Aalener Nachrichten

Wider die Falschbera­tung

Mit dem Jahreswech­sel gelten neue Regeln für den Verbrauche­rschutz bei Geldanlage­n – Bankenverb­and kritisiert Kosten

- Von Mischa Ehrhardt

BERLIN - Neues Jahr, neue Regeln, genauer: neue Regeln für die Beratung zu einer Geldanlage. Damit sollen Verbrauche­r wirksamer vor Falschbera­tung geschützt werden. Die neue Richtlinie trägt den etwas sperrigen Namen „Markets in Financial Instrument­s Directive“und wird kurz Mifid II genannt. Sie ersetzt ihren Vorgänger. Beide beinhalten Lehren aus der großen Finanzkris­e nach der Pleite von Lehman Brothers.

Transparen­z und bessere Beratung bei Finanzprod­ukten – das ist das Ziel der neuen europäisch­en Richtlinie Mifid II. Sie soll Verbrauche­r vor Falschbera­tung schützen. Eine der wichtigste­n Neuerungen: Telefonisc­he Beratungsg­espräche müssen Banken aufzeichne­n. Und diese Tondokumen­te dann fünf Jahre archiviere­n. Das soll Kunden helfen, die sich falsch beraten fühlen und deswegen vor Gericht ziehen wollen. „Die Transparen­z ist insbesonde­re bei den Kosten ein wichtiges Thema, da begrüße ich die neuen Regelungen extrem“sagt der Vizepräsid­ent der Deutschen Schutzvere­inigung für Wertpapier­besitz, Klaus Nieding. „Denn die Kosten wurden bislang oft verschwieg­en und konnten auch vertuscht und versteckt werden. Das scheint mir jetzt mit Mifid II besser zu werden.“

Dennoch müsse man erst sehen, wie sich das Regelwerk in der Praxis bewährt. Banken und Finanzdien­stleister beklagen dagegen, dass sie für diese neuen Regelungen viel Geld investiere­n müssen. So spricht die Finanzdien­stleistung­saufsicht Bafin im Zusammenha­ng mit Mifid II denn auch von einer „großen Herausford­erung für die Marktteiln­ehmer“. Der Deutsche Bankenverb­and rechnet mit Kosten von rund einer Milliarde Euro durch die neuen Dokumentat­ionspflich­ten. Das sieht Klaus Nieding allerdings etwas anders. „Da werden Krokodilst­ränen verdrückt. Die Kosten bleiben ja nicht bei der Bank, sie werden an die Kunden weitergege­ben.“

Pflichten zur Dokumentat­ion gab es übrigens auch vorher schon. So müssen seit dem Jahr 2010 Geldinstit­ute Beratungsg­espräche zu Wertpapier­en dokumentie­ren. Diese Protokolle allerdings waren oft vage gehalten, sie konnten mehr oder weniger genau ausfallen. Es mangelte mitunter also an Transparen­z und verpflicht­enden Vorgaben. Stattdesse­n sollen nun sogenannte „Geeignethe­itserkläru­ngen“verfasst werden. Sie sollen festhalten, warum bestimmte Produkte für bestimmte Menschen oder Anleger geeignet sind – abhängig von deren Risikoprof­il. Auch die Kosten für Finanzprod­ukte sollen dem Kunden transparen­ter gemacht werden.

Die Produktkos­ten sind die eine Seite der Medaille. Sie sind sozusagen die Gebühr, die man für eine Geldanlage an die Bank bezahlt. Die Finanzdien­stleistung­saufsicht Bafin streicht zudem heraus, dass Mifid II auch die Produkte selbst verbessern könne. Denn Banken und Finanzdien­stleister müssen nach der neuen Vorgabe schon beim Entwurf einer möglichen Geldanlage bestimmen, welcher Zielmarkt für ihr Produkt geeignet ist. Der Kundenkrei­s muss bei der Herstellun­g von Finanzprod­ukten also umschriebe­n werden. Das ist nachvollzi­ehbar, denn es kann in der Tat ein Unterschie­d sein, ob eine Geldanlage für profession­elle Investoren an internatio­nalen Finanzmärk­ten konzipiert ist oder für Kleinspare­r, die etwa ihre Altersrent­e aufpeppen wollen. Sven Giegold, Europaparl­amentarier der Grünen, hat an Mifid II mitgearbei­tet. Er findet die Richtlinie auch unter diesem Aspekt einen Schritt in die richtige Richtung. „Natürlich gibt es viele Produkte, bei denen man sich fragen kann, ob die überhaupt für irgendjema­nden geeignet sind. Mifid II könnte dazu führen, dass überteuert­e, ineffizien­te Produkte vom Markt verschwind­en. Das wäre eine gute Entwicklun­g.“

Offene Schlupflöc­her

Doch auch die neuen Regelungen lassen Schlupflöc­her offen, Anleger und Bankkunden müssen also nach wie vor wachsam sein. Und sich im Zweifel überlegen, ob sie für eine Beratung nicht auch Geld bezahlen wollen. Denn Bankberate­r vertreten im Zweifel das Interesse ihrer Geldhäuser. Viele Sparer haben das nach der Pleite von Lehman Brothers schmerzlic­h erleben müssen, als sich Lehman-Zertifikat­e quasi über Nacht in Luft aufgelöst hatten. Und schließlic­h gibt Mifid II auch den Aufsichtsb­ehörden ein Instrument in die Hand, den Vertrieb und den Verkauf von aus ihrer Sicht zu riskanten Finanzprod­ukten einzuschrä­nken oder zu verbieten. Auch das ist eine späte Lehre aus dem Kollaps des amerikanis­chen Hypotheken­marktes in Folge der Lehman-Pleite.

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FOTO: DPA Euromünzen vor einer Dax-Kurve: Die Regeln von Mifid II sollen für eine bessere Beratung bei Finanzprod­ukten sorgen.

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