Die letzte Chance
Die Sondierungsgespräche für eine Große Koalition aus Union und SPD laufen – von ihnen hängt auch die Zukunft der Parteichefs ab
BERLIN - Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) zeigt sich am Sonntagmorgen optimistisch. „Ich glaube, es kann gelingen“, sagt sie vor den Kameras. Doch natürlich sei ihr klar, „dass in den nächsten Tagen auch ein Riesenstück Arbeit vor uns liegt“, verdeutlicht die Kanzlerin. Sie rechnet mit schwierigen Verhandlungen. Man werde sehr zügig und arbeitsintensiv arbeiten, macht die Kanzlerin klar, dass es keine weitere Hängepartie mehr geben soll.
Am Sonntag kommen Union und SPD zu Sondierungsgesprächen im Willy-Brandt-Haus zusammen: SPDChef Martin Schulz empfängt seine Gäste am gläsernen Eingang der Parteizentrale in Berlin Kreuzberg. Start frei für den zweiten Versuch, eine neue Regierung zu bilden, 105 Tage nach der Bundestagswahl. „Wir ziehen keine roten Linien, aber wir wollen möglichst viel rote Politik in Deutschland umsetzen“, stellt Gastgeber Schulz zu Beginn klar und lächelt milde. In diesem Geist werde man miteinander reden. Schnell solle es jetzt gehen, bis Freitag klar werden, ob es für Koalitionsverhandlungen reicht oder nicht.
Am Sonntag kommt zunächst die Sechser-Runde der Partei- und Fraktionschefs zusammen und trifft sich zur Vorbereitung. Zwei Stunden später fällt der offizielle Startschuss, nehmen die 39 Unterhändler das erste Mal am Verhandlungstisch im großen Hans-Jochen-Vogel-Saal der Parteizentrale Platz. Die Wahl des Tagungsortes zu Beginn und auch zum Abschluss ist ein Entgegenkommen der Union an die SPD. Verhandlungen auf Augenhöhe, so das Signal vor allem auch an die SPD-Basis, die am Ende ihr Einverständnis für eine Große Koalition geben muss.
Tage dürften gezählt sein
Für die Kanzlerin, aber auch für SPDChef Schulz und den CSU-Vorsitzenden Horst Seehofer geht es um alles. Gelingt die Regierungsbildung auch im zweiten Anlauf nicht, dürften die Tage der Parteispitzen gezählt sein. „Wenn das schiefgeht, ist meine politische Karriere zu Ende“, soll SPDSchulz bei einem Vorbereitungstreffen von Union und SPD erklärt haben. Und CSU-Chef Seehofer habe erwidert: „Nicht nur Deine.“
Es ist die womöglich letzte Chance, nach dem Aus der Verhandlungen für eine Jamaika-Koalition aus Union, Grünen und FDP eine neue stabile Regierung zu bilden und Neuwahlen zu vermeiden. FDP-Chef Christian Lindner hatte einen erneuten Versuch für ein Jamaika-Bündnis ausgeschlossen. Die Kanzlerin will keine Minderheitsregierung führen.
CSU-Chef Seehofer erwartet indes „spannende fünf Tage“. „Wir müssen uns verständigen“, appelliert er, „die Dinge zu einem guten Ende zu bringen“. Doch werde die CSU ihr Profil „nicht verwischen“. Das Erfolgsrezept für die nächsten Tage: „Weniger reden und mehr arbeiten“, empfiehlt Bayerns Ministerpräsident.
SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil zieht am Sonntagabend ein positives Fazit der ersten Runde. Die Unterhändler hätten „ernsthafte, konzentrierte, aber auch offene Gespräche“geführt, sagt Klingbeil im Namen aller drei Parteien. Zum inhaltlichen Fortschritt sagt er nichts.