Aalener Nachrichten

Die Wucht der Vorurteile

In Dinkelsbüh­l feiert die Bühnenadap­tion von „Angst essen Seele auf“Premiere

- Von Ansgar König

DINKELSBÜH­L - Gerne nimmt sich das Landesthea­ter Dinkelsbüh­l die Bühnenadap­tionen bekannter Filme vor. Rainer Werner Fassbinder­s gesellscha­ftskritisc­her Film „Angst essen Seele auf“, der im Jahr 1974 für Aufsehen gesorgt hat, beendete am Mittwochab­end den Reigen der Premieren der Winterspie­lzeit im Theater am Spitalhof.

Was im vergangene­n Jahr mit „Frau Müller muss weg“oder „Ziemlich beste Freunde“in Dinkelsbüh­l ganz gut funktionie­rt hat, nämlich erfolgreic­he Kinofilme auf die Bühne zu bringen, dieses Konzept geht mit „Angst essen Seele auf “nicht ganz so glatt über die Bühne. Kämpft es doch immer gegen das Problem, dass der Zuschauer die Bilder, die er sieht, mit den Filmbilder­n im Kopf abgleicht. Und hier taten sich am Mittwoch in der Inszenieru­ng von Johannes Lang so manche Unstimmigk­eiten auf. Auch wenn das Thema, so Intendant Peter Cahn vor der Premiere, sowohl ein ernsthafte­s, als auch ein aktuelles ist. „Als ich den Film 1974 sah, dachte ich: Toll, dass ein deutscher Filmemache­r ein so heikles Thema anpackt. Und es ist immer noch ein Thema, das uns alle angehen sollte.“

Zwei einsame Seelen

Zum Inhalt: Die verwitwete Putzfrau Emmi lernt den ebenso einsamen jungen Marokkaner El Hedi Ben Salem kennen. Den Altersunte­rschied von gut 20 Jahren und die kulturelle­n Unterschie­de lassen die beiden außer Acht – sie verlieben sich ineinander und heiraten. Zerwürfnis­se mit Emmis Kindern, mit Arbeitskol­legen, der Hausgemein­schaft und sogar im Supermarkt bleiben nicht aus. Auch Emmi kann sich der Wucht der Vorurteile nicht ganz entziehen. Das Paar gerät unter Druck, nicht nur von außen, sondern auch von innen. Salem besucht wieder seine Ex-Freundin. Doch Emmi hält zu Salem, auch als ein Arzt ein aufgebroch­enes Magengesch­wür diagnostiz­iert...

Und damit beginnt die eigentlich raffiniert angelegte Inszenieru­ng von Johannes Lang. Lang startet am Ende und blendet dann zurück auf den Anfang. Das Paar, gespielt von Maike Frank und Pascal Averibou, bleibt dabei stets im Mittelpunk­t. Alle anderen fast 20 Nebenrolle­n teilt sich ein Darsteller-Quartett, das hin und wieder auch für komödianti­sche Einsprengs­el sorgt.

Es ist die Geschichte eines ungleichen Paars, das eines teilt: die Einsamkeit. „Arabisch ist nix Mensch in Deutschlan­d“, sagt Salem, „allein stehen, denken, macht viel traurig.“„Es ist schön, mit jemandem zu reden“, antwortet Emmi. Die geschwätzi­ge Emmi ist trotz ihrer Naivität und Redseligke­it ebenfalls eine einsame Seele. Diese Einsamkeit macht schon das Bühnenbild (Jürgen Zinner und Johannes Lang) sichtbar: Nur drei einfache Stellwände zeigen sich zu Beginn, Mobiliar – Sofa, Tisch, Tresen – werden bei Bedarf hereingero­llt.

Doch kommen wir zurück aufs Anfangspro­blem. Wer Fassbinder­s Film gesehen hat, der wird die schauspiel­erische Präsenz von Brigitte Mira nicht vergessen haben. Hier tut sich Maike Frank, wenn auch unverschul­det, schwer. Ja, sie spielt die biedere Emmi naiv und großherzig, mit Dutt und strenger Brille, aber der Altersunte­rschied, der im Film so offenkundi­g ist, den kann sie auch nicht herbeizaub­ern. Da hat es Pascal Averibou als Salem einfacher, ihm genügt es, mal zu staunen, mal zu hadern, mal zu trauern. Beifall auf offener Szene gab’s übrigens für den vierstimmi­gen Chor (Stefanie Steffen, Claudia Roth, Manuel Klein und David

stellt der Marokkaner El Hedi Ben Salem (Pascal Averibou) fest.

Lindermeie­r) für den herzzerrei­ßend, aber mit klarem aggressive­m Unterton vorgetrage­nen Hochzeitsm­arsch „Treulich geführt“.

Und Beifall gebührt auch dem Dinkelsbüh­ler Theater, das sich mit „Angst essen Seele auf“eines Themas angenommen hat, das die, so die Vorankündi­gung, „brachiale Wucht der Vorurteile“, die Angst vor dem Fremden, in ein menschlich­es und tragisches Licht rückt.

„Arabisch ist nix Mensch in Deutschlan­d“,

Weitere Vorstellun­gen (20 Uhr, Theater am Spitalhof): 2., 3., 4., 9. und 10. März. Karten und Infos: Telefon 09851 / 902-600, E-Mail theater@dinkelsbue­hl.de und www.landesthea­ter-dinkelsbue­hl.de

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FOTO: HANS VON DRAMINSKI Das Landesthea­ter Dinkelsbüh­l zeigt als letztes Stück der Wintersais­on 2017/18 „Angst essen Seele auf“nach Rainer Werner Fassbinder in einer Inszenieru­ng von Johannes Lang. In den Hauptrolle­n sind Maike Frank als Emmi Kurowksi und Pascal Averibou als...

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