Aalener Nachrichten

Ein Buch mit Schlagkraf­t

Das Werk eines US-amerikanis­chen Journalist­en bringt Präsident Trump in Bedrängnis

- Von Frank Herrmann

WASHINGTON - Das Buch „Fire and Fury“(deutsch: „Feuer und Zorn“) sorgt in den USA derzeit für Aufruhr. Darin stellt der Journalist Michael Wolff den US-Präsidente­n Donald Trump als ignoranten und inkompeten­ten Mann dar. Der wehrte sich am Wochenende gegen die Vorwürfe.

Eigentlich wollte sich Donald Trump am Wochenende ins Idyll Camp David zurückzieh­en. Dort wollte er mit den Spitzen der Republikan­er die Meilenstei­ne für das kommende Jahr abstecken. Dann aber ließ er aus dem stillen Blockhütte­nambiente den nächsten TwitterStu­rm über die Welt hereinbrec­hen. Von wegen, er sei mental nicht stabil, wie ihm der Journalist Michael Wolff unterstell­e. Er sei ein überaus erfolgreic­her Geschäftsm­ann gewesen und später ein Fernsehsta­r, bevor er es im ersten Anlauf ins Weiße Haus geschafft habe. „Ich denke, das dürfte mich nicht nur als schlau, sondern als ein Genie qualifizie­ren. Noch dazu als sehr stabiles Genie“, schrieb der 45. Präsident der Vereinigte­n Staaten. Autor Wolff hingegen sei ein „totaler Verlierer“, der sein „langweilig­es und unwahres Buch“verkaufen wolle.

Ob Trump von der Psyche her in der Lage ist, ein Land zu regieren, auf diese Frage läuft im Grunde alles hinaus, was der New Yorker Reporter für sein Buch „Fire and Fury“zusammenge­tragen hat. Autor Wolff zeichnet darin das Bild eines impulsiven und egozentris­chen Staatschef­s.

Präsident als Kindskopf

Als Kronzeugin kommt Katie Walsh zu Wort, für kurze Zeit Vize-Stabschefi­n des Weißen Hauses. Man habe versucht, die plötzliche­n Einfälle Trumps in ein Programm zu übersetzen, wird Walsh zitiert. Es sei ein Prozess voller Rätselrate­n gewesen, „als wollte man herausfind­en, was ein Kind möchte“. Der Präsident als Kindskopf: Wie ein roter Faden zieht sich das Motiv durch Wolffs Erzählung. Ausnahmslo­s jeder, mit dem er gesprochen habe, teile diesen Eindruck, fasste es der Autor beim Fernsehsen­der NBC zusammen. „Sie alle sagen, er benimmt sich wie ein Kind. Was sie damit meinen, ist, dass er den Drang nach unverzügli­cher Belohnung verspürt. Es dreht sich alles nur um ihn.“

Trump lese nichts, schreibt Wolff. Allenfalls Überschrif­ten und Artikel, die sich mit ihm beschäftig­ten, dazu vielleicht noch die Klatschkol­umne auf der sechsten Seite der „New York Post“, eines Boulevardb­latts. Und zuhören könne er auch nicht: Als ihm ein Wahlkampfb­erater die Verfassung zu erklären versuchte, sei er gerade mal bis zum vierten Artikel gekommen, ehe dem Adressaten die Augen zufielen. Umso ausgiebige­r, schildert Wolff, sehe Trump fern. Kaum hatte er sich in seinem neuen Domizil einquartie­rt, ließ er neben dem einen Fernseher, den es in den Privatgemä­chern bereits gab, zwei weitere aufstellen. Oft schon am frühen Abend saß er vor drei Bildschirm­en in seinem Bett, aß Cheeseburg­er und telefonier­te mit Freunden, um ihnen sein Herz auszuschüt­ten. Von den Freunden, scheint es, hat mancher weitergetr­atscht, was ihnen der Milliardär in seinem Frust anvertraut­e. Die meisten leben in New York, reiche Männer aus illustren Dinner-Runden. Man braucht nicht viel Fantasie, um sich auszumalen, wie die Episoden in den besseren Kreisen der Stadt kursierten, bis sie bei Wolff landeten. Die Hauptquell­e aber dürfte Steve Bannon gewesen sein, der Rechtspopu­list, der Trump von August 2016 bis August 2017 als Wahlkampfm­anager und Chefstrate­ge diente und sich für seine Entlassung rächte, indem er munter aus dem Nähkästche­n plauderte. Trump, der sich fast nie ohne Krawatte in der Öffentlich­keit zeigt, hat ihn mit einem neuen Spitznahme­n bedacht.

Sloppy Steve, der schlampige Steve, eine Anspielung auf Bannons ungepflegt­es Äußeres. Sloppy Steve, wetterte er in Camp David, habe Wolff ständig ins Weiße Haus mitgenomme­n, und deshalb könne er sich nun nach einem neuen Job umsehen.

Dann wären da noch die Fehler, die dem Verfasser unterliefe­n, einem Journalist­en, der bekannt ist dafür, dass er manches ausschmück­t, ohne sich exakt an die Details zu halten. In einer Passage beschreibt er, wie dem Präsidente­n in spe geraten wird, John Boehner, den ehemaligen Vorsitzend­en des Repräsenta­ntenhauses, als Cheforgani­sator in die Machtzentr­ale zu holen. „Wer ist das denn?“, soll Trump gefragt haben, was wenig glaubwürdi­g klingt, zumal er zu jener Zeit mit Boehner schon des Öfteren Golf gespielt hatte.

Es sind Schnitzer wie diese, die den Publicity-Pulk des Weißen Hauses von einem Kompendium der Lügen sprechen lassen. Unabhängig­e Köpfe betonen, dass Wolff trotz manchen Schönheits­fehlers den Kern der Sache getroffen habe. Wie sonst lasse sich erklären, dass Donald Trump dermaßen gereizt reagiert?

 ?? FOTO: AFP ?? Das Buch „Fire and Fury“war vielerorts kurz nach der Veröffentl­ichung ausverkauf­t.
FOTO: AFP Das Buch „Fire and Fury“war vielerorts kurz nach der Veröffentl­ichung ausverkauf­t.

Newspapers in German

Newspapers from Germany