Gold – und keiner hat’s gesehen
Besonders am Berg ist der Zuschauerzuspruch enttäuschend – Athleten und Trainer murren
PYEONGCHANG (SID/dpa) - Die Weltregie zoomt heran. Das hilft. Einerseits beim Ausblenden der größeren Lücken auf den Tribünen in den Bergen von Pyeongchang – und andererseits: Wenn die wenigen, die gekommen sind, dann auch noch freundlich winken, können 100 Zuschauer durchaus wie 1000 wirken. Die Olympischen Winterspiele kämpfen mit geringem Publikumsinteresse – besonders bei den von den Deutschen dominierten Disziplinen.
„Ich möchte jetzt nicht das Wort Trauerspiel in den Mund nehmen“, sagte Biathlon-Bundestrainer Gerald Hönig. Zu spät. Ist ja auch logisch: „Was hat Korea mit Wintersport zu tun?“, fragte er. „Das wirkt sich hier eben aus.“Sein Skisprung-Kollege Werner Schuster zog einen nicht eben charmanten Vergleich mit dem „Deutschlandpokal“.
Auch die Athleten bemerken, dass es in Sachen Fanbegeisterung besonders am Berg recht übersichtlich ausschaut. „Aber Respekt für die, die noch da sind“, so Olympiasieger Andreas Wellinger nach seinem Goldsprung. Denn wer will sich bei minus 18 Grad und schneidendem Wind schon die Beine in den Bauch stehen? Die Abwesenheit, sagt auch Wellinger, ist „niemandem zu verübeln“.
Dennoch macht sich Enttäuschung breit. Auch beim bisherigen Superstar dieser Spiele. „Das habe ich mir schon anders vorgestellt“, sagte Laura Dahlmeier nach ihrer ersten Medaillenübergabe. Dabei bibberte sie selbst und wollte nur noch ins Warme flüchten. Immerhin rund 700 Leute waren gekommen – aber nach der Ehrung eines koreanischen Shorttrackers gingen 90 Prozent von ihnen nach Hause.
Unten, im sogenannten Coastal Cluster Gangneung bei den Eisstadien, sieht es besser aus. Bei den Shorttrackern peitschen die Koreaner ihre Helden nach vorne. Eishockey ist auch ordentlich besucht.
Ein wesentlicher Stimmungstöter sind aber auch die späten Wettkampfzeiten. Starts um 21.30 Uhr (13.30 Uhr MEZ) haben Wellinger & Co. beim Großschanzen-Wettbewerb am Samstag und beim Teamwettbewerb am Montag noch vor sich. Ob die Interessen der Fernsehanstalten bei der Gestaltung des Zeitplans Vorrang vor denen der Sportler und Zuschauer am Ort hätten, wird zurückgewiesen. Für das mitteleuropäische Fernsehpublikum sind die Startzeiten der Skispringer und Biathleten jedenfalls günstig, für die Sportler zumindest ungewohnt.
Die in den USA besonders populären Eiskunstlauf-Wettbewerbe finden am südkoreanischen Vormittag statt, so dass NBC sie zur besten Sendezeit in den Vereinigten Staaten ausstrahlen kann. NBC zahlt rund 6,3 Milliarden Euro für die Rechte an den Spielen bis 2032. Discovery hat sich die europäischen TV-Rechte für die vier Olympischen Spiele bis 2024 für 1,3 Milliarden Euro gesichert. Fuhrmann dazu: „Wer das meiste zahlt, hat den größten Einfluss.“
Zumindest Althaus ist zufrieden
Andreas Bauer, der Trainer der Skispringerinnen, erklärt das Dilemma: „Auf der einen Seite möchte man im Fernsehen präsent sein und Einschaltquoten generieren. Das tut der Sportart gut, das tut den Athleten gut. Auf der anderen Seite will man stimmungsvolle Bilder sehen und da gehört auch eine gewisse Kulisse dazu. Es ist schwierig, ein Maß zu finden.“Offiziell waren am Montag an allen Wettkampfstätten insgesamt 57 000 Zuschauer zugegen, die Gesamtauslastung der Spiele liege bei 85 Prozent (von insgesamt 1,1 Millionen Tickets). Dies verträgt sich nicht mit dem subjektiven Eindruck.
Besser haben es die, die ansonsten weitgehend unter Ausschluss der Öffentlichkeit ihr Werk vollbringen. Skispringerin Katharina Althaus, die Silber holte, war zufrieden: „Ich fand die Stimmung echt gut. Im Weltcup sind es viel weniger Zuschauer.“Vielleicht 1000 Versprengte waren an der Schanze.