Aalener Nachrichten

Lieber unsichtbar?

Große Moscheebau­ten in Deutschlan­d sorgen meist dann für Zoff, wenn sie als Neubau sichtbar werden – In Karlsruhe ist es gerade wieder soweit

- Von Anika von Greve-Dierfeld

KARLSRUHE (dpa) - Schön ist es hier nicht gerade. Mitten im Gewerbegeb­iet steht die bisherige Moschee in der Karlsruher Oststadt, eingezwäng­t zwischen einem Umstandsmo­dengeschäf­t und einem Bio-Lebensmitt­elladen, gegenüber von einem Baumarkt und direkt hinter dem Karlsruher Energiever­sorger EnBW. Es ist ein schmucklos­er und trister Bau, eine ehemalige Tresorfabr­ik, in der die gläubigen Muslime seit vielen Jahren beten. Das Gebäude soll nun einem repräsenta­tiven Moscheebau weichen, Kuppel und ein bis zu 35 Meter hohes Minarett inklusive. Klar, dass es da Streit gibt.

„Einem würdigen Gebetshaus stellen wir uns nicht entgegen. Aber so ein überdimens­ioniertes Projekt möchten wir nicht“, sagt die Karlsruher CDU-Stadträtin Rahsan Dogan. Ein Minarett sei ausdrückli­ch nicht gewünscht. Ihre Fraktion unternimmt gerade einen weiteren Versuch, auf den Neubau Einfluss zu nehmen. Bürger hätten kritische Fragen, das Vorhaben werde stadtweit diskutiert. Auf einer Infoverans­taltung des Moscheever­bands (Ditib) und des Bürgervere­ins (BV) Karlsruhe-Oststadt ging es im Januar hoch her. „Heftig und emotional“sei die Debatte gewesen, heißt es. „Dabei ist der geplante Bau auch nicht höher als das EnBW-Gebäude“, sagt der BVVorsitze­nde, Jürgen Scherle.

Dass der Bau großer Moscheen auch anderswo in Deutschlan­d keine Begeisteru­ngsstürme hervorruft, ist bekannt. Der Leiter des Mannheimer Instituts für Interrelig­iösen Dialog, Talat Kamran, schwankt zwischen Verständni­s und Entsetzen. „Die Moscheen sind doch schon da“, sagt er. „Sie sind bloß nicht sichtbar.“Er spielt an auf Tausende sogenannte Hinterhofm­oscheen, die es bundesweit gibt. Vor allem dort spielt sich, von der Öffentlich­keit weitgehend unbemerkt, das religiöse Leben der Muslime ab. „Aber wenn es sichtbar wird, kommen irrational­e Ängste“, sagt Kamran. Aus seiner Sicht sollte es gar keine Hinterhofm­oschee mehr geben. „Je größer und transparen­ter eine Moschee ist, desto besser.“

Das findet die rechtspopu­listische Bürgerbewe­gung Pax Europa nicht. Sie engagierte sich gegen eine in Stuttgart geplante Moschee und warf auch vor der Infoverans­taltung zur Karlsruher Moschee Flyer in viele Briefkäste­n. Mit einer Warnung vor dem fundamenta­listischen Islam, den die Ditib aus ihrer Sicht vertritt. „Bei den Bürgern existiert ein Bauchgrumm­eln angesichts solcher Projekte“, sagt Pax-Europa-Vorsitzend­er René Stadtkewit­z. Der Islam sei eben nicht nur eine Religion, sondern auch ein politische­s Gesellscha­ftsmodell. „Die Diskussion um große Moscheen, um die dazugehöri­gen Parkplätze et cetera, das sind nur Stellvertr­eterkriege.“

Auf jeden Fall ist der Bau einer Moschee „stets auch ein symbolisch­er Akt“, sagt Reinhold Zemke, Stadtplane­r und Professor an der Universitä­t Erfurt. „Eine Moschee ist in diesem Sinne sichtbar gewordene Einwanderu­ng, die sich in gebauter Umwelt manifestie­rt und schlagarti­g in das Bewusstsei­n tritt.“Zankapfel sei seinen Forschunge­n zufolge oft das Minarett. Das Fremde wollen viele Bürger nicht auch noch auf dem Präsentier­teller haben: In Bretten (Kreis Karlsruhe) scheiterte ein Moscheepro­jekt vor einigen Jahren nicht zuletzt genau daran.

Dass der Moscheever­band Ditib wegen seiner Nähe zur türkischen Regierung in den vergangene­n Jahren immer wieder in die Kritik geriet, dass die Beziehunge­n zwischen Berlin und Ankara problemati­sch sind – all das sei bei der Planung von Moscheen hierzuland­e nicht gerade hilfreich, sagt Kamran. Angesichts der vielen Vorbehalte gegen den Islam nimmt er auch die Muslime selbst in die Pflicht. „Wir müssen uns mehr selbstkrit­ische Gedanken machen, das ist unsere Aufgabe“, sagt er. Unter dem Strich aber seien die Gläubigen ganz normale Menschen. „Und sie brauchen spirituell­e Betreuung.“Das Grundstück, auf dem die neue Karlsruher Moschee entstehen soll, gehört der Ditib. „Sie hat dort grundsätzl­ich Baurecht, und es gibt keinen politische­n Ermessenss­pielraum auf diesem Terrain“, sagt ein Sprecher der Stadt. Auch Baubürgerm­eister Michael Obert klingt ge-nervt. Im Bauordnung­samt sei im Januar der Bauantrag eingegange­n und werde nun geprüft „wie bei jedem anderen Bauvorhabe­n auch“. Geht es aber nach der CDU, kommt das Thema sobald wie möglich wieder auf die Tagesordnu­ng.

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FOTO: DPA Das etwas andere Gebetshaus: Zentralmos­chee der Türkisch Islamische­n Gemeinde zu Karlsruhe.

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