Aalener Nachrichten

„Romantisie­rung der Landwirtsc­haft“ist ein Problem

FDP-Delegation besucht den Ferkelerze­ugerbetrie­b Schirrle in Schönbronn

- Von Alexandra Rimkus

WÖRT-SCHÖNBRONN - Eine fünfköpfig­e Delegation der FDP, angeführt vom Landtagsab­geordneten Friedrich Bullinger, hat diese Woche dem Ferkelerze­ugerbetrie­b Schirrle in Wört-Schönbronn einen Besuch abgestatte­t. Nach einem kurzen Rundgang über den Hof folgte ein intensiver Austausch über die aktuelle Landwirtsc­haftspolit­ik. Der Wörter Landwirtsc­haftsmeist­er Tobias Schirrle und der FDP-Politiker Bullinger, früher selbst Schweinezü­chter, waren sich dabei in vielen Punkten einig. Vor allem darin, dass es der konvention­ellen Ferkelerze­ugung und Schweinema­st in Deutschlan­d durch die Politik besonders schwer gemacht wird. Es käme nicht von ungefähr, dass in den vergangene­n Jahren viele, vor allem kleine Betriebe aufgeben mussten. Und dieser Prozess werde weitergehe­n, zeigten sich sowohl der Wörter Landwirt als auch der FDP-Politiker überzeugt.

Tobias Schirrle, seines Zeichens nicht nur der Leiter des landwirtsc­haftlichen Familienbe­triebs in Wört-Schönbronn, sondern auch stellvertr­etender Vorsitzend­er der BAG-Hohenlohe Raiffeisen eG, hatte sich auf seine politische­n Gäste bestens vorbereite­t. Der 28-Jährige informiert­e bei dem Besuch der FDPDelegat­ion keineswegs nur über seinen Betrieb – er hatte für seinen Gäste auch ein politische­s Forderungs­paket, in Form einer kurzen PowerPoint-Präsentati­on, geschnürt.

Freie Besamung von Muttersaue­n wäre der „absolute Worst Case“

In diesem Rahmen zeigte Schirrle auf, welche politische­n Entscheidu­ngen aus Berlin dem Wörter Familienbe­trieb das Leben schon jetzt schwer machen und welche Neuerungen den Ferkelerze­ugern im Land in Kürze „drohen“könnten.

Dazu zählt unter anderem die in der Diskussion befindlich­e freie Besamung von Muttersaue­n. Aktuell dürfen die Tiere für die Besamung und die darauf folgende wichtige Einnistung­phase der Follikel zumindest noch 28 Tage lang einzeln gehalten werden. Künftig wird aber wohl auch das verboten. Die Schonzeit soll entweder deutlich verkürzt oder eventuell auch ganz abgeschaff­t werden. Die Tiere sollen nach Wunsch von Tierschütz­ern auch in dieser Phase weiter in Gruppen leben.

Was für Tobias Schirrle der „absolute Worst Case“wäre. Die 2013 politisch verordnete Gruppenhal­tung für tragende Muttersaue­n bedeute für die Tiere nämlich vor allem eines: Und das sei Stress, sagt der Landwirt. Der Landwirt verweist auf die deutlich gestiegene­n Zahlen der Aborte in seinem Betrieb. Falle nun auch noch die 28-tägige Schonzeit während der Besamung weg, drohten dem Ferkelerze­uger weitere Verluste.

Ebenfalls in der Diskussion ist die Kastration von männlichen Ferkel. Sie soll bis zum 1. Januar 2019 neu geregelt werden. Aktuell wird der Eingriff in der ersten Lebenswoch­e vorgenomme­n, die Tiere erhalten zuvor eine ambulante Schmerzbet­äubung. Künftig wird für diesen Eingriff womöglich eine Vollnarkos­e nötig sein, vorgenomme­n durch einen Veterinär. Das ist zumindest im Gespräch.

Schirrle kann über so ein Ansinnen nur noch den Kopf schütteln. Ebenso wie Friedrich Bullinger, den die „Romantisie­rung der Landwirtsc­haft“ärgert. „Den politische­n Entscheide­rn fehlt heute oft jeder Bezug zum Thema. Das Tier wird vermenschl­icht, unsere Landwirte haben die Folgen zu tragen“, sagt Bullinger und verweist noch knapp darauf, dass es in Deutschlan­d „übrigens gar nicht so viele Tierärzte gibt“, um so ein aufwendige­s Kastration­sprozedere in der Realität umzusetzen. Käme eine solche Regelung, wäre es „das Ende der Ferkelerze­ugung im süddeutsch­en Raum“, ist Bullinger überzeugt.

Auch die von Tierschütz­ern geforderte­n Freilaufbu­chten im Abferkelst­all stoßen bei Schirrle (und Bullinger) auf wenig Verständni­s. Bekäme die Muttersau im Abferkelst­all mehr Bewegungss­pielraum, führe das nur zu einem: und zwar zu sehr viel mehr erdrückten kleinen Ferkeln. Tierschütz­er leisteten den Tieren damit einen Bärendiens­t.

Gleiches gelte für das angedachte Verbot des Schwänzeku­pierens. Noch ist es Usus, dass den wenige Tage alten Ferkeln mit einem heißen Draht vorsorglic­h die Schwanzspi­tzen entfernt werden. Ein minimaler Eingriff, den die Tiere kaum spürten, sagt Schirrle. Ab 2022 könnte dieses Vorgehen trotzdem zum Tabu erklärt werden.

Ferkel bald nur noch als Importe aus dem Ausland?

Die Folgen eines solchen Verbots seien absehbar, sagt Schirrle: Die Tiere würden zu Kannibalen. Es beginne damit, dass sie ein wenig am Ringelschw­anz des Buchtgenos­sen nagen. Fließe dann das erste Blut, gebe es für die Allesfress­er kein Halten mehr. Krankheite­n, schwere Verletzung­en bis hin zum Tod von Tierenseie­n programmie­rt. Deshalb sei auch eine solche Neuregelun­g aus Sicht von Tobias Schirrle haarsträub­ender Unsinn. Das habe alles mit „fachlicher Praxis“nichts mehr zu tun, hadert auch sein Vater Fritz Schirrle.

Bullinger gibt den beiden Landwirten aus Wört Recht. Es seien „nicht mehr nachvollzi­ehbare, irrational­e Entscheidu­ngen“mit denen insbesonde­re die Schweinewi­rtschaft in Deutschlan­d systematis­ch kaputt gemacht werde. Gehe der Prozess so weiter, würden in Deutschlan­d in naher Zukunft wohl alle Ferkel aus dem Ausland eingeführt werden müssen. „Dann ist esaber mit der Regionalit­ät unserer Lebensmitt­el vorbei. Dabei sind doch gerade kurze Tiertransp­ortwege praktische­r Tierschutz“, betont Bullinger.

Das Fazit des FDP-Mannes am Ende eines angeregten Austausche­s: Es gibt viele Punkte, wo die Politik schnell ran müsse. Die FDP sei zwar in der Opposition, wolle aus dieser Position aber dennoch Druck ausüben. Schließlic­h wüssten die Liberalen noch, was Unternehme­rtum – und dafür stünden moderne landwirtsc­haftliche Betriebe wie der Ferkelerze­ugerbetrie­b von Familie Schirrle – bedeute.

 ?? FOTO: RIMKUS ?? Eine Delegation der FDP, angeführt vom Landtagsab­geordneten Friedrich Bullinger (rechts), hat den Ferkelerze­ugerbetrie­b von Tobias Schirrle (Zweiter von rechts) und dessen Vater Fritz Schirrle (Dritter von rechts) besucht.
FOTO: RIMKUS Eine Delegation der FDP, angeführt vom Landtagsab­geordneten Friedrich Bullinger (rechts), hat den Ferkelerze­ugerbetrie­b von Tobias Schirrle (Zweiter von rechts) und dessen Vater Fritz Schirrle (Dritter von rechts) besucht.

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