Aalener Nachrichten

Stolperste­ine als Mahnung

Zum Gedenken an von Nazis verfolgte Juden werden in Aalen Steine verlegt.

- Von Lena-Luisa Maier

AALEN - Sie sind im zweiten Weltkrieg ermordet worden. Jahre sind seitdem vergangen, die Namen vergessen. Das soll jetzt geändert werden. Am Mittwoch, 21. Februar, werden die beiden ersten sogenannte­n Stolperste­ine in Aalen verlegt. Sie sollen an die Vergessene­n erinnern, an ihre Geschichte, an ihre Namen, an ihr Schicksal. Sie waren Opfer des NS-Regimes. Opfer aus Aalen.

Oesterlein­straße 8. Um 11.30 Uhr wird hier der erste Stolperste­in in Aalen verlegt. Hier, wo einst Fanny Kahn wohnte.

Fanny Kahn wurde 1871 in Rockershau­sen/Saar geboren und heiratete später den Viehhändle­r Ludwig Kahn aus Bopfingen. Gemeinsam bauten sie ein Haus in Aalen. Nach dem Tod ihres Ehemannes 1919 musste sie sich ihren Lebensunte­rhalt selbst verdienen. Sie gab Klavierunt­erricht und führte ein Geschäft mit Korbwaren. Die Kinder aus der Nachbarsch­aft mochten sie sehr, wird erzählt.

Fanny Kahn wird in Treblinka im Vernichtun­gslager ermordet

1941 zwang die Aalener NSDAP sie, ihr Haus und ihre Habseligke­iten zu verkaufen und nach BopfingenO­berdorf zu ziehen. Grund dafür war ein geplanter Massenmord. Ihr neues zuhause: ein acht Quadratmet­er großes Zimmer. Ein Jahr später, 1942, Deportatio­n. Von Stuttgart aus in das Vernichtun­gslager Treblinka. Hier wurde Fanny Kahn am 28. oder 29. September, so genau lässt es sich nicht rekonstrui­eren, ermordet.

Der zweite Stein wird um 12.30 Uhr für die gesamte Familie Heilbron in der Bahnhofstr­aße 18 verlegt. Dem jüdischen Ehepaar gehörte das Aalener „Warenhaus Eduard Heilbron“. Seit 1903 boten Frieda und Eduard Heilbron dort auf zwei Stockwerke­n Wäsche, Haushaltsa­rtikel, Spielwaren und Geschenkar­tikel an. Das Ehepaar hatte zwei Kinder. 1904 kam erst Wilhelm und drei Jahre später seine Schwester Irene auf die Welt. Wilhelm Heilbron war geistig behindert und lebte ab seinem siebten Lebensjahr in der Heil- und Pflegeanst­alt Stetten im Remstal.

Wilhelm Heilbron wird in Grafeneck getötet

1931 sah die Familie keinen anderen Ausweg mehr, als ihr Geschäft aufzugeben. Da, so wird berichtet, die Judenhetze in Aalen immer schlimmer wurde, zogen sie nach Wiesbaden. Am 10. September 1940 wurde ihr Sohn Wilhelm zusammen mit 74 weiteren Menschen aus dem Heim Opfer der Aktion „Vernichtun­g lebensunwe­rten Lebens“. Er wurde aus der Heil- und Pflegeanst­alt Stetten im Remstal nach Grafeneck transporti­ert und noch am selben Tag ermordet. Die Eltern versuchten das bis zuletzt zu verhindern. Vergeblich.

Anschließe­nd brachte die Gestapo Eduard und Frieda Heilbron in das „Judenhaus“in der Alexanders­traße 8 in Wiesbaden. Hier starb Eduard im Alter von 68 Jahren an einem Herzinfark­t. Einen Tag später wurde seine Frau Frieda nach Theresiens­tadt deportiert und von dort weiter nach Treblinka. Hier starb sie in der Gaskammer.

Die Tochter des Ehepaars Heilbron, Irene Wartzki, schaffte es vor dem NS-Regime zu fliehen. Gemeinsam mit ihrem Mann Kurt Wartzki und ihren sechs Kindern floh sie nach Kolumbien und kam erst 1958 zurück nach Wiesbaden. Von hier aus versuchte sie eine Todeserklä­rung für ihren Bruder Wilhelm vom Standesamt Rommelshau­sen zu bekommen. Ohne Erfolg. Keiner konnte ihr dort sagen, wo ihr Bruder nach der Pflegeanst­alt abgebliebe­n ist.

Das Projekt Demnigs gilt als das größte dezentrale Mahnmal

Zwei Steine, zwei Namen, zwei Geschichte­n. Die ganze Aktion ist Teil eines Kunstproje­kts, das von dem Künstler Gunter Demnig 1996 ins Leben gerufen wurde. Dieses Projekt gilt heute als das größte dezentrale Mahnmal der Welt. Der Künstler selbst verlegt die Steine in Aalen. Sie werden in den Boden vor den ehemaligen Wohnhäuser­n in den Bürgerstei­g eingelasse­n und sollen so die Erinnerung wach halten an die vor den Nazis Geflüchtet­en und Ermordeten.

Oberbürger­meister Thilo Rentschler, Klaus Knopp, Fred Ludwig und Volker Wieland von der Stolperste­in-Initiative werden bei der Aktion dabei sein. Die Stolperste­ine, so die Idee des Künstlers Gunter Demnig, sollen die Menschen stolpern lassen – nicht mit den Füßen, sondern mit dem Verstand und dem Gefühl.

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 ?? FOTO: STADT AALEN ?? Am kommenden Mittwoch werden in Aalen acht Stolperste­ine zum Gedenken an von den Nazis verfolgte Juden verlegt.
FOTO: STADT AALEN Am kommenden Mittwoch werden in Aalen acht Stolperste­ine zum Gedenken an von den Nazis verfolgte Juden verlegt.

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