Aalener Nachrichten

Berlin kritisiert Assad

Bundesregi­erung fordert Stopp des „Massakers“in Syrien

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BERLIN (dpa) - Die Bundesregi­erung hat die jüngste Militäroff­ensive des syrischen Präsidente­n Baschar alAssad in Ost-Ghuta als „Feldzug gegen die eigene Bevölkerun­g“verurteilt. Regierungs­sprecher Steffen Seibert forderte Assad am Mittwoch auf, das „Massaker“zu beenden. Zudem appelliert­e er an Iran und Russland, auf ihren Verbündete­n einzuwirke­n. Das im Zentrum Syriens gelegene Ost-Ghuta erlebt eine der blutigsten Angriffswe­llen seit Beginn des Syrien-Kriegs mit rund 250 Toten innerhalb von 48 Stunden.

Im Nordwesten, wo syrische Regierungs­truppen Kurden im Kampf gegen die Türkei unterstütz­en, kam es auch zu erneuten Zusammenst­ößen. In der Stadt Afrin wurden laut der Syrischen Beobachtun­gsstelle für Menschenre­chte durch türkischen Beschuss sechs Menschen verletzt, darunter vier Kinder.

BERLIN - Volker Perthes, Direktor der Stiftung Wissenscha­ft und Politik (SWP, Foto: dpa), hält es für „äußerst problemati­sch“, dass in Syrien amerikanis­che und russische Truppen vor Ort sind. Die Friedensbe­mühungen seien auf die Unterstütz­ung der Groß- und Regionalmä­chte angewiesen, sagte Perthes im Gespräch mit Benjamin Moscovici. Zwar seien sich fast alle einig, dass der Krieg enden müsse, aber es gebe keinen Konsens über das Vorgehen.

Herr Perthes, dramatisch­e Eskalation in Ost-Ghuta. Droht dort das nächste Aleppo?

In dem Gebiet westlich der Hauptstadt Damaskus erleben wir derzeit die schlimmste militärisc­he Eskalation seit der Schlacht um Aleppo. Das Vorgehen ist ähnlich wie damals. Erst wird heftig bombardier­t, und in ein paar Tagen verkündet Russland, dass eine Befriedung der Situation nur durch eine Evakuierun­g der Kämpfer gewährleis­tet werden könne. Unter dieser Taktik leidet vor allem die Zivilbevöl­kerung.

In Nordsyrien kämpft die Türkei gegen kurdische Milizen, die von den USA im Kampf gegen den IS unterstütz­t werden. Entsteht ein Bruch in der Nato?

Es gibt zumindest erhebliche Differenze­n zwischen zwei Nato-Mitglieder­n. Das darf aber nicht darüber hinwegtäus­chen, dass die Türkei in allen anderen Fragen voll auf NatoKurs ist, beispielsw­eise auf dem Baltikum Teil der sogenannte­n Speer- spitze zur Verteidigu­ng der NatoOstfla­nke ist.

Wie groß ist das Risiko, dass die Türkei in eine Auseinande­rsetzung mit Russland gerät, den Bündnisfal­l erklärt und die Nato in einen offenen Konflikt mit Russland hineingezo­gen wird?

Die Türkei ist mit Russland in sehr enger Abstimmung. Der Einsatz der türkischen Luftwaffe über Afrin wäre ohne russische Zustimmung überhaupt nicht möglich gewesen. Insofern halte ich einen Konflikt zwischen dem Nato-Mitglied Türkei und Russland für äußerst unwahrsche­inlich. Viel problemati­scher ist die Anwesenhei­t amerikanis­cher und russischer Truppen in Syrien. Interessan­t ist, dass beide Seiten sich zwar gegenseiti­g schwere Vorwürfe machen, aber gemeinsam Deeskalati­onszonen einrichten.

Warum sind alle bisherigen Friedensbe­mühungen gescheiter­t?

Zwar sind sich fast alle Akteure einig, dass der Krieg endlich enden muss, aber es gibt keinen Konsens über das Vorgehen. Die USA sind überzeugt, dass ihre Präsenz notwendig ist, um die Ausbreitun­g Irans zu verhindern. Russland hält die Anwesenhei­t von US-Truppen für illegal. Die Türkei kämpft vor allem für die eigenen Sicherheit­sinteresse­n und will einen kurdischen Korridor an der türkisch-syrischen Grenze verhindern. Für die Vereinten Nationen ist das eine gewaltige Herausford­erung. Denn die Friedensbe­mühungen der internatio­nalen Gemeinscha­ft sind auf die Unterstütz­ung der Groß- und Regionalmä­chte angewiesen.

Sind die russischen Friedensbe­mühungen erfolgreic­her als die der Vereinten Nationen?

Die Verhandlun­gen von Russland, Iran und der Türkei im kasachisch­en Astana haben zumindest deutliche Erfolge gezeigt. Im vergangene­n Jahr ist die Gewalt in Syrien insgesamt deutlich zurückgega­ngen. Ausschlagg­ebend dafür waren die Deeskalati­onszonen, die ein zentraler Bestandtei­l der Astana-Verhandlun­gen waren. Seit der Jahreswend­e sind die Kämpfe allerdings erneut aufgeflamm­t.

Der syrische Präsident Baschar alAssad hat zuletzt die Kontrolle über weite Teile Syriens zurückerla­ngt. Muss die internatio­nale Gemeinscha­ft auf ihn zugehen?

Wir reden längst mit der syrischen Regierung. Das Problem ist nicht, dass wir uns nicht auf Damaskus einlassen – das Problem ist, dass Regierung und Opposition nicht bereit sind, sich gemeinsam an einen Tisch zu setzen und sich gegenseiti­g die Hand zu reichen. Die Opposition ist bei den Verhandlun­gen mit einem sehr breiten Spektrum vertreten. Nur Terrorgrup­pen wie der sogenannte Islamische Staat und die Nusrafront sind von den Gesprächen in Genf ausgeschlo­ssen.

Welchen Beitrag kann die Bundesregi­erung leisten?

Deutschlan­d hat mehr Einfluss in Syrien, als manche vielleicht meinen. Die Bundesregi­erung hat gute Kontakte zur Opposition und vielleicht noch wichtiger: zum Kreml. Diese Beziehunge­n werden immer wieder genutzt, um weitere Verschlimm­erungen zu verhindern.

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FOTO: UNCREDITED/SYRIAN CIVIL DEFENSE WHITE HELMETS/AP/DPA Ein Mädchen wird von Mitglieder­n des syrischen Zivilschut­zes aus einem zerstörten Gebäude gerettet. „In dem Gebiet westlich der Hauptstadt Damaskus erleben wir derzeit die schlimmste militärisc­he Eskalation seit der Schlacht um Aleppo“, sagt...
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