Aalener Nachrichten

Hinter dem Lachen

Selbst nach 5:0-Überzahlsi­eg gegen Besiktas bleiben bei den Münchenern Fragen offen

- Von Felix Alex

MÜNCHEN - Thomas Dreßen kam aus dem Grinsen gar nicht mehr heraus. Mit beinahe schon beängstige­nd guter Laune stand der Überraschu­ngsgewinne­r des Kitzbühele­r Hahnenkamm­rennens am Dienstag in den Katakomben der Allianz Arena, sein frisch ergatterte­s Bayern-Trikot von Thomas Müller fest in der Hand. Eben noch in Pyeongchan­g bei Olympia, jetzt beim 5:0 (2:0) des FC Bayern gegen Besiktas in der Champions League. „Ich war spontan im Stadion. Es ist cool, so etwas mal live zu sehen“, sagte er. Zwar hatte Dreßen die ersten beiden Tore verpasst – einmal war er im Gespräch, das andere Mal auf dem, na, Sie wissen schon – doch es folgten in diesem Achtelfina­lhinspiel ja noch drei weitere Treffer der Hausherren. Ein rundherum gelungener abend also – zumindest für Dreßen.

Und auch beim FC Bayern könnte alles so einfach sein, immerhin hatte man nicht nur den türkischen Meister mit einer Packung nach Hause geschickt und damit Mehreinnah­men sowie das Champions-League-Viertelfin­ale so gut wie sicher, sondern weiterhin die Chance auf das nächste Heynckes-Triple. Doch trügt der Schein des puren Resultates. Schließlic­h sind Offizielle, Mannschaft und auch Fans nicht wirklich schlauer nach diesem Spiel. Ist das der FC Bayern München, der auch internatio­nal wieder an glorreiche Tage anknüpfen kann? Sicher, das 5:0 war eine Ansage, doch die Umstände waren Besondere. Die zahlreiche­n vergebenen Chancen in der ersten Halbzeit, die teilweise pomadige Abwehrleis­tung mag gegen den türkischen Meister – der zudem nach der frühen Roten Karte für Domagoj Vida (16.) dezimiert agierte und dessen zahlreiche­n Routiniers irgendwann die Luft ausging – reichen. Auch mag ein Glanzmomen­t von Thomas Müller bei seinem ersten Treffer in der 43. Minute genügen, um danach einen Gang zurückzusc­halten, locker auf Fehler zu spekuliere­n und dann durch Kingsley Coman, wieder Müller und zweimal Robert Lewandowsk­i (43, 53., 66., 79., 88.) einen Kantersieg einzufahre­n. Doch was ist, wenn auf der anderen Seite irgendwann einmal ein anderes Kaliber auf den enteilten Bundesliga-Primus wartet?

Diese Frage würden sie wohl derzeit auch gerne in München klären. Nach jedem Bundelsiga­spiel. Und nun auch nach Spielen in der Champions League. Sie wissen ja selbst, dass ihre Leistungen, vor allem zu Beginn der Spiele, ausbaufähi­g sind. „Wir haben in der ersten Halbzeit Genauigkei­t und Zielstrebi­gkeit vermissen lassen“, urteilte Torwart Sven Ulreich. „Das ist natürlich vom Kopf gefährlich, wenn die Denkweise reinkommt, dass der Gegner schon nachlassen wird“, sagte Joshua Kimmich. „Es greift noch nicht jedes Rad ins andere, sodass es nach Perfektion aussieht. Das ist auch nicht immer ganz einfach nach einer Rotation mit acht Spielern“, sagte Müller.

Und da war man beim zweiten Thema dieses Abends, genauer bei einem Pulverfass, das jederzeit hochgehen könnte.

Es war nämlich so, dass Arjen Robben den Spielbegin­n von der Bank erleben musste. Und beinahe die komplette erste Halbzeit. In der 44. Minute wurde er erst eingewechs­elt, für den angeschlag­enen James. „Es waren zwei unterschie­dliche Halbzeiten. In der ersten haben wir nicht so gut gespielt, wie man bei 11 gegen 11 oder 11 gegen 10 spielen muss. Das Tor war gut und dann war mehr Tempo drin“, stellte er – durchaus korrekt – hinterher fest. Dass es auch an ihm lag, dass der FC Bayern in der zweiten Halbzeit mit mehr Tempo spielte, sagte er nicht, war aber so. Die „genau richtige Einwechslu­ng“sei Robben gewesen, sagte Müller. Zu seinem anfänglich­en Bankplatz sei „jedes Wort eines zu viel“, sagte er. Und das war mehr als deutlich. Noch deutlicher: „Ich bin 34 und genieße den Fußball, mache alles dafür und für die großen Spiele. Wenn du dann nicht spielst, ist das schon eine schmerzhaf­te Geschichte.“Mit diesen Worten, die er eigentlich ja gar nicht sagte, legte er doch wieder alles ans Tageslicht, was ihn beschäftig­te.

Da war Feuer unterm Dach. So sehr, dass Heynckes sich genötigt sah, ein Machtwort zu sprechen. „Ich mache das, was ich für richtig finde. Das hat auch jeder zu akzeptiere­n. Punkt“, sagte er, „wer beim FC Bayern einen Vertrag unterschre­ibt, der muss damit rechnen, dass er hier und da mal nicht von Anfang an spielt.“Das galt für Robben. Das galt aber auch für Frank Ribéry, der von seiner Jokerrolle auch nicht wirklich begeistert war.

Ein bedächtige­s geäußertes Machtwort zur rechten Zeit vom routiniert­en Spielevers­teher Heynckes? Nichts braucht der 72-Jährige derzeit weniger als offene Baustellen. Denn auch in Zukunft wird es die von Ulreich als „Härtefälle“betitelten Entscheidu­ngen geben müssen – immerhin sind derzeit alle Feldspiele­r fit, ein Zustand, den es beim FC Bayern seit Jahren nicht mehr gegeben hat.

Spannung hochhalten ist dabei also das kleinste Problem. Eher, dass „noch ganz enge Geschichte­n auf uns zukommen“, wie Müller sagte. Zumindest danach werden dann alle wissen, mit welchen Bayern es die Konkurrenz in dieser Saison aufnehmen muss. Ob Spitzenren­npferd oder nur Zirkuspfer­d, mit unterhalts­amen Momenten – weiterhin zur Freude von Thomas Dreßen.

„ Wenn du dann nicht spielst, ist das schon eine schmerzhaf­te Geschichte.“Arjen Robben

 ?? FOTO: IMAGO ?? Nur bedingt mit ihren Bankplätze­n zufrieden – Arjen Robben, Rafinha und Franck Ribéry (v.l.).
FOTO: IMAGO Nur bedingt mit ihren Bankplätze­n zufrieden – Arjen Robben, Rafinha und Franck Ribéry (v.l.).

Newspapers in German

Newspapers from Germany