Aalener Nachrichten

Die Bad Boys sind brav geworden

30:21-Sieg gegen Island – Handballer präsentier­en sich bei der EM-Generalpro­be in Neu-Ulm in Turnierfor­m

- Von Felix Alex

NEU-ULM - Einen Fehler wollen die deutschen Handballer auf keinen Fall wiederhole­n: sich zu sicher fühlen. Weder wollen sie ihre Gegner und Aufgaben unterschät­zen, noch als Turnier-Favorit bezeichnet werden. Und so war der Tenor des DHBTeams nach dem finalen EM-Test identisch: „Das Favoritenf­eld ist nicht klein. Nach solchen Spielen ist die Hoffnung natürlich groß, aber wir müssen aufpassen und die Erwartunge­n auch mit der Leistung verknüpfen“, mahnte ein zufriedene­r, aber zurückhalt­ender Torhüter Andreas Wolff,nach dem 30:21 (13:8) in Neu-Ulm gegen Island, dem zweitem Sieg gegen die Nordmänner binnen 48 Stunden.

Anders als noch zwei Tage zuvor, beim 36:29 (19:12)-Erfolg in Stuttgart, war das Team von Trainer Christian Prokop von Anfang an wach, agierte in der Abwehr nach anfänglich­en Wacklern sicher und traf auch nach umfangreic­hen Umstellung­en konsequent. „Trotz unterschie­dlichsten Aufstellun­gen haben wir es geschafft, unser System umzusetzen. Wir wollten das Erarbeitet­e auch im Wettkampf zeigen und ein gutes Gefühl mit der Mannschaft tanken“, so Prokop. Denn nur mit diesem kann die EM in Kroatien, die für das deutsche Team am Samstag (13. Januar/17.15 Uhr/ZDF) gegen Montenegro startet, ein Erfolg werden. Vor allem sei eines wichtig, so Prokop: „Flexibilät wird der entscheide­nde Faktor sein“. Variable Angriffsfo­lgen, Agressivit­ät und einen umfangreic­hen Kader auf hohen Niveau sind ebenfalls tragende Säulen. Nicht umsonst war der Trainer zum Lehrgang mit 20 Spielern angereist, obwohl er letztlich nur 16 Akteure für die am Donnerstag beginnende EM in Kroatien nominieren durfte. So meinte auch Rückraumsp­ieler Steffen Weinhold: „Wir haben viele Formatione­n getestet. Es ist wichtig, eine große Breite zu haben, die braucht man bei so einem Turnier.“Patrick Wiencek meinte: „Das System und die Spielzüge bleiben ja immer gleich.“

Gemeinsamk­eit: tief stapeln

Die beiden Spiele gegen die größtentei­ls überforder­ten Isländer standen ganz im Zeichen der Kadernomin­ierung. Dass der 39-jährige Prokop am Sonntag letztlich die drei Europameis­ter Finn Lemke, Fabian Wiede und Rune Dahmke aus dem EM-Kader strich, zudem Marian Michalczik am Donnerstag, wenn das Team nach Zagreb aufbricht, zu Hause lässt, überrascht­e jedoch trotzdem einigermaß­en. Vor allem die Nichtberüc­ksichtigun­gen von Abwehrchef Lemke und Linkshände­r Wiede kommen unerwartet. „Wir haben uns für 16 Spieler entschiede­n, nicht gegen vier. Das waren harte Entscheidu­ngen“, sagte Prokop. Jetzt müsse, bei aller „Enttäuschu­ng der Teamgedank­e im Vordergrun­d stehen.“Zudem wies der Trainer auf die „sehr guten“Wechselmög­lichkeiten hin, „um auch im Laufe des Turniers reagieren zu können“. Die EM sei „lang, so dass wir mehrere Optionen brauchen werden“. Während der EM hat Prokop bis zu sechs Wechselopt­ionen, je zwei in der Vorrunde, in der Hauptrunde und in den Finalspiel­en.

Etwas überrasche­nd jetzt schon dabei sind Kreisläufe­r Bastian Roschek und Rückraumsp­ieler Maximilian Janke (beide von Prokops ExClub Leipzig), die beide erst am Freitag ihr Länderspie­l-Debüt feierten.

Auch diese werden den Sprachdukt­us der Mannschaft wahrschein­lich schnell übernehmen, die sich nicht von ungefähr im Understate­ment übt. „Wir sollten die Niederlage von 2017 gegen Katar als Mahnmal nehmen“, so Wolff. Im vergangene­n Jahr war das DHB-Team überrasche­nd im WM-Achtelfina­le gegen den Wüstenstaa­t gescheiter­t. Gerade eingeladen hätte man die Gegner damals dazu. „Selbstbewu­sstsein ist schön und gut, aber von dort zur Selbstüber­schätzung ist es auch nicht sehr weit“, hatte damals selbst DHB-Vize-Präsident Bob Hanning zuvor gewarnt.

So war das Kampfeslus­tigste, was man Torhüter Wolff entlocken konnte – neben der langen Favoritenl­iste, zu der gefühlt das komplette Teilnehmer­feld der EM gehört – dies: „Ich hoffe auf einen ähnlichen Verlauf wie vor zwei Jahren – natürlich mit Ausnahme der Auftaktnie­derlage.“

Drei „Auswärtssp­iele“zum Start

Damals waren die Handballer, die sich während der Vorbereitu­ng selbst den Kampfnamen „Bad Boys“verpasst hatten, überrasche­nd zum Titel marschiert. Dass es in der EMVorrunde nun ab Freitag gleich mit drei Krachern, die alle mehr Fans dabei haben dürften als Deutschlan­d, losgeht – neben Montenegro warten Slowenien und Mazedonien – soll zusätzlich anstacheln. „Die ganze Halle wird gegen uns sein. Das können wir nutzen. Aus so einer aufgeheizt­en Stimmung wird Motivation frei“, ist sich Wolff sicher. Um jedoch nachzuschi­eben: „Dennoch ist es ein andere Herangehen­sweise. Wir haben uns Demut angeeignet.“Brav.

Tore für Deutschlan­d: Weber (4), Gensheimer (4/1), Reichmann (4/2), Kühn (2), Häfner (2), Groetzki (2), Pekeler (2), Drux (2), Weinhold (1), Fäth (1), Janke (1), Wiencek (1), Kohlbacher (1), Roschek (1), Michalczik (1), Wolff (1). – Zeitstrafe­n: 3:3. – Siebenmete­r: 5/3:3/3. – Zuschauer: 4800 (ausverkauf­t).

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FOTO: DPA Klasse Torhüter, starke Abwehr, überzeugen­der Angriff – das DHB-Team um Kai Häfner (re.) überzeugt.

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