Zollfreiheit wird zum Brexit-Knackpunkt
Zum Botschafter in Washington hat er es trotz Donald Trumps Fürsprache nicht gebracht, von seiner deutschen Frau lebt er getrennt, Interviews in den britischen Medien sind selten - um den früheren Chef der EU-feindlichen Ukip, Nigel Farage, ist es stiller geworden. Umso begeisterter gibt sich die Brexit-Galionsfigur über eine PR-Gelegenheit zu Wochenbeginn: Am Montag bittet ihn EU-Chefunterhändler Michel Barnier zum Gespräch.
Den Termin in Brüssel erhielt der langjährige Abgeordnete des EUParlaments nach einer bitteren öffentlichen Beschwerde. Barnier treffe dauernd mit Brexit-Gegnern zusammen, maulte Farage, da werde es höchste Zeit für ein Gespräch mit einem Repräsentanten jener 17,4 Millionen Briten, die im Juni 2016 für den EU-Austritt gestimmt hatten. „Die haben sich weder für eine Übergangsphase noch für weitere Verzögerungen ausgesprochen, und ihre Entschlossenheit nimmt zu.“
In Wirklichkeit kann von zunehmender Entschlossenheit nicht die Rede sein. Jüngste Umfragen deuten eher auf ein gespaltenes Land hin, mit leichtem Übergewicht für jene, die sich weiterhin eine enge Anbindung an den Kontinent, allerdings außerhalb der EU, wünschen.
Hingegen verspürten den Demoskopen zufolge höchstens ein Viertel der Briten Appetit darauf, was Tony Blair ihnen auftischen will: Ein zweites Referendum, allenfalls auch eine neue Unterhauswahl solle den Briten die Gelegenheit dazu geben, nochmal nachzudenken und die Entscheidung von 2016 zu revidieren. Der frühere Premier ist damit selbst in der eigenen Partei isoliert - zu viele Labour-Wähler stimmten gegen die EU, zu skeptisch steht auch Parteichef Jeremy Corbyn dem Brüsseler Club gegenüber. Labours Brexit-Sprecher Keir Starmer will offenbar - so hat er es Diplomaten in London gesagt - das Land wenigstens in der Zollunion mit der EU halten. Oder handelt es sich um „eine“Zollunion?
Der Unterschied zwischen bestimmtem und unbestimmtem Artikel könnte in diesem Jahr bedeutsam werden. Theresa Mays Regierung hat stets bekräftigt, mit dem EU-Austritt am 29. März 2019 gehe auch das Verlassen von Binnenmarkt und Zollunion einher. Für die Zeit danach wünschen sich die Briten aber weiterhin engste Handelsbeziehungen; zudem würde die Zollfreiheit das knifflige Problem der künftigen Grenze zwischen dem britischen Nordirland und der Republik im Süden weitgehend beseitigen. Finanzminister Philip Hammond hat deshalb nie eine Zollunion zwischen Grossbritannien und der EU ausgeschlossen. Ein Gesetzentwurf, der zu Wochenbeginn im Unterhaus beraten wird, sieht die Möglichkeit sogar ausdrücklich vor.
So könnte Londons Verhandlungsposition aussehen: Um den Abgrenzungsbedürfnissen der RausWähler Genüge zu tun, solle Brüssel doch bitte für die Insel eine separate Konstruktion basteln. Dispute würden dann durch ein gemeinsam berufenes Gremium geklärt anstatt wie bisher dem Europäischen Gerichtshof vorgelegt, dessen Rechtsprechung die Briten zukünftig nicht mehr akzeptieren wollen. Mit Barnier würde darüber ohnehin erst im Frühjahr beraten: Zunächst will der EU-Diplomat die Bedingungen der Übergangsphase festlegen, die London ausdrücklich gewünscht hat.