Verweht vom gefährlichen Wind
Snowboarderin Silvia Mittermüller übt nach ihrem dramatischen Olympia-Aus Kritik
PYEONGCHANG (dpa/SID/sz) - So hat sich Silvia Mittermüller ihr Olympia-Debüt nicht vorgestellt. Kurz vor dem Start des vom Wind geplagten Slopestyle-Finales verletzte sich die ohnehin vom Fieber geschwächte 34-jährige Münchnerin in ihrem letzten Trainingslauf bei einem Sturz am finalen Kicker.
„Es war unverantwortlich“, sagte Mittermüller später, als ihr allzu vorzeitiges Aus bei ihren ersten Olympischen Spielen. Sie meinte damit aber nicht ihren Sturz – sie übte vielmehr scharfe Kritik am Veranstalter, der das Finale trotz starker Winde nicht absagte. „Mich hat eine Windböe erwischt, dadurch bin ich zu kurz gekommen und voll eingeschlagen“, so Mittermüller, die nach dem Sturz dennoch zum Start hochgefahren war, dann aber den Kurs nur noch seitlich abrutschen konnte und damit das Finale als 26. beendete. „Das war leider keine Werbung für unseren Sport“, sagte Sportdirektor Stefan Knirsch von Snowboard Germany. „Die Leistungen im Finale sind aufgrund der äußeren Bedingungen weit hinter dem internationalen Top-Niveau zurückgeblieben. Wir müssen mit der FIS nach Möglichkeiten suchen, unsere Athleten besser zu schützen, zum Beispiel mit Windmessungen oder Ampelanlagen am Start.“
Trotz Hirnblutung Start erkämpft
Mittermüllers ersehnte OlympiaPremiere endete also schon vor dem Wettkampf dramatisch. Nach einer Hirnblutung im Herbst hatte sich die Freestyle-Snowboarderin für die Winterspiele in Pyeongchang qualifiziert, trotz Fiebers wollte sie am Montag bei schwierigen Bedingungen unbedingt im Finale starten. Der Sturz verhinderte dies. Am Montagnachmittag postete Mittermüller Röntgenaufnahmen ihres Knies, darüber schrieb sie den unmissverständlichen Satz: „Das war’s mit olympischem Snowboarden für mich.“Der Start im Big Air kommende Woche: unmöglich. Die bittere Diagnose: Riss des Innenmeniskus. „Ich bin nach Südkorea gekommen, um Olympia mit allen Sinnen aufzusaugen und alles zu geben. Das habe ich trotz der herausfordernden und gefährlichen Bedingungen heute probiert und dafür bezahlt“, schrieb sie später bei Twitter.
Mittermüller war der größte, nicht aber der einzige Pechvogel im Finale, das um 75 Minuten nach hinten verschoben worden war. Die Snowboarderinnen stürzten reihenweise. Von den 50 Läufen endeten 41 mit einem Sturz oder mit Boarderinnen, die ihre Tricks nicht zu Ende bringen konnten. Selbst Siegerin Jamie Anderson (USA) war „nicht besonders stolz“auf ihre Darbietung. „Es war ziemlich gefährlich. Man wusste nicht, was einen erwartet. Sie hätten es absagen oder verschieben sollen“, sagte die drittplatzierte Enni Rukajarvi aus Finnland. Fragwürdig bleibt, warum der SkiWeltverband FIS am Montag zunächst das Training und anschließend die Entscheidung im Slopestyle durchdrücken wollte – den Riesenslalom der Frauen hatte er zuvor wegen Windes abgesagt. Der heftige Eis-Wind von Pyeongchang wirbelt das OlympiaProgramm kräftig durcheinander. Auch die HerrenAbfahrt wurde auf Donnerstag verschoben. „Das war auch richtig, dass wir nicht fahren“, sagte GoldKandidatin Viktoria Rebensburg. „Es sind Olympische Spiele, da ist es wichtig, dass die Verhältnisse fair sind.“Laut Wettervorhersage wird der starke Wind bis Mittwoch anhalten. Für die Kombination der Herren am Dienstag waren das keine guten Vorzeichen – beim dritten geplanten olympischen Alpin-Rennen drohte die dritte Verschiebung. Skispringer Noriaki Kasai aus Japan
Der bis zu 70 Stundenkilometer starke Wind bringt noch weitere Probleme mit sich. Die gefühlte Temperatur sinkt auf zweistellige Minusgrade, was auch den Zuschauern auf den häufig halbleeren Tribünen Schmerzen verursacht. Beim Skispringen wird versucht, mit riesigen Netzen die starken Böen zu bändigen. „Die Lautstärke des Winds war oben beim Sprung unglaublich. Ich habe so etwas noch nie erlebt im Weltcup“, sagte der Japaner Noriaki Kasai – im Alter von 45 Jahren mit einiger Erfahrung ausgestattet.
Ein schwacher Trost für Mittermüller: Bei der Eröffnungsfeier konnte sie dabei sein, und wer die Bilder gesehen hat, die sie anschließend verbreitete, der sah, wie glücklich sie war, dass sie das letzte Puzzlestück ihrer bewegten Karriere in den Händen hielt.
Doch nur drei Tage später erwachte sie jäh aus ihrem schönen Traum. Verweht vom gefährlichen Wind. Nachholtermine stehen fest: Die Organisatoren der Winterspiele haben die Anfangszeiten des Damen-Riesenslaloms und der Herren-Abfahrt am Donnerstag um jeweils eine halbe Stunde nach hinten verschoben. Der erste Durchgang des Riesenslaloms mit Medaillen-Hoffnung Viktoria Rebensburg beginnt nach einer Mitteilung vom Montag nun um zwei Uhr MEZ, die Entscheidung fällt im zweiten Lauf ab 5.45 Uhr MEZ. Dazwischen wird die Abfahrt mit Kitzbühel-Sieger Thomas Dreßen um 3.30 Uhr MEZ gestartet. Eine Begründung für die späteren Startzeiten wurde nicht genannt. Der Riesenslalom war am Montag wegen starken Windes abgesagt worden. Luftige Eiskunstläufe: Beiden Olympischen Jugend winterspielen 2020 in Laus anne finden die Eiskunstlauf wettbewerbe unter freiem Himmel statt. Das teilte das IOC in Pyeongchang mit. Die dritte Austragung der Spiele überschreitet auch Ländergrenzen. Die Schauplätze der Wettbewerbe im nordischen Skisport und im Biathlon liegen in Frankreich. Das Bananenritual: Abergläubisch ist der als pragmatisch geltende Biathlet Arnd Peiffer nicht. Aber auf ein Ritual verzichtet der Überraschungs-Olympiasieger im Sprint dann doch nicht. Eine halbe Stunde vor dem Start eines Rennen isst der 30Jährige immer eine Banane. „Es spielt keine Rolle, ob sie groß oder klein ist, ich halte mich einfach an das Ritual“, sagt er. Philosophie aus der Schulzeit: Nach einem schweren Motorradunfall 2015 und einem Schlaganfall beim Mountainbiking im Jahr 2016 erlebt der kanadische Eisschnellläufer Denny Morrison in Pyeongchang seine vierten Winterspiele. Ihn habe sein Lieblingszitat aus der Schulzeit motiviert. „Du weißt nie, was du tun kannst, bis du es versuchst“, hatte eine Lehrerin an die Tafel geschrieben. „Und jedes „du“war unterstrichen“, berichtete der OlympiaZweite von Sotschi über 1000 Meter. „Das war meine Philosophie, durch alle Höhen und Tiefen“, fügte er hinzu. Er tritt bei den Spielen an, obwohl ihm noch eine weitere Knie-Operation droht. Abhang in der Einfahrt: Auch ohne die olympische Bronzemedaille war Johannes Ludwig für seine beiden Kinder der RodelKönig. In diesem Winter habe er ihnen in der Hofeinfahrt einen Abhang mit einer kleinen Steilwandkurve gebaut. „Meine Tochter ist allerdings noch etwas klein, sie ist immer vom Schlitten gefallen“, berichtete Ludwig. „Das muss sie noch üben.“ Das Beste kommt noch: Snowboard-Superstar Shaun White ist in Pyeongchang die Attraktion. Sein großer Auftritt bei den Winterspielen wird in der Nacht zum Mittwoch folgen. Der 31-Jährige will zum dritten Mal Olympia-Gold feiern. Whites Ansage klingt in jedem Fall wie eine Drohung. „Ich denke nicht, dass wir meinen besten Lauf schon gesehen haben“, erklärte der Kalifornier.
„Die Lautstärke des Winds war oben unglaublich.“