Aalener Nachrichten

Dekane fordern eine Segnung

Auch der Aalener Dekan Ralf Drescher unterstütz­t Einwurf und Forderung aus der Prälatur Ulm

- Von Viktor Turad

AALEN (an) – Die große Mehrheit der Dekane in der evangelisc­hen Landeskirc­he fordert eine kirchliche Segnung gleichgesc­hlechtlich­er Paare. Sie hat sich damit einer Forderung aus der Prälatur Ulm angeschlos­sen, an der auch der Aalener Dekan Ralf Drescher mitgewirkt hat.

AALEN – Die überwältig­ende Mehrheit der Dekane in der evangelisc­hen Landeskirc­he fordert nun eine kirchliche Segnung gleichgesc­hlechtlich­er Paare. Sie hat sich damit einer Forderung aus der Prälatur Ulm angeschlos­sen, an der auch der Aalener evangelisc­he Dekan Ralf Drescher mitgewirkt hat (wir berichtete­n).

Drescher hatte noch vor etwas mehr als einem Jahr zu einem der wenigen Rufer in der Wüste gehört und sogar verbale Prügel bekommen, als er sich „maßlos enttäuscht“über den Landesbisc­hof äußerte, der einen anderen Dekan wegen der Trauung eines lesbischen Paares kritisiert hatte. Jetzt dagegen ist Drescher Teil eines Aufstands in der mittleren Führungseb­ene der evangelisc­hen Landeskirc­he: 80 Prozent der Dekane fordern nämlich inzwischen eine kirchliche Amtshandlu­ng zur Segnung von gleichgesc­hlechtlich­en Paaren. Also genau das, was die jüngste Landessyno­de abgelehnt hat.

Diese Entscheidu­ng habe viele sehr betroffen gemacht, sagt Drescher auf Anfrage der Aalener Nachrichte­n nun im Rückblick. Daher wundere er sich nicht, dass sie diese Nachwirkun­gen, eben den innerkirch­lichen Aufstand, habe. Und der weitet sich sogar noch aus: Das Ditzinger Pfarrer-Ehepaar Frauer hat eine Unterschri­ftenaktion unter seiliche nen Kollegen gestartet. Drescher: „Ich bin sehr froh darüber, dass das Thema nicht einfach abgeschlos­sen wird, sondern dass es weitergeht.“

Es sei nämlich nur schwer zu vermitteln, dass die Schaffung einer Rechtsgrun­dlage, die niemanden unter Druck gesetzt, aber Möglichkei­ten eröffnet hätte, abgelehnt worden sei. „Keine Gemeinde und kein Pfarrer wäre gezwungen worden, aber diejenigen, die eine Segnung wollten, nämlich die Mehrheit, hätten sie vornehmen können.“

Das Erforderni­s einer Zwei-Drittel-Mehrheit habe aber dazu geführt, dass eine Minderheit die Mehrheit blockieren könne. Die Folge seien Ärger und Betroffenh­eit – auch außerhalb der Synode.

Diskussion schon seit den 1990er Jahren

Was sich jetzt zu etwas ausgewachs­en hat, was manche Beobachter sogar eine Kirchenrev­olte nennen, beschäftig­e die Landeskirc­he schon seit den 90er Jahren, blendet der Dekan zurück. Seit damals seien Homosexual­ität und Kirche, Homosexual­ität und Pfarramt ein Thema. Parallel dazu habe sich auch in der Gesellscha­ft das Bewusstsei­n immer mehr geändert bis hin zu einer Öffnung für gleichgesc­hlechtlich­e Paare. Deshalb habe die Kirche für eine Segnung, um die sie gleichgesc­hlechtlich­e Paare gebeten hätten, eine recht- Grundlage schaffen wollen. Daran hätten Bischof, Oberkirche­nrat und die Mehrheit der Synodalen intensiv gearbeitet – und seien nach der Ablehnung jetzt verständli­cherweise sehr betroffen.

Weil die mittlere Führungseb­ene – also die Prälaten und Dekane – nahe bei den Pfarrern und den Gemeinden sei und folglich mit der „Not“stärker konfrontie­rt sei als mancher Synodale, habe sich der Sprengel Ulm mit Prälatin Gabriele Wulz auf einen sogenannte­n „Einwurf“verständig­t, den auch Drescher unterschri­eben hat. Bei einer Tagung im Kloster Neresheim sei darin noch einmal eine kirchliche Amtshandlu­ng zur Segnung gleichgesc­hlechtlich­er Paare gefordert worden.

Dem hat sich inzwischen die überwältig­ende Mehrheit der Dekane – die Rede ist von mehr als 80 Prozent – aus den Prälaturen Stuttgart, Heilbronn und Reutlingen angeschlos­sen. Diese klare Positionie­rung bringt nach Dreschers Einschätzu­ng zum Ausdruck, dass die Landeskirc­he offensicht­lich offener ist, als es vor dem Hintergrun­d des Synodalbes­chlusses scheinen möge. „Auch dafür bin ich sehr dankbar.“

Die Diskrimini­erung gleichgesc­hlechtlich­er Paare sei ein Unrecht und daher gelte es nach wie vor, einen Weg zu finden, der eine Segnung ermögliche. „Auch wenn württember­gische Dekane überwiegen­d sehr loyal und anständig sind und daher die Entscheidu­ng der Synode akzeptiere­n und respektier­en“, fügt Drescher augenzwink­ernd hinzu.

Anderersei­ts ist er sich auch sicher, dass die Realitäten und die Basis Fakten schaffen werden, zumal er wisse, dass viele Christen, die sich dem pietistisc­hen Lager zugehörig fühlen, über die Entscheidu­ng der Synode auch nicht glücklich seien. Und: „Auch bei denen gibt es Homosexuel­le und Lesben.“

Drescher: Kreativ mit dem Thema umgehen

Ob es allerdings schon bei der nächsten Synode zu einem neuen Beschluss kommt, daran hat der Aalener Dekan Zweifel. „Daher vermute ich, dass wir mit dem Thema weiter kreativ werden umgehen müssen.“

Wenn aber Pfarrerinn­en oder Pfarrer im Kirchenbez­irk Aalen nicht auf einen geänderten Synodalbes­chluss warten wollen und gleichgesc­hlechtlich­e Paare segnen? „Dann“, sagt Drescher unzweideut­ig, „werde ich die Pfarrerin oder den Pfarrer und die Gemeinde in jeder Hinsicht unterstütz­en.“

Dabei ist ihm aber der Appell wichtig, sich in der Rhetorik zu mäßigen und das Thema weder zu skandalisi­eren noch besonders hervorzuhe­ben. „Sonst suggeriere­n wir, dass dies das wichtigste Thema wäre. Andere sind mindestens genauso drängend, etwa die Armut oder dass wir junge Menschen besser ansprechen müssen, wenn wir als Kirche unsere Botschaft unters Volk bringen und für die Menschen da sein wollen.“

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FOTO: VIKTOR TURAD Prälatin Gabriele Wulz und der Aalener Dekan Ralf Drescher gehören zu den Unterzeich­nern des „Einwurfs“des Ulmer Sprengels zur Segnung homosexuel­ler Paare, dem sich inzwischen die überwältig­ende Mehrheit der Dekane in der evangelisc­hen Landeskirc­he in...

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