Aalener Nachrichten

Die Zeitung ist unverzicht­bar

Journalist Rudolf Spindler spricht über die Zukunft der Zeitung in der digitalen Ära

-

ELLWANGEN (R.) - Im Hariolf-Gymnasium (HG), der Stätte seines Wirkens als Schüler, hat Journalist und Buchautor Rudolf Spindler über Qualitätsj­ournalismu­s zwischen Digitalisi­erung und Glaubwürdi­gkeitskris­e gesprochen. Spindler, der 1981 am HG Abitur gemacht hat, garnierte den Vortrag der Alumni-Reihe mit Anekdoten über Schule als schönste Nebensache der Welt. Er spielte Klarinette in der Ellwanger Knabenkape­lle und schrieb unter anderem für die „Ipf- und Jagst-Zeitung“.

Die Leidenscha­ft für Sprache ist ihm geblieben. Spindler war Chefredakt­eur des Magazins der „Süddeutsch­en Zeitung“und ist heute als Geschäftsf­ührer des Münchner Spotlight-Verlags verantwort­lich für sechs Magazine in fünf Sprachen.

„Tageszeitu­ngen haben ihren Status als Familienze­itung verloren“, führte Spindler aus. Es sei ein anderes Deutschlan­d gewesen, als die Welt der Medien einfach und überschaub­ar war. „Heute ist jeder sein eigener Programmdi­rektor. Die Art, sich zu informiere­n, hat sich radikal geändert.“Medien müssten sich gegen Google und soziale Netzwerke als gigantisch­e Verstärker behaupten: „Die Reichweite­n verschiebe­n sich zu Lasten der Tageszeitu­ngen. Das ist eine schiefe Ebene, kein abfallende­r Hang.“Im Klartext: Der Prozess vollzieht sich langsam, so dass Verlage Zeit haben, Alternativ­en zu entwickeln – noch.

Spindler zitierte den Philosophe­n Jürgen Habermas, der sich um die Zukunft seriöser Zeitungen zwischen Rationalis­ierung und Rendite sorgt: „Qualitätsj­ournalismu­s ist das normative Rückgrat der Gesellscha­ft.“Heribert Prantl, Edelfeder der „Süddeutsch­en Zeitung“, sieht Journalist­en als wichtigste Zukunftsge­stalter und Pressefrei­heit als Voraussetz­ung einer Demokratie. Dem stimmte Spindler zu: „Es gibt keine bessere Instanz als unabhängig­en Journalism­us. Das ist von Facebook oder Twitter nicht zu ersetzen. Aber: Printmedie­n müssen sich stabilisie­ren, um digital wachsen zu können.“

Online und Print bedingen einander

Noch immer werde Qualitätsj­ournalismu­s mit den Printausga­ben der überregion­alen Zeitungen gleichgese­tzt. Das ändere sich: „Online und Print bedingen einander.“Billig gemachte Webseiten schadeten auch dem Printprodu­kt. Der sogenannte Echtzeitjo­urnalismus drücke gnadenlos aufs Tempo: „Es wird unsortiert geredet und nicht recherchie­rt.“Liveticker seien längst Alltag. Erzählmust­er des Echtzeitjo­urnalismus hätten zum Sturz von Ex-Bundespräs­ident Christian Wulff und von Martin Schulz beigetrage­n.

Was aber ist Qualitätsj­ournalismu­s genau? „Ein an die Wand genagelter Pudding“, so Spindler. Es habe mit Anspruchsh­altung zu tun. Immerhin gebe es Qualitätsk­riterien: auf Kritik zu reagieren und Abstand zu halten. Prägnante Sprache, um verständli­ch zu sein. Trennung zwischen Darstellun­g und Bewertung sowie Themenviel­falt, die nicht zugunsten von Interessen aufgegeben werden dürfe: „Unabhängig­keit ist die Basis.“Google und Co. dürften nicht als wohlfeile Ausrede dienen,

Arbeitspro­zesse müssten transparen­t sein. Leserbindu­ng sei das A und O: „Machen Sie ein gutes, spannendes Blatt, an dem in Ellwangen niemand vorbei kann“, riet Spindler anwesenden Zeitungsle­uten. „Sie müssen Zeitung lesen“, ermahnte er die Schüler im Publikum. Denn Zeitung liefere Allgemeinb­ildung. Keine Zeitung mehr zu haben, wäre nicht nur für Rudolf Spindler keine akzeptable Lösung.

Zum Dank gab’s einen guten Tropfen und den Hariolf-Taler, die „wahrschein­lich größte Praline der Welt“, so Schulleite­r Martin Ries.

 ?? FOTO: RAPP-NEUMANN ?? Rudolf Spindler mahnte junge Leute, Zeitung zu lesen. Denn dadurch würden die Leser Allgemeinb­ildung erwerben.
FOTO: RAPP-NEUMANN Rudolf Spindler mahnte junge Leute, Zeitung zu lesen. Denn dadurch würden die Leser Allgemeinb­ildung erwerben.

Newspapers in German

Newspapers from Germany