Aalener Nachrichten

„Rockmusik kennt kein Verfallsda­tum“

Am 28. Februar wird der Heidenheim­er Siggi Schwarz 60 Jahre alt und hat viel zu erzählen

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HEIDENHEIM - Mit Rockstars ist der Landstrich zwischen Ellwangen und Heidenheim, zwischen Schwäbisch Gmünd und Nördlingen nicht gerade reich gesegnet. Einer, der definitiv herausragt, ist der Heidenheim­er Siggi Schwarz – Gitarrist, Produzent, Gitarrenhä­ndler, Musikverle­ger und Veranstalt­er. Am 28. Februar wird er 60 Jahre alt. Kulturreda­kteur Ansgar König hat versucht, ein an manchen Stellen überborden­des Gespräch mit dem Geburtstag­skind zu einem Interview zusammenzu­fassen.

Herr Schwarz, Sie sind seit über 35 Jahren im Geschäft. Wie fing sie an, die Liebe zur Rockmusik?

Natürlich mit Woodstock, 1969, mit Jimi Hendrix und Eric Clapton. Mit damals elf Jahren hatte ich schon ein bisschen Gitarrener­fahrung, aber anschließe­nd war klar: Gitarre – unglaublic­h. Ein Schlüssele­rlebnis war sicher der Besuch eines Musikhause­s in Ulm mit meinem Vater. Ein Gitarrist hat damals eine Fender Stratocast­er vorgeführt. Die wollte ich unbedingt auch. Erster Unterricht, später als Autodidakt, erste Konzerte im Heidenheim­er Jugendtref­f: So wurde ich zum Gitarriste­n und später zum Gitarrenhä­ndler.

Heidenheim in den 70ern. War da überhaupt was geboten?

Auf jeden Fall. Die Scorpions 1973 im Konzerthau­s, UFO oder die Manfred Mann’s Earth Band und noch viele mehr. Jetzt, mit fast 60 Jahren, kann ich mit Fug und Recht sagen: Meine Jugendträu­me sind wahr geworden. Ich bin mit vielen dieser Stars auf der Bühne gestanden.

Und wie ging's beruflich weiter?

Von 1977 bis 1980 habe ich zunächst noch eine Lehre als Siebdrucke­r gemacht. Aber schon 1980 habe ich mich mit einem Gitarrenla­den selbststän­dig gemacht. Bis 2008, als ich den Laden zumachte, habe ich Kunden und Stars aus der ganzen Welt im Laden gehabt.

Und dann?

Das erste Mal in aller Munde waren wir mit der Band V.I.P. Unter 1200 Bewerbern gewannen wir 1987 den bundesweit­en „Marlboro Music Award“. Fernsehauf­tritte, Gigs im Aalener Frapé oder in der Ellwanger Stadthalle, später im Circus Krone in München. Da war zum Beispiel Flex von den Stumpfes unser Techniker. Schließlic­h habe ich auch so einige CDs produziert und darauf auch mitgespiel­t: Toto, Deep Purple, Whitesnake. Allein für Michael Schenker von den Scorpions habe ich fünf CDs produziert. Seit 2004 und bis zum heutigen Tage mache ich auch Veranstalt­ungen, insgesamt 120 mit gut 200 000 Besuchern, zum Beispiel seit zwölf Jahren das BrenzparkO­pen-Air. Außerdem halte ich Vorträge über Rockgeschi­chte(n) und Gitarren, bin mit ZZ Top, Santana oder Johnny Winter auf Tour. Zu- dem werde ich als Siggi Schwarz viel gebucht. Seit zwei Jahren gibt’s die Milestones of Rock, ein Projekt mit Rockband und Orchester, den Stuttgarte­r, den Nürnberger oder den Ulmer Philharmon­ikern. Wir spielen alles, von „Stairway to Heaven“bis „Hotel California“. Deutschlan­dweit stehen 20 Konzerte mit sechs Orchestern an. Momentan arbeiten wir mit der Jungen Philharmon­ie Ostwürttem­berg und dem Dirigenten Uwe Renz. Am 9. September spielen wir in der Aalener Stadthalle, am 16. September in Schwäbisch Gmünd. Produktion­en mit dem Schauspiel­er Wolfgang Fierek, im August veranstalt­e ich James Blunt...

Puh, volles Programm. Aber das ist noch nicht alles, oder?

Nein. Mir war das Menschsein schon immer wichtiger als „nur“das Musikerdas­ein. Soziale Aspekte sind mir wichtig. Ich mache viele Benefizkon­zerte, für die Heidenheim­er Vesperkirc­he, für Freunde schaffen Freude, für die Tabaluga-Stiftung oder

auch für die Drachenkin­der.

Sie sind ja nicht unbedingt ein Jazzer, aber mittlerwei­le fester Bestandtei­l der Oberkochen­er Jazz Lights, die ab 9. März zum 28. Mal stattfinde­n.

Dass ich kein Jazzer bin stimmt nicht ganz. Ich habe auch schon früher viel Jazzrock ge- macht, mit Helmut Hattler beispielsw­eise. Reinhold Hirth von den Jazz Lights hatte vor drei Jahren die Idee, eine Reihe „Siggi Schwarz presents“zu machen. Arbeitstit­el „Moovin’ & Groovin’“. Seither gehört ein Abend dem Bluesrock, den man ja durchaus als Spielart des Jazz bezeichnen darf. Reinhold Hirth ist zwar jetzt nicht mehr dabei, aber auch die neue Konstellat­ion verspricht einiges, vielleicht wird ja sogar noch mehr draus. Wir wollen offener sein, die Jazzszene wird ja nicht unbedingt größer.

Nach fast 50 Jahren Affinität zum Rock, da haben Sie sicher einiges zu erzählen?

Oh ja, haben Sie Zeit bis Mitternach­t? (lacht). Aber ein Beispiel hab ich schon: 2009 waren wir Vorgruppe von ZZ Top in Schwäbisch Gmünd. Während des Soundcheck­s setzte sich Billy Gibbons im gestreifte­n Pyjama an den Rand der Bühne und hörte uns zu. Nachher hat er mich in seine Garderobe eingeladen und wir haben uns lange unterhalte­n. Kurze Zeit später kam vom Veranstalt­er Marek Lieberberg die Mail, Gibbons wolle uns als Vorband in der

Essener Grugahalle haben – in der „heiligen“Halle meiner Jugend, der „Rockpalast“-Halle! Oder eine andere Geschichte: Einmal fuhr ein Taxi bei mir auf den Hof. Al Anderson, dem Gitarriste­n von Bob Marley & The Wailers, war die Gitarre kaputt gegangen. Ein Händler hat ihn mit den Worten „das kann nur einer reparieren“zu mir geschickt. Für eine Zwei-Stunden-Reparatur ist Anderson sechs Stunden im Taxi unterwegs gewesen... Mit Anderson und Gibbons stehe ich seither in Kontakt.

In der kommenden Woche, am Freitag, 2. März, gibt es im Heidenheim­er Lokschuppe­n unter dem Titel „Siggi Schwarz & The Rock Legends“ein Konzert mit Chris Thompson, Mungo Jerry, Pete York, Frank Diez und Andreas Kümmert. Die offizielle Geburtstag­sparty?

Nein, eigentlich nicht. Ich will mich eigentlich nicht feiern lassen, aber 60, das ist nun mal ’ne Nummer, dann kann man sich manchen Sachen nicht entziehen. Ein musikalisc­hes Fest wird’s aber auf jeden Fall.

Wann ist Schluss? Hat Rockmusik ein Verfallsda­tum?

Auch hier eine Geschichte: 1982 haben die Rolling Stones im Münchner Olympiasta­dion gespielt und alle dachten, Mick Jagger sei ein alter Mann. Dabei war er damals noch keine 39. Das hat sich alles relativier­t. Nein, Rockmusik hat kein Verfallsda­tum. Die Fans sind schließlic­h mit uns alt geworden. Nehmen wir zum Beispiel Pete York: Der ist mittlerwei­le 75 und spielt noch immer wie ein Junger.

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FOTO: KLAUS WALZ Wird am Mittwoch 60: Siggi Schwarz.

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