„Hohe Qualität und Spottpreise, das geht nicht zusammen“
Staatssekretärin Friedlinde Gurr-Hirsch plädiert unter anderem für einen Ernährungsführerschein in der Grundschule
ELLWANGEN (gr) - Hauptrednerin bei der Bauernkundgebung ist Friedlinde Gurr-Hirsch, Staatssekretärin im Landwirtschaftsministerium Stuttgart, gewesen. Sie schwor die Bauern ein, mit einer Stimme zu sprechen: „Sonst haben sie als das eine Prozent der Bevölkerung kein Sprachrohr.“
Dass die Bauern ein Sprachrohr gut gebrauchen können, machte sie an ein paar Zahlen deutlich: Nach dem Krieg war ein Drittel der Bevölkerung in der Landwirtschaft tätig, in Baden-Württemberg gab es 400 000 Bauernhöfe. Heute seien es 40 000, davon nur 14 000 im Vollerwerb.
Ohne die Wertschöpfungskette mit Landwirten, Bäckereien, Metzgereien, Molkereien und Schlachthöfen wäre der ländliche Raum weniger vital, sagte Gurr-Hirsch. An den Bauern hänge auch der Erhalt der Kulturlandschaft. Das könnten der Staat oder die Umweltverbände niemals leisten.
Dennoch hätten Landwirte ein echtes Akzeptanzproblem. Große Teile der Bevölkerung, vor allem Städter, pflegten ein romantisches Bild der Landwirtschaft. Jeder wolle das günstige Steak aus der regionalen Landwirtschaft, aber den Stall bitte nicht in der Nachbarschaft.
Landwirte haben mit der Globalisierung zu kämpfen
Die Menschen sollten erfahren, wie sehr die Landwirte mit der Globalisierung zu kämpfen hätten, sagte die Staatssekretärin. So habe sich die Zahl der Schweinehalter im Ostalbkreis in den vergangenen acht Jahren halbiert. Hohe Qualität und Spottpreise, das gehe nicht zusammen.
Auch wenn es im vergangenen Jahr wieder aufwärts gegangen sei, mache nur das obere Drittel der Betriebe
„Regional ist wieder Kult.“Friedlinde Gurr-Hirsch macht den Landwirten Mut
ausreichend Gewinn, um sich nachhaltig zu entwickeln. Mehr als die Hälfte des Einkommens erwirtschafteten die Betriebe mit Ausgleichsleistungen und Direktzahlungen.
Gurr-Hirsch nahm auch die Landwirte selbst in die Pflicht. Sie müssten ihre Marktchancen ausloten, auf Qualität und Spezialitäten setzen und regionale Absatzchancen nutzen. Beim Preis könnten Produkte aus BadenWürttemberg mit der weltweiten Konkurrenz nicht mithalten. Deshalb seien Qualität und Alleinstellungsmerkmale wichtig. Regional sei Kult, und Bio eine Chance.
Ernährungsführerschein für die Kleinen in der Grundschule
Auch wenn sich Landwirte durch erneuerbare Energien, Direktvermarktung, Pensionspferde oder Landtourismus zusätzliche Einkommen erschlössen, hätten sie auf die internationale Marktentwicklung wenig Einfluss. Ändern könnten sie nur ihre Betriebsausrichtung und Kostenstruktur. Da kämen Bildung und Beratung ins Spiel udn da sehe sich das Land in der Pflicht. ber das Entwicklungsprogramm Ländlicher Raum stünden von 2014 bis 2020 1,8 Milliarden Euro zur Verfügung, davon gingen 1,6 Milliarden direkt in die Landwirtschaft. Dazu kämen Betriebsprämien von 400 Millionen Euro im Jahr.
Auch die Verbraucher seien der Schlüssel zu vielen Problemen. Wenn sie nachhaltig produzierte Lebensmittel wollten, müssten sie einen angemessenen Preis zu bezahlen. GurrHirsch setzt auf die Kleinen: Mit einem Ernährungsführerschein in der Grundschule und Hochbeeten sollen sie ein Gefühl dafür bekommen, was da jeden Tag auf ihrem Teller liegt.