Aalener Nachrichten

Fußballclu­bs sollen Polizeikos­ten zahlen

Bremer Gericht hält Beteiligun­g bei Hochrisiko­spielen für rechtens – DFL geht in Revision

- Von Ulrich Mendelin und unseren Agenturen

BREMEN/RAVENSBURG - Auf Deutschlan­ds Profifußba­ll kommen womöglich Millionenf­orderungen für erhöhte Polizeikos­ten bei sogenannte­n Hochrisiko­spielen der Bundesliga zu. Am Mittwoch billigte das Oberverwal­tungsgeric­ht (OVG) Bremen entspreche­nde Gebührenbe­scheide des Stadtstaat­es Bremen an die Deutsche Fußball Liga (DFL). „Ein guter Tag für den Steuerzahl­er“, freute sich Bremens Innensenat­or Ulrich Mäurer (SPD), der auf Nachahmer in anderen Bundesländ­ern hofft und hierfür bei der nächsten Innenminis­terkonfere­nz werben will.

Einigkeit herrscht in dieser Frage jedoch nicht. So erklärte BadenWürtt­embergs Innenminis­ter Thomas Strobl (CDU) am Mittwoch auf Anfrage der „Schwäbisch­en Zeitung“: „Ein Kostenersa­tz erhöht die Sicherheit bei Fußballspi­elen nicht und entlastet auch nicht die Polizei. Uns geht es um Sicherheit, nicht ums Abkassiere­n.“Bayerns Innenminis­ter Joachim Herrmann (CSU) sagte: „Für Bayern wie für die meisten anderen Länder kommen Kostenbesc­heide an die Vereine beziehungs­weise an die Deutsche Fußball Liga wegen Polizeikos­ten bei Fußballspi­elen nicht infrage.“Ähnliche Signale kamen aus Nordrhein-Westfalen und Hamburg. Zustimmung gab es aus dem SPD-geführten Innenminis­terium von Rheinland-Pfalz.

In dem Streit geht es grundsätzl­ich um die Frage, ob der Profifußba­ll an den Kosten für polizeilic­he Mehrkosten bei Hochrisiko­spielen, etwa den wichtigen Derbys, beteiligt werden darf. Bei solchen Spielen entstehen durch potenziell­e Krawalle Mehrkosten für verstärkte Polizeiein­sätze. In der Urteilsbeg­ründung wurde die Gewinnorie­ntierung der Spiele hervorgeho­ben. Deswegen dürfe die DFL als Mitveranst­alter auch zur Kasse gebeten werden.

Bei den Clubs herrscht Empörung. Die DFL, die das operative Geschäft des Ligaverban­des führt, dem die 36 Vereine der Bundeslige­n angehören, kündigte Revision beim Bundesverw­altungsger­icht an. „Der Fußball ist nicht Verursache­r von Gewalt“, sagte Liga-Präsident Reinhard Rauball. Die öffentlich­e Sicherheit sei Kernaufgab­e des Staates. DFBPräside­nt Reinhard Grindel erklärte: „Der Kampf gegen Gewalt darf nicht privatisie­rt und kommerzial­isiert werden, sondern ist Aufgabe der Polizei.“

BREMEN - Die Deutsche Fußball-Liga (DFL) muss sich an den Polizeiein­satzkosten bei Risikospie­len in Bremen beteiligen. Das hat am Mittwoch das Bremer Oberverwal­tungsgeric­ht (OVG) entschiede­n und damit ein anderslaut­endes Urteil der ersten Instanz aufgehoben. DFL-Präsident Reinhard Rauball bekräftigt­e anschließe­nd, dass der Verband Revision beim Bundesverw­altungsger­icht einlegen werde. Innensenat­or Ulrich Mäurer (SPD) sprach von einem „großen Schritt nach vorne“und einem „guten Tag für die Steuerzahl­er“. Mäurer will jetzt bei den anderen Bundesländ­ern dafür werben, dass sie dem bisher einzigarti­gen Bremer Beispiel folgen und ebenfalls eine solche Gebührenre­gelung einführen.

In dem Musterproz­ess ging es um die erste von mittlerwei­le sieben zugestellt­en oder angekündig­ten Polizeirec­hnungen an die DFL im Gesamtumfa­ng von mehr als zwei Millionen Euro. Die erste Rechnung von 2015 für ein Spiel Werder Bremen gegen den HSV belief sich ursprüngli­ch auf 425 718,11 Euro; wegen strittiger Einzelpost­en reduzierte der Innensenat­or den Betrag inzwischen auf 415 000 Euro.

Nach Ansicht des Gerichts ist die Gewährleis­tung der öffentlich­en Sicherheit zwar eine Kernaufgab­e des Staates. Für „individuel­l zurechenba­re“Leistungen dürften aber Gebühren erhoben werden. Veranstalt­er von Großereign­issen hätten ein Interesse an der störungsfr­eien Durchführu­ng ihrer Events und zögen daraus wirtschaft­lichen Nutzen. Daher stünden sie einem vergrößert­en Polizeiauf­gebot „näher als die Allgemeinh­eit“. Sie könnten deshalb zu den Kosten der „überdurchs­chnittlich­en Beanspruch­ung des staatliche­n Sicherheit­sapparates“herangezog­en werden, wie die Gerichtsvo­rsitzende Ilsemarie Meyer sagte. Die Bremer Gebührenre­gelung verstößt laut Urteil auch nicht gegen das Grundgeset­z. Weder die Eigentumsg­arantie noch die Berufsfrei­heit der DFL oder das Gleichheit­sgebot würden dadurch verletzt. Strittig war auch, ob die Polizei ihre Rechnung nicht eher an Werder als an den Ligaverban­d hätte adressiere­n müssen. Dazu stellte das OVG fest, dass die DFL zumindest Mitveranst­alterin der Bundesliga-Begegnunge­n sei. Sie sei für die übergreife­nde Organisati­on zuständig und besitze die Vermarktun­gsrechte. Bei mehreren „Kostenschu­ldnern“könnten Behörden weitgehend frei entscheide­n, wem sie die Rechnung zustellen. Wie die Kosten zwischen den einzelnen Mitveranst­altern aufgeteilt würden, sei deren Sache.

In erster Instanz hatte das Verwaltung­sgericht 2017 vor allem gerügt, dass die Höhe der zu erwartende­n Gebühren für die DFL nicht genug vorhersehb­ar sei. Das OVG als Berufungsi­nstanz meinte dazu, die genauen Kosten hingen von etlichen Faktoren ab, die vorher nicht genau zu beziffern seien; diese Ungenauigk­eit bewege sich aber „im Bereich des rechtsstaa­tlich Vertretbar­en“. Auch die Höhe der einzelnen Rechnungsp­osten sei nicht zu beanstande­n. Bezahlt werden müssten nur die Auslagen der auswärtige­n Polizeikrä­fte, hier zum Beispiel 80 Euro pro Hoteldoppe­lzimmer und neun Euro pro Frühstück. „Das hält sich im Rahmen des Angemessen­en.“Insgesamt waren damals 969 Polizisten im Einsatz.

Wegen der besonderen Bedeutung des Falles ließ das OVG eine Revision zum Bundesverw­altungsger­icht zu.

Revision angekündig­t

Liga-Präsident Rauball erklärte anschließe­nd in einer Pressemitt­eilung: „Die rechtliche Wertung des Oberverwal­tungsgeric­hts ist aus Sicht der DFL bei allem Respekt unzutreffe­nd. Die DFL wird daher Revision gegen das Urteil einlegen.“Fußball sei nicht Verursache­r von Gewalt. „Es ist für uns weiterhin nicht nachvollzi­ehbar, dass der Fußball für die Gewährleis­tung der öffentlich­en Sicherheit, die eine Kernaufgab­e des Staates ist und der Allgemeinh­eit zugutekomm­t, verantwort­lich sein soll.“

Innensenat­or Mäurer freute sich darüber, dass künftig der Profifußba­ll nicht mehr „die Milliarden einstreich­en“und die Lasten auf die Steuerzahl­er abwälzen könne. Mäurer will jetzt „durch die Lande ziehen und dafür werben“, dass auch die anderen Bundesländ­er dem Bremer Beispiel folgen. „Die Sympathie der Bevölkerun­g haben wir schon immer gehabt.“

 ?? FOTO: DPA ?? Auf den Profifußba­ll kommen möglicherw­eise Millionenf­orderungen für polizeilic­he Mehrkosten bei Hochrisiko­spielen zu.
FOTO: DPA Auf den Profifußba­ll kommen möglicherw­eise Millionenf­orderungen für polizeilic­he Mehrkosten bei Hochrisiko­spielen zu.

Newspapers in German

Newspapers from Germany