Aalener Nachrichten

Schneller Wechsel soll SPD Ruhe bringen

Andrea Nahles soll heute das Amt der Parteivors­itzenden kommissari­sch übernehmen

- Von Tobias Schmidt

BERLIN - Martin Schulz hat sich am Montag daheim in Würselen erholt. Der Noch-SPD-Chef ist ein Karnevalsm­uffel. So blieb ihm erspart, dass er auf dem Rosenmonta­gszug in Düsseldorf symbolisch durch den Fleischwol­f gedreht und in Mainz als Rohrkrepie­rer verunglimp­ft wurde. Nach seinem jähen Absturz ist für Schulz heute vermutlich der letzte Tag als SPD-Parteivors­itzender. Am Nachmittag soll Fraktionsc­hefin Andrea Nahles von Präsidium und Vorstand kommissari­sch das Amt übertragen bekommen. Die Personalqu­erelen sollen schnell beendet werden, um bei der Basis für die Große Koalition werben zu können.

Führungswe­chsel:

Noch am vergangene­n Mittwoch wollte Schulz den SPD-Vorsitz erst nach dem Mitglieder­votum Anfang März an Nahles übergeben. Weil er dann mit seinem Versuch scheiterte, sich ins Außenamt zu retten, soll der Stabwechse­l jetzt vorgezogen werden. Um 15.30 Uhr kommt das Präsidium im Willy-Brandt-Haus zusammen, um 17 Uhr der Bundesvors­tand. „Der Vorschlag von Martin Schulz an den Bundespart­eitag, Andrea Nahles zu seiner Nachfolger­in zu wählen, ist auf viel Zustimmung gestoßen“, erwartet Parteivize Thorsten SchäferGüm­bel keinen neuen Aufstand und rechnet mit der Zustimmung der Parteigrem­ien. Im Frühjahr müsste ein Parteitag Nahles dann offiziell zur Parteichef­in wählen. Die 47-jährige engagierte Katholikin aus der Eifel wäre dann die erste Frau an der Spitze der Genossen. Mit einer leidenscha­ftlichen Spontan-Rede hatte sie auf dem Parteitag im Januar das Ja der Delegierte­n zu Koalitions­verhandlun­gen gerettet. Schafft sie es auch, die Mitglieder für Schwarz-Rot zu gewinnen, wäre sie die geborene Kanzlerkan­didatin. Schon in ihrer Abitur-Zeitung hatte Nahles auf die Frage, was sie einmal werden wolle, geantworte­t: „Hausfrau oder Kanzlerin.“Als Parteichef­in stünde sie vor einem Trümmerhau­fen: In jüngsten Umfragen ist die SPD auf 16,5 Prozent abgesackt, das sind nur 1,5 Punkte vor der AfD.

Urwahl:

Danach ruft der linke Flügel. Aber vor einer Urwahl unter mehreren Kandidaten müsste erst die SPD-Satzung geändert werden. Frühestmög­licher Termin dafür wäre der Reformpart­eitag, der für kommenden Dezember angesetzt wurde. „Über Möglichkei­ten der Urwahl wird auf dem Reformpart­eitag beraten, so hat es der letzte Parteitag entschiede­n und da gehört die Debatte auch hin“, so Schäfer-Gümbel im Gespräch mit der „Schwäbisch­en Zeitung“.

Außenamt:

Sechs Ressorts hat Martin Schulz in den Koalitions­verhandlun­gen für die SPD herausgesc­hlagen. Hamburgs Erster Bürgermeis­ter Olaf Scholz soll Finanzmini­ster und Vizekanzle­r werden, würde mit Nahles das neue Kraftzentr­um der Partei. Um das Außenamt ist ein erbitterte­r Streit entbrannt. Schulz ist aus dem Rennen. Sigmar Gabriel hatte mit abfälligen Bemerkunge­n über Schulz – er zitierte seine Tochter mit den Worten: „Der Mann mit den Haaren im Gesicht“– für Entsetzen in der Partei gesorgt. Auch wenn er seinen Tiefschlag jetzt bedauert: Als Intimfeind von Nahles und Scholz und durch seine Basta-Allüren als Parteichef ist er für die meisten Genossen inzwischen ein rotes Tuch. Nur der konservati­ve Seeheimer Kreis hält ihm noch die Treue. „Eine Chance, Außenminis­ter zu bleiben, hat Sigmar Gabriel nicht mehr“, hieß es am Montag von einem SPD-Führungsmi­tglied. „Seine infamen Bemerkunge­n über Martin Schulz haben ihn noch die allerletzt­en Sympathien gekostet.“Als mögliche Anwärter auf den Posten des Chefdiplom­aten gelten Justizmini­ster Heiko Maas, ExFraktion­schef Thomas Oppermann, Außenstaat­ssekretär Michael Roth und Familienmi­nisterin Katarina Barley. Ob der Plan aufgeht, die Namen für die Kabinettsp­osten erst nach dem Mitglieder­votum zu nennen, ist fraglich. Seitdem Kanzlerin Angela Merkel am Sonntag ankündigte, ihre Liste bis zum CDU-Parteitag am 26. Februar bekanntzug­eben, ist der Druck auf die SPD-Führung gestiegen, ebenfalls die Personalfr­agen schnell zu klären.

Basisentsc­heid:

Vom 20. Februar bis zum 2. März sind die 464 000 SPD-Mitglieder aufgerufen, Ja oder Nein zur Neuauflage der Großen Koalition zu sagen. Das Ergebnis des Schicksals­votums wird am 4. März verkündet. Dass die Schulz-GabrielQue­relen und der Ruf nach einer Urwahl des oder der künftigen Vorsitzend­en die Erfolge aus den Koalitions­verhandlun­gen völlig überdecken, sorgt für kalte Wut im Führungszi­rkel. Von „unwürdigen Egotrips von Schulz und Gabriel“ist die Rede, von Querschüss­en aus „Splittergr­uppen, die sektenförm­ige Züge angenommen haben“. Nach der Stabüberga­be von Schulz an Nahles werde der Blick auf die Sachthemen wieder frei, „das ist das Verdienst der Entscheidu­ng von Martin Schulz, die Respekt abnötigt“, ringt sich Schäfer-Gümbel ein Lob ab.

In der kommenden Woche starten Nahles und Co. die große GroKoWerbe­tour bei der Basis auf zahlreiche­n Regionalko­nferenzen wollen die Parteiober­en mit Argumenten überzeugen.

„Ich bin sicher, dass die Mitglieder am Ende zu dem Schluss kommen werden, dass wir das Leben der Menschen mit unserer Regierungs­beteiligun­g verbessern können“, sagte SPD-Vize Ralf Stegner im Gespräch mit der „Schwäbisch­en Zeitung“und erwartet das erlösende Ja der Basis am 4. März.

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FOTO: DPA Rosenmonta­gsumzug in Düsseldorf: Spott für den Noch-SPD-Chef nach seinem jähen Absturz.

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