Kritik an der Ökumene deutlich angesprochen
Auch nach 500 Jahren Reformation bleiben Differenzen und schwer zu überwindende Hindernisse
AALEN - Gerade in Aalen ist das Jubiläumsjahr „500 Jahre Reformation“mit einer Fülle toller Veranstaltungen gefeiert worden. Eine Uraufführung von Edgar Manns bedeutender Komposition, das von einem Aalener Brauer hergestellte Luther-Bier und eine Weinprobe mit Luthers Tröpfchen waren nur einige wenige Höhepunkte. In einer lebhaften Diskussion kam bei der Veranstaltung der Familien-Bildungsstätte am Dienstagabend im Theatersaal des Alten Rathauses nun allerdings auch deutliche Kritik am Lutherjahr und an der Ökumene überhaupt zur Sprache.
Eine Runde von Insidern traf sich zu der Veranstaltung. Von Moderator Viktor Turad wurden die Bälle zugespielt und provokante Fragen gestellt: „Haben sich die Tausenden von Veranstaltungen und der finanzielle Aufwand von 280 Millionen Euro gelohnt?“Christiane Kohler-Weiß hielt dagegen. Das Lutherjubiläum habe in der Landeskirche Württemberg ein überaus positives Echo und sehr gute Besucherzahlen zu verzeichnen, argumentierte deren Beauftragte für das Reformationsjubiläum. Bei den Gottesdiensten am 31. Oktober seien die Kirchen so voll gewesen, dass die Pfarrer auf die Schnelle noch zusätzlichen Abendmahlswein besorgen mussten. Allerdings räumte sie auch ein, dass manche Veranstaltungen wie die „Kirchentage auf dem Weg“im Lutherland Sachsen und Sachsen-Anhalt wegen überzogener Planung zu Misserfolgen wurden.
Positive Bilanz für den Kirchenbezirk Aalen zog für den erkrankten Dekan Drescher der Essinger Pfarrer Torsten Krannich. Er sprach von „phänomenaler Beteiligung“vieler Veranstaltungen und von großem Bedürfnis der Besucher zu erfahren, was vor 500 Jahren geschah. Am Reformationsfest sei die Essinger Kirche „brechend voll wie am Heiligen Abend“gewesen. Lediglich die speziellen Jugendgottesdienste wie die „Church Night“seien wohl wegen der Konkurrenz zu Halloween nicht so gut angekommen.
Methodisten fühlten sich allein gelassen
Die Methodisten hätten sich zwar mit der regelmäßigen Lektüre des Lutherbuches „Expedition Freiheit“bemüht, sich mit dem Inhalt des Jubiläumsjahres vertraut zu machen, berichtete deren Pastor Rainer Zimmerschitt. Sonst aber seien sie ziemlich allein gelassen worden. Die Freikirchen hätten sich mehr Gemeinsamkeit beim Feiern gewünscht. Die Landeskirche habe in einer Broschüre entsprechende Angebote gemacht, entgegnete die Beauftragte. Es habe jedoch an positiven Reaktionen aus freikirchlichen Kreisen gefehlt.
„Mehr aus der Ferne“habe der katholische Pfarrer Wolfgang Sedlmeier das Lutherjahr erlebt. Er war nach zehn Jahren Seelsorge in Paris erst im März 2017 nach Aalen gekommen. Was er allerdings beim Lutherjahr vermisst habe, sei das spirituelle Angebot gewesen. Er habe sich die Mühe gemacht, in einer Umfrage von den Besuchern seiner Gottesdienste zu erfahren, ob sie das Reformationsjubiläum im Glauben weitergebracht habe. Nur wenige hätten dies bejaht. In einem Brief hätten ihm zwei Frauen geschrieben: „Zum persönlichen Glauben haben diese Erkenntnisse nicht beigetragen, aber zum besseren Verständnis“.
Persönlich habe ihn das Jubiläum nicht sehr berührt, bekannte Sedlmeier, der kund tat, man habe ihn wohl nur als „Wadlbeißer“zu dieser Diskussion eingeladen. Von der guten Ökumene in Aalen sei er jedoch sehr beeindruckt. Es komme darauf an, Respekt voreinander zu haben und sich lernbereit zu zeigen. Von der evangelischen bibelkritischen Exegese habe er beispielsweise sehr profitiert. Er habe auch nichts dagegen, wenn ihn jemand als evangelisch bezeichne. Umgekehrt seien für ihn die evangelischen Christen im Wortsinn katholisch, wenn sie sich zur „allumfassenden“Kirche gehörend fühlen.
Im Umgang unter den Pfarrern komme es sehr auf die persönliche Einstellung an, merkte Pfarrer Krannich aus eigener Erfahrung an. So habe ihm der für Essingen zuständige katholische Seelsorger das Zitat von Kardinal Gerhard Ludwig Müller entgegen gehalten: „Luther hat zur Spaltung der Kirche geführt, also gibt es im Lutherjahr nichts zu feiern“. Daraufhin gab es keine Gemeinsamkeiten mehr. Die katholische Kirche habe sich mit dem Import ausländischer Priester große Probleme aufgeladen, sagte Krannich.
Versöhnliche Töne klangen abschließend von den Zuhörern an. „Wir sind näher beieinander als wir nach außen zu erkennen geben“, hieß es da, nur sollten wir es in der Öffentlichkeit auch besser herausstellen. Leider gebe es bis jetzt keinen gemeinsamen Gemeindebrief. Der Pfingstmontag wäre die Gelegenheit, einen großen ökumenischen Gottesdienst zu feiern. Ein anschauliches Bild künftiger Ökumene zeichnete Pfarrer Sedlmeier: „Die einen tanzen Walzer und die anderen Foxtrott, diese Tanzbewegungen sollten wir voneinander lernen“.