Ein Buch mit Schlagkraft
Das Werk eines US-amerikanischen Journalisten bringt Präsident Trump in Bedrängnis
WASHINGTON - Das Buch „Fire and Fury“(deutsch: „Feuer und Zorn“) sorgt in den USA derzeit für Aufruhr. Darin stellt der Journalist Michael Wolff den US-Präsidenten Donald Trump als ignoranten und inkompetenten Mann dar. Der wehrte sich am Wochenende gegen die Vorwürfe.
Eigentlich wollte sich Donald Trump am Wochenende ins Idyll Camp David zurückziehen. Dort wollte er mit den Spitzen der Republikaner die Meilensteine für das kommende Jahr abstecken. Dann aber ließ er aus dem stillen Blockhüttenambiente den nächsten TwitterSturm über die Welt hereinbrechen. Von wegen, er sei mental nicht stabil, wie ihm der Journalist Michael Wolff unterstelle. Er sei ein überaus erfolgreicher Geschäftsmann gewesen und später ein Fernsehstar, bevor er es im ersten Anlauf ins Weiße Haus geschafft habe. „Ich denke, das dürfte mich nicht nur als schlau, sondern als ein Genie qualifizieren. Noch dazu als sehr stabiles Genie“, schrieb der 45. Präsident der Vereinigten Staaten. Autor Wolff hingegen sei ein „totaler Verlierer“, der sein „langweiliges und unwahres Buch“verkaufen wolle.
Ob Trump von der Psyche her in der Lage ist, ein Land zu regieren, auf diese Frage läuft im Grunde alles hinaus, was der New Yorker Reporter für sein Buch „Fire and Fury“zusammengetragen hat. Autor Wolff zeichnet darin das Bild eines impulsiven und egozentrischen Staatschefs.
Präsident als Kindskopf
Als Kronzeugin kommt Katie Walsh zu Wort, für kurze Zeit Vize-Stabschefin des Weißen Hauses. Man habe versucht, die plötzlichen Einfälle Trumps in ein Programm zu übersetzen, wird Walsh zitiert. Es sei ein Prozess voller Rätselraten gewesen, „als wollte man herausfinden, was ein Kind möchte“. Der Präsident als Kindskopf: Wie ein roter Faden zieht sich das Motiv durch Wolffs Erzählung. Ausnahmslos jeder, mit dem er gesprochen habe, teile diesen Eindruck, fasste es der Autor beim Fernsehsender NBC zusammen. „Sie alle sagen, er benimmt sich wie ein Kind. Was sie damit meinen, ist, dass er den Drang nach unverzüglicher Belohnung verspürt. Es dreht sich alles nur um ihn.“
Trump lese nichts, schreibt Wolff. Allenfalls Überschriften und Artikel, die sich mit ihm beschäftigten, dazu vielleicht noch die Klatschkolumne auf der sechsten Seite der „New York Post“, eines Boulevardblatts. Und zuhören könne er auch nicht: Als ihm ein Wahlkampfberater die Verfassung zu erklären versuchte, sei er gerade mal bis zum vierten Artikel gekommen, ehe dem Adressaten die Augen zufielen. Umso ausgiebiger, schildert Wolff, sehe Trump fern. Kaum hatte er sich in seinem neuen Domizil einquartiert, ließ er neben dem einen Fernseher, den es in den Privatgemächern bereits gab, zwei weitere aufstellen. Oft schon am frühen Abend saß er vor drei Bildschirmen in seinem Bett, aß Cheeseburger und telefonierte mit Freunden, um ihnen sein Herz auszuschütten. Von den Freunden, scheint es, hat mancher weitergetratscht, was ihnen der Milliardär in seinem Frust anvertraute. Die meisten leben in New York, reiche Männer aus illustren Dinner-Runden. Man braucht nicht viel Fantasie, um sich auszumalen, wie die Episoden in den besseren Kreisen der Stadt kursierten, bis sie bei Wolff landeten. Die Hauptquelle aber dürfte Steve Bannon gewesen sein, der Rechtspopulist, der Trump von August 2016 bis August 2017 als Wahlkampfmanager und Chefstratege diente und sich für seine Entlassung rächte, indem er munter aus dem Nähkästchen plauderte. Trump, der sich fast nie ohne Krawatte in der Öffentlichkeit zeigt, hat ihn mit einem neuen Spitznahmen bedacht.
Sloppy Steve, der schlampige Steve, eine Anspielung auf Bannons ungepflegtes Äußeres. Sloppy Steve, wetterte er in Camp David, habe Wolff ständig ins Weiße Haus mitgenommen, und deshalb könne er sich nun nach einem neuen Job umsehen.
Dann wären da noch die Fehler, die dem Verfasser unterliefen, einem Journalisten, der bekannt ist dafür, dass er manches ausschmückt, ohne sich exakt an die Details zu halten. In einer Passage beschreibt er, wie dem Präsidenten in spe geraten wird, John Boehner, den ehemaligen Vorsitzenden des Repräsentantenhauses, als Cheforganisator in die Machtzentrale zu holen. „Wer ist das denn?“, soll Trump gefragt haben, was wenig glaubwürdig klingt, zumal er zu jener Zeit mit Boehner schon des Öfteren Golf gespielt hatte.
Es sind Schnitzer wie diese, die den Publicity-Pulk des Weißen Hauses von einem Kompendium der Lügen sprechen lassen. Unabhängige Köpfe betonen, dass Wolff trotz manchen Schönheitsfehlers den Kern der Sache getroffen habe. Wie sonst lasse sich erklären, dass Donald Trump dermaßen gereizt reagiert?