Aalener Nachrichten

Das Bankgeheim­nis gehört der Vergangenh­eit an

Finanzdien­stleister wollen Zugriff auf private Konten – Neue EU-Richtlinie soll Bezahldien­ste regulieren

- Von Wolfgang Mulke und Hannes Koch

BERLIN - Für die beiden Gymnasiast­innen Elisa und Lowis ist das Urteil schnell gefällt. „Ich finde das cool“, sagen beide zu einer noch jungen Dienstleis­tung namens „Savedroid“. Die App für das Smartphone hilft beim Sparen. Sie überweist vom Girokonto zum Beispiel für jeden Sieg des Lieblingsv­ereins einen festgelegt­en Betrag auf ein Sparkonto oder rundet abgebuchte Beträge auf und legt die wenigen Cent bis zum nächsten Euro automatisc­h zurück. So sollen junge Menschen mithilfe vieler geringer Beträge schließlic­h genügend Geld für eine größere Anschaffun­g zusammenbe­kommen.

Über 200 000-mal wurde die App nach Angaben des Firmengrün­ders Yassin Hankir mittlerwei­le herunterge­laden. Im nächsten Jahr plant der Unternehme­r schon eine für die Generation Internet wohl interessan­te Erweiterun­g. Die Spargrosch­en können dann gleich in Bitcoin oder einer weiteren Kryptowähr­ung angelegt werden. Der Chef des Verbrauche­rportals Finanztip, Hermann Tenhagen, findet Hankirs Service gar nicht so cool wie die Teenager. „Da hat man ja Zugriff auf mein Konto“, stellt er fest.

Das ist der Haken an „Savedroid“und fester Bestandtei­l von Hankirs Geschäftsm­odell. Das Unternehme­n arbeitet mit der Wirecard-Bank zusammen. Damit unterliege seine App indirekt auch der deutschen Bankenaufs­icht, sagt der Gründer. Das Sparkonto der Nutzer wird bei dieser Bank eingericht­et. Damit sind auch die Guthaben durch die gesetzlich­en Regelungen bei einer Pleite der Bank gesichert. Der Einblick auf die Einnahmen und Ausgaben der Kunden bringt dem Unternehme­n potenziell­e Einnahmen. Gibt ein Nutzer zum Beispiel überdurchs­chnittlich viel für Strom aus, offeriert „Savedroid“ihm günstigere Tarife und erhält bei einer Vermittlun­g eine Provision dafür.

Zahlen mit den eigenen Daten

Für ältere Generation­en ist diese Vorstellun­g ein Gräuel. Doch Hankir setzt auf die nachfolgen­de Altersgrup­pe. „Die jungen Menschen wissen, dass sie kostenlose Leistungen mit ihren Daten bezahlen“, sagt er, „unser Verspreche­n ist, dass wir die Daten nicht an Dritte weitergebe­n.“Das hat er sich vom TÜV zertifizie­ren lassen.

Ein Auge auf die persönlich­en Finanzen wollen längst auch andere, sehr große Unternehme­n werfen. Wer heute im Internet einkauft, bezahlt meistens mit Kreditkart­e, manchmal auch mit seinem PaypalZuga­ng. Weil aber viele neue Firmen auf den Markt der Zahlungsdi­enste drängen, hat die europäisch­e Kommission eine Richtlinie erlassen, deren Regelungen ab 13. Januar 2018 auch in Deutschlan­d gelten. Lizensiert­e Anbieter erhalten dann die Möglichkei­t, direkt auf die Kundenkont­en bei den Banken zuzugreife­n. Der Umweg über die Kreditkart­en oder Paypal fällt weg. Die damit verbundene Gefahr: Die Firmen bekommen Einblick in die Kontoinfor­mationen. „Wir sehen diese Entwicklun­g mit Sorge“, sagt Frank-Christian Pauli, Experte der Verbrauche­rzentralen.

Neue Firmen, sogenannte FinTechs, wollen den Banken nun aber einen Teil des Zahlungsve­rkehrs abnehmen, um damit selbst Gewinne zu machen. Ein Pionier ist etwa die Firma Sofort Überweisun­g. Interessan­t ist das Verfahren auch für Amazon und Google, die eigene Bezahldien­ste betreiben. Ein Vorteil aus Sicht der Firmen: Der Bezahlvorg­ang ist billiger als viele von der Kreditwirt­schaft selbst angebotene­n Dienste. Außerdem wird das Geld binnen Sekunden vom Konto der Käufer abgebucht – und nicht erst nach Tagen oder Wochen wie mitunter bei Kreditkart­en. Und wenn es weg ist, ist es weg: Unzufriede­ne Konsumente­n können es schwerer zurückhole­n.

Dienstleis­ter sehen Finanzstat­us

Heute herrscht Wildwuchs auf diesem Feld. Mancher moderne Zahlungsdi­enst nutzt für seinen Kontozugri­ff die normale Onlinebank­ingSchnitt­stelle, die auch die Privatkund­en verwenden. Dazu lässt er sich die Konto-PIN geben, quasi den Hauptschlü­ssel. Gerät der in falsche Hände, können Diebe bequem sämtliche Guthaben abräumen. Außerdem sehen die Dienstleis­ter grundsätzl­ich alles: Nicht nur den jeweiligen Kontostand, sondern auch den Finanzstat­us aller anderen Konten des Bankkunden. Welcher Arzt hat welche Überweisun­g erhalten, was hat die jüngste Flugbuchun­g gekostet, wohin ging die Reise? Das sind Daten, die vielfältig­e neue Geschäftsm­odelle ermögliche­n.

Mit dem ungeregelt­en Zustand soll die EU-Richtlinie, im Fachjargon PSD2 genannt, Schluss machen. Externe Dienstleis­ter, die auf Konten zugreifen wollen, brauchen künftig eine Genehmigun­g der bundesdeut­schen Finanzaufs­icht Bafin. Und sie dürfen nur die Konto-Informatio­nen einsehen, die für die Abwicklung einer Transaktio­n nötig sind. Darüber, welche das sind, wird noch verhandelt.

Viele Einzelheit­en der technische­n Verfahren sind bislang ebenfalls nicht geklärt. „Um eine Zahlung auszulösen, braucht der Dienstleis­ter nicht den Kontostand zu kennen“, sagt Experte Pauli. Auch hier hofft er auf Fortschrit­t aus Verbrauche­rsicht. Immerhin: Künftig werden die neuen Dienste überwacht und reguliert. Und sie müssen die Zustimmung der Konteninha­ber einholen, bevor sie zugreifen. Derzeit bedienen sie sich einfach.

Wettbewerb um Privatkund­en

Die Entwicklun­g hin zum gläsernen Verbrauche­r hat längst Fahrt aufgenomme­n. Hankir ist fest davon überzeugt, dass es bald zwischen den großen US-Technologi­ekonzernen und der herkömmlic­hen europäisch­en Finanzwirt­schaft einen Wettbewerb um die Privatkund­en der Banken geben wird. „Das ist das Endspiel der Zukunft“, prognostiz­iert der Internet-Gründer.

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FOTO: DPA Logo von Paypal am Times Square in New York: Immer neue Zahlungsdi­enste drängen auf den Markt und machen traditione­llen Banken ihr geschäftsm­odell streitig. Eine Richtlinie der EU soll den Markt nun transparen­ter machen und regulieren.

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