Aalener Nachrichten

E-Mobilität wird Reifenhers­tellung verändern

Bei der internatio­nalen Fachmesse in Hannover blicken die Aussteller optimistis­ch in die Zukunft

- Von Joachim Göres

HANNOVER - Dieselskan­dal hin oder her – weltweit sind immer mehr Fahrzeuge unterwegs und davon profitiere­n auch die Reifenhers­teller. Bei der internatio­nalen Fachmesse Tire Technology Expo 2018, die bis zum heutigen Donnerstag in Hannover läuft, blicken viele Aussteller optimistis­ch in die Zukunft.

„Seit dem Dieselskan­dal sind unsere Anlagen für die Rollwiders­tandsprüfu­ng stärker gefragt, weil man damit den tatsächlic­hen Einfluss der Reifen auf den Fahrzeugve­rbrauch beziehungs­weise auf die Emissionen genauer ermitteln kann“, sagt Markus Kramer. Er ist für den Verkauf von Reifenprüf­systemen bei dem weltweit rund 140 000 Mitarbeite­r zählenden Konzern ZF Friedrichs­hafen AG zuständig.

Neue Prüftechni­k

Die in Passau gefertigte­n Anlagen werden laut Kramer auch noch aus anderen Gründen zunehmend verkauft: „E-Fahrzeuge sind deutlich leiser als konvention­elle Pkw, da fällt das Reifen- und Getriebege­räusch stärker auf. Wir haben dafür eigene Prüfmaschi­nen entwickelt, mit denen man Antriebs- und Reifengerä­usche analysiere­n kann.“In Zukunft werde für das autonome Fahren eine ganz neue Prüftechni­k gebraucht. „Der Umsatz für unsere Testsystem­e wächst jedes Jahr stabil, auch für 2018 rechne ich wieder mit einem leichten Plus“, sagt Kramer.

Die Beckhoff Automation GmbH & Co. KG, die in Ravensburg mit einer Niederlass­ung vertreten ist, liefert Automatisi­erungslösu­ngen auf der Grundlage PC-basierter Steuerungs­technik. Diese Technik ist wegen steigender Anforderun­gen in der Reifenprod­uktion zunehmend gefragt. „Winterreif­en müssen heute Tempo 210 bei Tests aushalten, die Traglasten wie beim SUV werden immer höher. Die Zahl der Bearbeitun­gsschritte in der Reifenprod­uktion nimmt dadurch zu. Unsere Steuerungs­komponente­n sorgen dafür, dass sich die Fertigungs­zeit dabei nicht erhöht“, sagt Ralf Eulig, für das Großkunden­geschäft zuständig. Eulig rechnet auch künftig mit einem steigenden Bedarf an Steuerungs­technik bei der Produktion und der Prüfung von Reifen, unter anderem wegen strengerer Vorschrift­en im Arbeitssch­utz. 3350 Beschäftig­te weltweit erwirtscha­fteten im vergangene­n Jahr einen Umsatz von 680 Millionen Euro, Tendenz steigend.

„Der Markt boomt, es wird weltweit investiert. Asiatische Reifenhers­teller bauen neue Werke in den USA und Europa, das ist für uns eine große Chance, denn wir kennen die hiesigen Normen und haben so gegenüber asiatische­n Zulieferer­n einen Vorteil“, sagt Rochus Hofmann, Geschäftsf­ührer der Zeppelin Systems GmbH aus Friedrichs­hafen. Das Unternehme­n liefert Anlagentec­hnik zur Herstellun­g von Gummimisch­ungen für Reifenwerk­e, die in Friedrichs­hafen entwickelt und teilweise hergestell­t wird. Auch in Asien wird produziert, für den dortigen Markt. „Das meiste Wachstum haben wir in China und Indien, weil dort die Aufträge stark zunehmen. Das sichert auch die Arbeitsplä­tze in Deutschlan­d“, so Hofmann. Rund 500 der weltweit 1400 Beschäftig­ten arbeiten in Friedrichs­hafen, der Umsatz lag zuletzt bei knapp 330 Millionen Euro. Hofmann erwartet, dass durch die Zunahme der E-Mobilität sich die Reifenhers­tellung verändern wird – derzeit sei die Produktion noch ganz auf konvention­elle Fahrzeuge ausgericht­et.

Nach aktuellen Zahlen des Wirtschaft­sverbandes der Deutschen Kautschuki­ndustrie (WDK) für das Jahr 2016 arbeiteten 74 800 Menschen in der Branche, davon 24 300 in der Reifenindu­strie, jeweils ein leichter Rückgang zum Vorjahr. Während Arbeitsplä­tze in der Produktion und der Logistik gestrichen wurden, fehlen Facharbeit­er und Ingenieure. Der Umsatz lag bei 11,3 Milliarden Euro, davon entfielen auf die Reifenindu­strie knapp fünf Milliarden Euro. Die Einführung eines EUReifenla­bels im Jahr 2012 – es gibt an, wie gut ein Reifen auf nasser Straße bremst, wie der Kraftstoff­verbrauch ist und wie laut er abrollt – hat laut WDK dazu geführt, dass verstärkt Reifen mit einem höheren Rollwiders­tand hergestell­t werden, die eine höhere Laufleistu­ng und Nutzungsda­uer verspreche­n.

Allerdings ist den Angaben nicht immer zu trauen: Die Überprüfun­g der Effizienzk­lassen durch das Landesamt für Mess- und Eichwesen Rheinland-Pfalz und das Landeseich­amt Sachsen-Anhalt im vergangene­n Jahr bei 31 Lkw-Reifentype­n zeigte, dass bei neun Reifen die Effizienzk­lasse tatsächlic­h schlechter war als von den Hersteller­n angegeben. Dabei handelt es sich laut WDK ausschließ­lich um Unternehme­n, die nicht ihrem Verband angehören. Gegen diese Hersteller wurden ordnungsre­chtliche Maßnahmen eingeleite­t. Sie wurden aufgeforde­rt, ihre falschen Angaben zu korrigiere­n.

 ?? FOTO: GÖRES ?? Aus alt macht neu: Zeppelin-Systems-Geschäftsf­ührer Rochus Hofmann neben Reifenteil­en, die in einer Zeppelin-Recyclinga­nlage in Einzelteil­e zerlegt und zum Teil für die Neuprodukt­ion eingesetzt werden.
FOTO: GÖRES Aus alt macht neu: Zeppelin-Systems-Geschäftsf­ührer Rochus Hofmann neben Reifenteil­en, die in einer Zeppelin-Recyclinga­nlage in Einzelteil­e zerlegt und zum Teil für die Neuprodukt­ion eingesetzt werden.

Newspapers in German

Newspapers from Germany