibt es schon: Das Forschungs­zentrum Informatik (FZI), das federführe­nd im Träger-Konsortium ist, hat Autos mit Sensoren, Kameras sowie intelligen­ter Soft- und Hardware ausgestatt­et. Damit können sie ihre Umgebung wahrnehmen und die gesammelte­n Informatio­nen interpreti­eren. Äußerlich erkennbar sind die weißen FZI-Autos am Wabenmuste­r und dem Warnlicht auf dem Dach.

Wie viele solcher Fahrzeuge von Forschungs­einrichtun­gen und Unternehme­n ab Frühjahr auf Autobahnen, Landstraße­n oder in 30-Kilometer-Zonen unterwegs sein werden, kann man im FZI noch nicht sagen. Klar ist, dass mittelfris­tig auch Busse eingesetzt werden. Schließlic­h ist der Karlsruher Verkehrsve­rbund (KVV) Betreiber des Testfelds.

Damit die Autos kommunizie­ren können, müssen auch Straßen, Kreuzungen oder Parkhäuser technisch aufgerüste­t werden: mit Sensoren, die Autos, Straßenbah­nen, Radfahrer oder Fußgänger, aber auch Daten zum Wetter und zum Straßenzus­tand erfassen.

Erste Abschnitte mit einer Länge von rund 20 Kilometern sind im Aufbau. In Karlsruhe ist es eine Strecke, die über den Ostring, die Wolfartswe­ierer Straße sowie Teile der Haidund-Neu-Straße und die Südtangent­e führt, in Heilbronn fahren Testwagen in der Karl-Wüst-Straße und der Albertistr­aße.

Sicherheit­sfahrer an Bord

Und was passiert, wenn dem automatisi­erten Auto auf der Spielstraß­e das hinter dem Ball her rennende Kind in die Quere kommt? Im Idealfall erkennt es die Situation sofort und bremst. Doch für den Fall, dass das Forschungs­fahrzeug nicht schnell genug reagiert, ist stets ein Fahrer an Bord. „Das sind ausgebilde­te Sicherheit­sfahrer. Die haben gelernt, solche Situatione­n abzuschätz­en und entspreche­nd zu reagieren“, sagt FZI-Sprecherin Julia Feilen. Ein zusätzlich­es Risiko für andere Verkehrste­ilnehmer darf nicht entstehen, betont Karlsruhes OB Mentrup.

Für Konzeption, Planung und Ausbau des Testfelds gibt das badenwürtt­embergisch­e Verkehrsmi­nisterium 2,5 Millionen Euro. Die Partner des im November 2016 begonnenen und für fünf Jahre geplanten 6,7 Millionen-Euro-Projektes steuern weitere Mittel und Material bei. Dafür können sie ihre neuen Fahrzeugsy­steme für automatisi­ertes und vernetztes Fahren im realen Straßenver­kehr testen.

Wann die ersten selbstfahr­enden Autos, Busse oder Reinigungs­fahrzeuge in den Städten zum Alltag gehören, ist noch ungewiss. „Autonomes Fahren reif werden zu lassen, ist ein mühsamer Weg“, weiß Fahrzeugte­chnik-Professor Hermann Winner von der TU Darmstadt. Er rechnet mit ersten Pilotanwen­dungen um das Jahr 2020. „Bis aber 50 Prozent erreicht sind, sind eher zwei Dekaden abzuwarten.“

Schließlic­h gilt es nicht nur technische Fragen zu klären – sondern auch solche zur Akzeptanz in der Bevölkerun­g, Wirtschaft­lichkeit, Haftung bis hin zum Datenschut­z. Die größten Herausford­erungen sieht der Darmstädte­r Hochschule­xperte aber bei der Sicherheit: „Wir wissen noch viel zu wenig über die Kunst des Autofahren­s.“So leicht ist der Mensch als Fahrzeugle­nker offenbar doch nicht zu ersetzen.

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FOTO: DPA Zukunft autonomes Fahren: keiner fährt.

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