In der Berufsschulklasse sind ein Viertel Mädchen
Ohne Steinmetze gäbe es keine Pyramiden in Ägypten, keine Büsten aus Stein von römischen Kaisern, keine Säulen im Dom zu Speyer, keine Ornamente, Skulpturen und Kreuzblumen am Kölner Dom. Stolz blicken die Steinmetze auf ihre Geschichte zurück, und selbst im Jahr 2018 haben sie noch einiges zu tun. Zum Beispiel Brunnen und Denkmale entwerfen und hauen, Küchen mit Steinplatten ausstatten oder Grabmale und Treppen setzen. Steinmetze – wie beim Metzger leitet sich die Bedeutung vom Mittelhochdeutschen „metzeln“(hauen oder zerhacken) ab – „beschäftigen sich mit Naturwerkstein, Betonwerkstein beziehungsweise Kunststein mit Werkzeugen und Maschinen“, heißt es bei der Innung. Und weiter: „Ihr Schwerpunkt liegt dabei auf handwerklicher, geometrischer, oft bautechnischer Arbeit nach Plänen. Der Beruf setzt sich aus vier Arbeitsfeldern zusammen: Grabmal, Denkmal, Bau und Gestaltung.“Kaum ein Betrieb macht alles gleichzeitig. Oft spezialisiert man sich. So wie die Geschwister Joser in Leutkirch. Stefan Joser, Steinbildhauermeister und Innungsobermeister für den Bezirk Oberschwaben, ist für Grab- und Denkmale zuständig. „Die Grabmale wiederum machen 90 Prozent unseres Geschäfts aus“, sagt der Handwerker, der gern kreativ ist und sich lieber Gestalter als Künstler nennt. Er leitet in der vierten Generation den Familienbetrieb, hat mehrere Bürokräfte und – „je nach Saison“– fünf bis sechs Mitarbeiter. Seine Schwester Petra, auch Steinbildhauermeisterin, hat sich mit einer eigenen Firma ganz auf Bau und exklusiven Innenausbau spezialisiert. „Das ist bei uns getrennt.“ Auszubildende hat Stefan Joser momentan einen. „Das reicht“, sagt er, „ich muss leider immer wieder Anfragen ablehnen.“Bei ihm wird man zum Steinbildhauer ausgebildet. Da liege der Schwerpunkt mehr auf dem Kreativen, Gestalterischen. „Steinmetz ist man dann automatisch“, erklärt der Fachmann, „umgekehrt allerdings nicht.“Was ein Auszubildender mitbringen muss, kann der 49-Jährige klar benennen. Ganz konkrete Vorstellungen hat er hier. „Ich will jemand, der Schrift und Design kann, Geschmack hat, die Gestaltungssoftware bedienen und außerdem draußen arbeiten mag.“Auch Mädchen sind gern gesehen am Stein. „Die sind dann oft hoch motiviert“, weiß der Meister. Henryk Schlenker ist derzeit bei ihm in der Lehre, in seinem zweiten Ausbildungsjahr. In seiner Berufsschulklasse sind ein Viertel Mädchen. Schrift hauen lernt er noch, Design schreckt ihn nicht ab, und das Gestaltungsprogramm am PC kann er auch schon längst. Ob er Geschmack hat, müssten andere beurteilen. „Wind und Wetter stören mich jedenfalls nicht und ich finde meine Ausbildung total abwechslungsreich“, sagt der 20-jährige Leutkircher, der schon als Kind vom Material Stein fasziniert war: „Es ist doch einfach schön, eine polierte Oberfläche anzuschauen.“Steine und polierte Flächen sieht er täglich, falls er nicht gerade zum Blockunterricht in Freiburg (etwa fünf- bis sechsmal im Jahr) ist oder in Mainz, wo die überbetrieblichen Lehrgänge stattfinden. Alle württembergischen Auszubildenden müssen nach Freiburg, die bayerischen nach München zur Berufsschule. „An Statuen rumwerkeln ist nicht der Alltag“, sagt Henryk Schlenker, „Grabmale setzen und abräumen schon eher.“Er bringt die Grabsteine mit der Säge in Form, meißelt Schriften hinein, bearbeitet und schleift Oberflächen und hilft bei den Abräumarbeiten auf dem Friedhof. Nach dem Realschulabschluss und einem einwöchigen Praktikum bei Stefan Joser hat er sich gleich hier beworben. Jetzt steht er an einem Block und hämmert an einem gelblichen Stein herum. In der großen Halle ist es kalt, der Boden ist nass. Das stört ihn nicht. „Warme Klamotten bekomme ich gestellt.“Ein Mitarbeiter bedient im Hintergrund den riesigen Kran. Beide tragen Ohrenschützer. „Hier wird sehr auf die Gesundheit geachtet“, sagt Schlenker und zeigt auf Stahlkappenschuhe, Atemschutz, Knieschoner und den Kran. Er hat Meißel (oder Eisen, wie die Steinmetze sagen) und Klüpfel, einen hölzernen Hammer, in den Händen. „Profil mit Falz und Hohlkehle“, erklärt er und zeigt auf die Vertiefungen. „Ein Profil in Stein schlagen, das muss ich bald bei der Zwischenprüfung können.“ Sein Chef führt derweil ein Beratungsgespräch im Büro. „Das ist ein hoch emotionales Geschäft“, sagt er, „schließlich ist ein Denkmal setzen ein wichtiger Teil der Trauerbewältigung.“Er leidet, „weil die Totenkultur den Bach runtergeht“. Und weil ein Wandel im Bestattungsmarkt stattfinde, „hin vom Doppel-Familiengrab zur Feuerbestattung“. Davon abgesehen überschwemme Billigware chinesischer oder indischer Herkunft den Markt. Einzig mit Spezialisten könne man dagegenhalten, ist er überzeugt. „Wir müssen den Kunden kreative, schöne Grabmale machen und nur, wenn junge, niveauvolle, intelligente Menschen kommen, kann dieser Beruf gerettet werden.“ Henryk Schlenker hat bald Halbzeit in seiner Lehre und schaut zuversichtlich in die Zukunft. „Ich habe gehört, dass im Ausland Fachkräfte gesucht werden und dass richtig gut bezahlt wird.“Dabei weiß er noch gar nicht, ob es ihn überhaupt wegzieht. Und auch nicht, ob er bei Grabmalen bleibt. Aber dass er immer noch vom Kreativen, Künstlerischen seines Jobs angetan ist, daran gibt es keinen Zweifel. „Es macht mir einfach Spaß, Steine zu bearbeiten“, sagt er, „und ich bin überzeugt, dass dieser Beruf gut zu mir passt.“